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„ … ma tu non sai chi sono io?“

Der Technische Direktor der Brennerautobahn AG Carlo Costa soll einen Manager auf der Autobahn mit einer Haltekelle dazu genötigt haben, auf die Notspur auszuweichen und anzuhalten. Eine Spurensuche.

von Artur Oberhofer

Freitag, 6. Oktober 2017: Patrik R., Manager in einem großen und bekannten Betrieb, ist auf der Südspur auf der Brennerautobahn unterwegs.

Es ist 08.40 Uhr, als der Mann auf der Höhe von San Michele einen dunkelgrauen BMW 4er Gran Coupé im Rückspiegel bemerkt, der mit hoher Geschwindigkeit unterwegs ist und drängelt.

Patrik R., der einen BMW 320 fährt, weicht auf die rechte Spur aus. „Weil auch ich zügig vorankommen wollte“, so erzählt der Manager, „habe ich mich an den Gran Coupé einfach drangehängt.“

Nach einigen Kilometern habe der 4er Gran Coupé vor ihm wegen eines Lkw abbremsen müssen. „Ich habe meinen Wagen ebenfalls runtergebremst“, erzählt der Manager, „und bin dem Wagen vor mir ziemlich nahegekommen.“

Was in der Folge passiert, darüber gehen die Versionen diametral auseinander. Der Manager berichtet von einem Brennerautobahn-Direktor, der sich als „Privatpolizist“ aufspielt. Die Autobahn kontert: Der Mann solle gefälligst still sein, weil mit seinem Fahrverhalten sich und andere Personen gefährdet habe.

Die TAGESZEITUNG hat versucht, der Wahrheit auf den Grund zu gehen.

Laut Patrik R. ist Folgendes passiert:

„Der 4er Gran Coupé wich dann mit einem abrupten Manöver auf die rechte Fahrbahn aus, woraufhin ich ihn wieder überholte. Dann hing der Grand Coupé sich praktisch an meine hintere Stoßstange und blendete die ganze Zeit auf. Irgendwann wich ich wieder auf die rechte Fahrbahn aus und wollte den Grand Coupé vorbeilassen. Und dann passierte es: Der Mann im BMW hat mich flankiert und winkte mit einer Polizeikelle.

Ich habe mir gedacht: Shit, jetzt bin ich an einen Polizisten in Zivil geraten!

Der Fahrer des 4er-Gran Coupé drängelte mich dann förmlich auf die Notspur ab und zwang mich anzuhalten. Er stellte seinen Wagen vor meinem ab, stieg mit der ,Paletta‘ in der Hand aus und kam sehr aufgeregt in meine Richtung.

Ich ließ das Fenster herunter und wollte mich entschuldigen. Er schrie mich an: ,Was fällt dir ein, mir nachzufahren und so nahe aufzufahren!‘

Dabei war ich gar nicht so nahe an ihn aufgefahren, wie er dies darstellte.

Ich bat ihn mehrmals um Entschuldigung, immer noch in der Meinung, bei dem Mann handle es sich um einen Sicherheitsbeamten in Zivil.

Der Mann ging auf meine Entschuldigungen gar nicht ein. Er schrie: ,Non me ne frega un cazzo, ma tu sai chi sono io? Io sono il Direttore Generale dell’ Autostrada del Brennero‘, ora ci penso io a farti inculare!’

Der Mann rief daraufhin die Polizei an, dasselbe tat ich, nachdem mir klar war, dass dieser gute Herr, der sich wie ein Sheriff aufführte, keine Ermächtigung hatte, mich aufzuhalten. Ich wollte mich also meinerseits absichern, indem ich sofort die Polizei verständigte.

Ich bemerkte dann, dass auf der Haltekelle, die er in der Hand hielt, ,Autostrada del Brennero’ stand.

Nachdem er telefoniert hatte, kam er wieder zu mir. Er sagte, ich solle hier auf der Notspur warten, eine Polizeistreife, die in Richtung Norden unterwegs sei, würde an der nächsten Ausfahrt ausfahren und dann hierher kommen, um meine Daten aufzunehmen.

Anstatt mit mir bis zur Ankunft der Polizei zu warten, ist der Mann im 4er-BMW dann einfach mit vollem Karacho losgefahren …“

Patrik R. dachte erst gar nicht daran, auf der Notspur zu warten – auch weil dies nicht erlaubt ist und obendrein lebensgefährlich wäre.

Der Manager setzte sich in seinen Wagen und googelte zunächst den Begriff „Autostrade del Brennero“ – von dieser Seite lächelte ihm der Herr entgegen, der ihn kurz zuvor genötigt hatte, auf die Notspur auszuweichen und anzuhalten. „Es war zweifelsfrei Carlo Costa, der Technische Direktor der Brennerautobahn AG, es war eins zu eins sein Gesicht“, so Patrik R. in einer schriftlichen Sachverhaltsdarstellung an die TAGESZEITUNG.

Carlo Costa ist ein Schwergewicht in Südtirol. Er ist nicht nur Technischer Direktor der Brennerautobahn AG, sondern auch noch der mächtigste Mann im Südtiroler PD und Vizepräsident der Südtiroler Sparkasse.

In der Sachverhaltsdarstellung schreibt Patrik R. weiter:

„Ich wollte nicht auf der Notspur warten, sondern fuhr dem 4er Gran Coupé nach und rief noch einmal die Polizei an. Ich gab der Polizei das Kennzeichen des Wagens durch. Man versicherte mir, man werde die Sache prüfen und mich zurückrufen.

Derweil hatte ich Herrn Costa aus den Augen verloren, weil er sehr schnell unterwegs war. Weil es Verkehrsbehinderungen gab, gelang es mir, Herrn Costa kurz vor Affi einzuholen, er ist dann in Affi ausgefahren.

Einige Stunden später erreichte mich ein Anruf aus Trient, der Vizequästor persönlich war am Telefon. Er bat mich, ein den Verkehrsverhältnissen adäquates Fahrverhalten an den Tag zu legen, sie hätten nämlich festgestellt, dass ich mit über 150 Stundenkilometern unterwegs gewesen sei. Ich entschuldigte mich dafür. Auf meine Frage, weshalb ich von einer Zivilperson mitten auf der Notspur angehalten werde und ob er mir den Namen der Privatperson, die mich mit einer Kelle in der Hand aufgehalten hat, bestätigen könne, sagte der Vizequästor, das müsse ich mit einer Privatanzeige regeln.“

LESEN SIE MORGEN AUF TAGESZEITUNG ONLINE: 

  • Wie die Brennerautobahn AG und Carlo Costa auf die Vorwürfe reagiert haben.

 

 

 

 

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