„Ich mag Achammer, aber …“
Siegfried Brugger wirft Philipp Achammer in der Doppelstaatsbürgerschaft vorauseilenden Gehorsam vor. Die Marschroute der SVP-Spitze sei seit Jahren: Nicht zu viel rühren! Der Ex-SVP-Obmann ist auch gegen ein SVP-PD-Bündnis.
TAGESZEITUNG Online: Herr Brugger, Sie fordern von der SVP-Führung im Zusammenhang mit der doppelten Staatsbürgerschaft mehr Mut. Heißt das im Umkehrschluss, Philipp Achammer ist ein Angsthase?
Siegfried Brugger (lacht): Das sagen Sie jetzt! Mir geht es nicht um die Beurteilung von Charaktereigenschaften, sondern um ein Anliegen, um eine politische Position. Mir scheinen Sätze wie: „Das ist nicht angemessen“ oder „Das ist nicht richtig“ völlig fehl am Platz.
Sie beziehen sich auf die Kritik von SVP-Chef Achammer auf den Brief der 19 Landtagsabgeordneten, der sagte, die Form sei nicht angemessen, weil der Brief als öffentlicher Zuruf an die Verhandlungsführer verstanden werden könnte?
Ja! Wenn 19 Südtiroler Abgeordnete einen Brief schreiben und ein Anliegen weiterverfolgen, für das sich sogar die SVP und deren Obmann im Jahr 2012 eindeutig ausgesprochen haben, dann kann man diesen nicht eine unangemessene Aktion unterstellen.
Warum hat Achammer das getan?
Ich tue mich mit einer Erklärung sehr schwer. Denn in Sachen Doppelstaatsbürgerschaft könnten sich Österreich und die SVP Italien zum Vorbild nehmen. Italien hat bereits 2006 in weitherziger Weise sehr vielen Auslandsitalienern in der ganzen Welt – besonders aber jenen in Dalmatien, Istrien und Fiume – das Recht auf den italienischen Pass eingeräumt. Das ist durchaus mit der Situation in Südtirol vergleichbar. Die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an Südtiroler wäre eine Frage der Gegenseitigkeit. Die 19 Mandatare haben nichts anderes getan, als eine legitime Frage gestellt.
Nochmal: Wie erklären Sie sich die Reaktion Achammers?
Die Marschroute der SVP-Spitze ist seit Jahren: Nicht zu viel rühren, beschäftigen wir uns mehr mit Themen wie der Festschreibung der Schutzfunktion in der Verfassung. Logisch kann Wien immer Nein sagen, aber wir werden wohl hoffentlich einen Wunsch äußern und eine Forderung stellen können, ohne dass Achammer dies als unangemessen empfindet.
Aus Österreich gab es diese Art von Reaktion nicht?
Das ist genau der Punkt: Wennschon hätte Österreich sagen müssen, der Brief der 19 ist unangemessen.
Sie wissen aber auch, dass es ein Gutachten des österreichischen Innenministeriums aus dem Jahr 2011 gibt, in dem es heißt, die Doppelstaatsbürgerschaft, die ausschließlich Südtiroler begünstige, liefe Gefahr, gegen den Gleichheitsgrundsatz zu verstoßen.
Ich kenne das Gutachten sehr gut. Die Doppelstaaatsbürgerschaft für Südtiroler wäre möglich. Vieles wäre möglich. Die Frage ist, ob man will. Als mein damaliger Kollege Karl Zeller und ich im Jahr 2006 das Thema auf den Tisch gebracht hatten, hatte Staatssekretär Gianclaudio Bressa vollstes Verständnis für den Südtiroler Wunsch gezeigt. Es geht lediglich um das gleiche Recht für alle Staatsbürger, eine von Vorfahren früher einmal besessene und dann verlorene Staatsbürgerschaft wiederzuerlangen. Rechtlich wäre die Doppelstaatsbürgerschaft ganz sicher möglich, aber wenn Österreich sagt, wir wollen das nicht, dann ist das okay. Aber es ist legitim, dass man eine Frage stellt. Als es vor Monaten um die Schließung der Brennergrenze ging, wurden wir nicht gefragt. Da hat niemand gesagt, dass dies unangemessen war.
Sie haben das Gefühl, die Österreicher wollen uns nicht?
