Riss in der Vene
Ein Gutachten in einem Beweissicherungsverfahren belastet zwei Orthopäden des Sterzinger Krankenhauses, für den Tod einer 74-jährigen Patientin mitverantwortlich zu sein. Vier Bozner Ärzte werden hingegen entlastet.
von Thomas Vikoler
Ein strukturelles Problem des Kleinkrankenhauses Sterzing auf der Abschussliste der Landesverwaltung und zwei dort tätige Orthopäden, die ihre chirurgischen Fähigkeiten offenbar etwas überschätzt haben.
Dieses Bild zeigt sich nach Abschluss eines Beweissicherungsverfahrens am Bozner Landesgericht zum Tod einer 74-jährigen Patientin am 15. Oktober 2016 im Bozner Krankenhaus. Unter dem Tatverdacht der fahrlässigen Tötung stehen drei Ärzte des Sterzinger Spitals und vier Kollegen des Krankenhauses Bozen.
Als Todesursache gab der Brescianer Chirurgie-Professor Francesco De Ferrari gestern ein multiples Organversagen infolge einer Trombose an. Die Leiche der verstorbenen Patientin war zuvor für sieben Monate im Gefrierfach des Bozner Krankenhauses gelagert worden, am 8. Mai dieses Jahres führte De Ferrari, der von Richter Walter Pelino eingesetzte Gutachter, die Obduktion durch.
Das gestern vorgestellte Gutachten ergab ziemlich eindeutig: Die vier Bozner Ärzte, welche die Patientin nach der Überstellung aus dem Krankenhaus Sterzing dreimal operierten, sind strafrechtlich aus dem Schneider.
Anders die Position der beiden Sterzinger Orthopäden, welche am 14. Oktober 2016 im dortigen Spital einen chirurgischen Eingriff zur Stabilisierung der Wirbelsäule vornahmen.
Dabei kam es zu Komplikationen, die der Gutachter folgendermaßen beschreibt: Bei der Spreizung einer Vene entstand ein zwei Zentimeter langer Riss, eine sogenannte iatrogene Verletzung der linken Iliaca Comunis. Es kam zu einem großen Blutverlust, es mussten insgesamt acht Beutel zugeführt werden, um die Patienten zu stabilisieren. Am Tag darauf wurde sie ins Bozner Spital gebracht.
Für Gutachter De Ferrari hätte sich das Risiko für die 74-Jährige erheblich minimieren können, wäre bei der Operation ein Gefäßchirurg dabei gewesen – was den internationalen Standards entsprochen hätte. Er Gefäßchirurgen gab es im Sterzinger Kleinspital aber keinen. Ein abrufbereiter Chirurg wurde zur Operation am 14. Oktober 2016 beigezogen, da war der Riss in die Vene aber bereits erfolgt. Der Chirurg steht ebenfalls unter Ermittlung, kann aber – wie die vier Ärzte des Bozner Spitals – mit einer Einstellung des Verfahrens rechnen.
Für die beiden Sterzinger Orthopäden sieht es weniger gut aus, gegen sie dürfte die Staatsanwaltschaft aufgrund des Ergebnisses des Beweissicherungsverfahrens Anklage wegen fahrlässiger Tötung erheben. Ihre Verteidiger betonen allerdings, dass die Patientin das Krankenhaus im Wipptal in einem stabilen Zustand verlassen habe und die Trombose erst danach aufgetreten sei.
Deutlich wird durch dieses Gutachten jedenfalls, dass die Operation am besten gleich im Bozner Krankenhaus hätte durchgeführt werden sollen. Dabei hatte die Patientin großes Vertrauen in die Ärzte des Sterzinger Spitals. Sie war dort, zu ihrer größten Zufriedenheit, am Fuß operiert worden.
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Kommentare (3)
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andreas
Anhand dieses Falles sollte auch der letzte kapieren, dass kleinere Krankenhäuser im Notfall nicht die Möglichkeiten von größeren haben.
Für mich ist es unverständlich wie eine werdende Mutter, nur auf Grund von eigener Bequemlichkeit, auf die Sicherheit für das Kind und für sich selbst verzichtet.
george
Wie kann ‚andreas‘ aus diesem Fall solche Schlüsse ziehen, wie hier geschrieben? Das ist „vermeintliche Gescheidheit“ und unzulässige Präpotenz, hier sich derart einzumischen.
andreas
Das hat mit Hausverstand zu tun, eine Eigenschaft, welche einem esoterisch angehauchten Grünen fremd ist.