„Keine Sorge“
Wie groß ist die Gefahr, die von der hohen Radonbelastung an den Kindergärten und Schulen ausgeht? Und warum zögert man die Sanierungsarbeiten so lange hinaus? Luca Verdi, Direktor im Labor für physikalische Chemie, im Interview.
Tageszeitung: Herr Verdi, der Auftrag für eine neuerliche Erhebung der Radonwerte in Schulen, Kindergärten und Landesgebäuden wurde jetzt vergeben. Warum dauert es so lange, bis Maßnahmen zur Senkung der gefährlichen Radonbelastung umgesetzt werden?
Luca Verdi: Es ist gesetzlich vorgeschrieben, dass die Sanierung innerhalb von drei Jahren stattzufinden hat. Das klingt vielleicht nach einer langen Zeit, aber Fakt ist, dass die Planung von Sanierungen im öffentlichen Bau immer ein bisschen kompliziert ist. Insofern kann man das auch hinnehmen. Das Land hat sinnvollerweise beschlossen, diese Beauftragung zentral zu verwalten.
Inwiefern?
Die Alternative wäre gewesen, dass die Schuldirektoren für jedes einzelne Gebäude eine Beauftragung machen, wodurch weiß Gott wie viele Firmen zu unterschiedlichen Zeiten unterwegs wären. Das wäre nicht zumutbar. Es ist für das Land viel günstiger, alles zentral zu managen. Man hat auch eine zentrale Kontrolle, dass die Arbeiten technisch ordentlich gemacht werden. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir zu einem guten Schluss kommen.
Der Anlass
Nachdem die Landesumweltagentur in den letzten Jahren in 197 Südtiroler Schulen, Kindergärten und Landesgebäuden eine zu hohe Radonbelastung feststellte, hat das Land nun eine Firma beauftragt, detailliertere Messungen durchzuführen und entsprechende Sanierungsmaßnahmen zu begleiten.
Radon ist nach Tabakrauch die zweithäufigste Ursache für Lungenkrebs. Es handelt sich um ein natürlich vorkommendes, radioaktives Edelgas, das über das Erdreich in die Gebäude gelangt. In geschlossenen Räumen – vor allem in jenen mit Erdkontakt und mit geringem Luftwechsel – kann das farb-, geruch- und geschmacklose Gas hohe Konzentrationen erreichen.
Wie lang wird es nun dauern, bis es effektiv zu Sanierungsmaßnahmen kommt?
Jetzt dauert es einige Monate, bis die weiteren Lokalaugenscheine durchgeführt und die Vorschläge für die einzelnen Sanierungsmaßnahmen eingerichtet werden. Das wird mit den Gemeinden bzw. dem Land und mit den Schuldirektoren besprochen. Danach liegt es an den Gemeinden, die Organisation für die Durchführung zu starten.
In vielen Schulen ist seit Jahren bekannt, dass die Radonbelastung zu hoch ist. Wie groß ist die Gefahr, die für Kindergartenkinder, Schüler und Mitarbeiter ausgeht?
Das kann ich schwer beurteilen. Jedenfalls: Wenn das Gesetz vorschreibt, dass die Sanierung innerhalb von drei Jahren und nicht innerhalb von drei Wochen zu machen ist, dann ist es nicht brutal dringend. Ich würde auch lieber alles in drei Wochen machen, aber man muss sich die Zeit für die Organisation nehmen. Verschiedene Schulen und Arbeitgeber bewerten das anders und ändern die Raumnutzung. Diese Freiheit muss man den einzelnen Schulen auch geben.
Sind einige Schulen also schon selbst aktiv geworden?
Ja, einige Schulen und Gemeinden haben sich auch schon gemeldet und warten auf den Startschuss. Viele haben auch bereits Ressourcen zur Seite gelegt, damit sie nächstes Jahr starten können. Das System sollte jetzt funktionieren.
Wie hat man das Radonproblem in Vergangenheit gelöst, als die Messungen noch nicht so umfangreich waren?
Wir haben im Laufe der letzten Jahrzehnte punktuell Messungen durchgeführt. Es lag aber an den Arbeitgebern, diese Messungen zu beantragen. Dabei kann es sein, dass nicht alle ausreichend informiert sind. Deshalb nun diese zentral organisierte, riesige Messkampagne in allen Schulen. In Vergangenheit hat man sich eher auf Einzelinitiativen verlassen – mit Vor- und Nachteilen.
In welchen Landesteilen werden besonders hohe Radonwerte verzeichnet?
Es bestätigt sich die alte Radonkarte von Südtirol, die im Internet abrufbar ist. Es gibt nach wie vor Bereiche, wo es wahrscheinlicher ist, hohe Radonwerte zu finden. Die Rede ist vom oberen Vinschgau, dem Pustertal und einzelnen anderen Gemeinden. Das heißt nicht, dass alle Schulen in den roten Gemeinden gefährdet sind – und auch nicht, dass alle in den weißen Zonen sicher sind. Das ist geologisch bedingt, nachdem Radon ja vom Boden herauskommt.
Sie sagen aber, die Eltern müssen sich keine Sorgen um ihre Kinder machen?
Nein, das müssen sie nicht. Aber wo es eine Überschreitung gibt, muss man intervenieren. Und da ist es durchaus sinnvoll, dass sich Schulen, Land und Gemeinden sowie auch Eltern, Lehrer und Kinder damit auseinandersetzen. Schlimm wäre es, wenn nichts gemacht würde. In letzter Zeit gab es in gewissen Schulen auch einen Informationsbedarf, weshalb wir hingefahren sind und die Sachlage geschildert haben.
Gehen private Arbeitgeber eher zu leichtfertig mit dem Thema Radon um?
Auch dort muss vor allem in unterirdischen Arbeitsbereichen die Radonkonzentration gemessen werden. Viele Firmen haben das gemacht. Es ist aber nicht so, dass alle Firmen solche Bereiche benutzen. Es gibt typische Situationen, wo es natürlich zu Überschreitungen kommt. Bei privaten Firmen ist es aber auch etwas einfacher: Dort wird neben dem Radonwert auch die Aufenthaltszeit berücksichtigt, sodass ein hoher Wert dennoch gesetzeskonform sein kann. In Schulen hingegen muss interveniert werden – egal ob sich jemand nur eine Stunde oder acht Stunden in einem Raum aufhält.
Die Firma aus Bologna hat den Auftrag mit fast nur der Hälfte des geschätzten Preises übernommen. Kann bei einem so hohen Abschlag eine seriöse Erhebung gemacht werden?
Das Land hat alle Überprüfungen gemacht, um hier sicherzugehen. Es handelt sich um eine Firma, die bereits anderswo große Arbeiten durchgeführt hat und deshalb wohl organisatorisch gut aufgestellt ist. Es ist keine Firma von weiß Gott woher und ohne Erfahrung. In diesem Sinne bin ich zuversichtlich.
Interview: Heinrich Schwarz
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