Man sollte jetzt nicht von einem ideellen Herzensanliegen sprechen. Entweder ist es ein Herzensanliegen oder keines.
Es stellt sich noch ein Problem: Von den österreichischen Parteien ist eigentlich nur die FPÖ für die Doppelstaatsbürgerschaft …
Man muss jetzt sehen, ob die FPÖ dies zur Bedingung in den Koalitionsverhandlungen macht. Ich bin mir nicht so sicher, dass die FPÖ dies zum Junktim macht. Und ich bin mir auch nicht so sicher, ob es sich bei einigen Wortmeldungen aus der ÖVP nicht nur um Lippenbekenntnisse handelt. Ich glaube nach wie vor daran, dass Österreich in dieser Frage gegenüber Italien sehr vorsichtig sein will. Dabei wäre es das kleinste Problem, die Forderung gegenüber Italien zu begründen, weil Italien selbst viel großzügiger war und einen Präzedenzfall geschaffen hat.
Also doch: Man will uns nicht …
Ich glaube, dass Österreich keinen Bock auf die doppelte Staatsbürgerschaft hat. Trotzdem sollten nicht wir die sein, die vorauseilend sagen: Wir wollen auch nicht. Wenn Österreich nicht will, dann nehmen wir das Kenntnis, aber man kann nicht vorauseilend von einem unangemessenen Brief sprechen. Das war nicht klug. Ich meine das auch nicht böse, sondern ich möchte das gut meinen.
Man hat bei der 60-Jahre-Sigmundskron-Feier gesehen, wie Sie zur derzeitigen SVP-Spitze stehen: Sie haben sich versteckt, als Sie auf die Bühne gerufen wurden …
(lacht) Nein, ich habe mich nicht versteckt. Ich bin in den hintersten Reihen neben Sabina Kasslatter Mur gestanden. Bei deren Größe kann natürlich der Eindruck entstehen, dass ich mich verstecken wollte. Nachdem ich nur mehr einfaches Parteimitglied bin, keine Funktion mehr innehabe und auch in keinem Gremium mehr sitze, habe ich schon im Vorfeld gesagt: Wenn ich komme, dann als einfaches Parteimitglied. Es ist ja nicht so, dass ich den Philipp Achammer nicht mag …
Sondern?
Ich habe ihm bereits Ende August gesagt, dass ich mich gern mit ihm zu einem generellen Ratscherle treffen würde. Ich sagte ihm beispielsweise, dass ich es aufgrund des neuen Wahlgesetzes nicht besonders geschickte fände, bereits im Vorfeld eine Vereinbarung mit dem PD einzugehen, weil sicher keine Partei eine absolute Mehrheit bekommen wird. Eine Vereinbarung mit einer Partei wäre daher gefährlich …
Ist es zu dem Ratscherle gekommen?
Nein, offenbar hatte Achammer keine Zeit oder keine Möglichkeit dazu. Ich möchte das auch nicht besonders beanstanden. Aber selbst wenn ich mich hätte einbringen wollen, wäre das nicht möglich gewesen.
Interview: Artur Oberhofer
Ähnliche Artikel
Kommentare (15)
Lesen Sie die Netiquette und die Nutzerbedingungen
Kommentar abgeben
Du musst dich EINLOGGEN um einen Kommentar abzugeben.
andreas
@einereiner
Aus den hinteren Reihen einen Blödsinn quatschen ist halt doch immer noch einfacher als die Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen.
Euer Vorbild Pokemon hat in Katalonien so alles versemmelt, was es zu versemmeln gab. Die STF dachte es sei eine gute Idee mit dem Kopf durch die Wand zu gehen, war es aber nicht und nichts anderes propagieren sie in Südtirol.
sabine
Wie Recht Herr Brugger doch hat. Neuerdings wird in der SVP alles getan, um ja den PD zufrieden zu stellen, klar Position zu beziehen ist alles andere als an der Tagesordnung.
Eine angemessene Interessensvertretung stelle ich mir anders vor.
prof
Herr Brugger soll still sein,nicht herumm-Eiern und soll seine Rente kassieren.
Hat er in seiner Anwalts-Kanzlei zuwenig zu tun? will er etwa doch nochmals in die Politik einsteigen?Leider gibt es immer Leute welche einmal ganz oben standen und nicht mehr im Rampenlicht stehen darunter immens leiden.