Traurige Bilanz
Die Südtiroler Familien geben für Glücksspiele mehr aus als für Gesundheit, Kommunikation und Kleidung.
von Heinrich Schwarz
Die Verbraucherzentrale Südtirol (VZS) sieht eine übermäßige Belastung der Familienhaushalte durch verlockende, oft auch irreführende Glücksspiele. Gegen die Irreführung hat die VZS bereits 2010 Eingaben in Rom gemacht. „Leider ist nichts passiert. Viel Schlimmer noch: Fünf Jahre lang hat die Agentur für Zoll und Monopole keine offiziellen Glücksspieldaten mehr publiziert“, so die VZS.
Und jetzt die Ernüchterung: Die Glücksspieleinsätze sind in der Region von 1,205 Milliarden Euro jährlich auf 1,217 Milliarden gestiegen. „Dabei sind die in den Wind geschriebenen Einsätze für ausländische Online-Gewinnspiele oder ähnliches wie ‚binäre Optionen‘, illegale Online-Gewinnspiele und die in Südtirol beliebten deutschen und österreichischen Klassenlotterien noch nicht mitgezählt.“
Für Südtirol ergibt sich eine Pro-Kopf-Ausgabe für Glücksspiele von 1.145 Euro pro Jahr. „Die Agentur“, so die VZS, „rechnet nunmehr die ausgezahlten Gewinne gegen die Glücksspieleinsätze auf und kommt auf durchschnittliche Ausgaben von 310 Euro pro Kopf. Jedoch: Dieses gegenseitige Aufrechnen ist irreführend. Die Spieler und Gewinner sind nicht dieselben Personen. Und tendenziell gewinnen wenige Viel (siehe Rubbellose) und es spielen viele.“
Bezeichnend sei, dass die Ausgaben einer Südtiroler Familie für Glücksspiele im Schnitt höher sind als etwa jene für Gesundheit, Kommunikation und Bekleidung. Die VZS verweist dabei auf die offizielle Statistik des ISTAT. Die Ausgaben für Glücksspiele seien darin jedoch nicht korrekt berücksichtigt.
Der VZS-Vorsitzende Agostino Accarino sagt: „In Italien durchgeführte Studien belegen, dass Senioren besonders gefährdet sind. Ein Drittel der Spielsuchtgefährdung betrifft über 65-Jährige.“
Geschäftsführer Walther Andreaus ist überzeugt, dass „Glücksspiele leicht die Lebenshaltungskosten aus dem Ruder laufen lassen können. So wird dann für die Spielleidenschaft eines Einzelnen oft die finanzielle Grundlage der gesamten Familienmitglieder in Mitleidenschaft gezogen. Glücksspiel wird damit zunehmend zum sozialen Problem, nicht allein ein gesundheitliches Abhängigkeitsproblem.“
Eine Selbstbeschränkung im Rahmen von Projekten wie „Gioco sicuro“ seien hier keine Hilfe. „Es braucht entschlossene Maßnahmen gegen das Überhandnehmen des Spieletriebs zu gewinnmaximierenden Zwecken. Zur allgemeinen Spielsucht leisten auch die großen (öffentlichen) Fernsehanstalten mit ihren Spieleshows ihren Beitrag“, betont Andreaus.
Der Steckbrief der Spieler
In Italien spielen 47 Prozent der Notleidenden, 56 Prozent der Personen mit einem mittleren bis niedrigen Einkommen, 70 Prozent der unbefristet angestellten Arbeitnehmer, 80 Prozent der Gelegenheitsarbeiter, 86 Prozent der Arbeitnehmer in Lohnausgleich, 61 Prozent der Akademiker, 70 Prozent der Maturanten, 80 Prozent der Mittelschulabgänger und 47 Prozent der 15- bis 19-Jährigen.
(Quelle: VZS mit Verweis auf Espresso/La Repubblica vom 7. Februar 2017)
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Kommentare (5)
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unglaublich
Diese „Statistik“ (ich glaube nur an die Statistik, die ich selber gefälscht habe) wird gewaltig ausgeschlachtet werden.
florianegger
In erster Linie verdient der Staat an den Glückspielen, daher sollte man nicht so heuchlerisch tun. Zudem zeigt die Statistik, wenn sie denn stimmt, daß die Südtiroler sehr gesund sind und geringe medizinische Ausgaben haben