„Wie eine Schwerverbrecherin“
Jetzt spricht Vera Nicolussi-Leck: Warum die ehemalige Ressortchefin von Landesrat Philipp Achammer vor das Arbeitsgericht gezogen ist.
von Silke Hinterwaldner
Als Vera Nicolussi-Leck an jenem Augusttag 2016 in ihr Büro kam, blieb ihr erstmal die Spucke weg. Auf ihrem Schreibtisch fand sie – vereinfacht ausgedrückt – ihre Kündigung. Korrekterweise muss man sagen, dass Landesrat Philipp Achammer seiner Ressortchefin den Führungsauftrag entzogen hatte. Schließlich war Vera Nicolussi-Leck zu diesem Zeitpunkt Lehrerin im Wartestand, die einen Vertrag über fünf Jahre für die Arbeit an der Spitze des deutschen Kultur- und Bildungsressorts abgeschlossen hatte.
An jenem Tag im August räumte Vera Nicolussi-Leck ihr Büro, noch am Nachmittag desselben Tages wurden ihre Mailadresse und ihr Zugriff auf sämtliche Daten gesperrt. „Ich habe mich damals gefühlt wie eine Schwerverbrecherin“, sagt Vera Nicolussi-Leck.
In den Wochen und Monaten zuvor hatte sich das Ende dieser beruflichen Zusammenarbeit bereits angekündigt. Mit Armin Gatterer war auch die Nachfolge zumindest inoffiziell bereits geregelt. Es gebe unterschiedliche Ansichten, ließ Landesrat Achammer wissen, das Vertrauensverhältnis sei nicht mehr gegeben und nicht zuletzt – so steht es als Kündigungsgrund in den Gerichtsakten – sei Vera Nicolussi-Leck „politisch anders denkend“.
Dabei hatte alles so schön begonnen: Vera Nicolussi-Leck war als Kinder- und Jugendanwältin ständig in Kontakt mit den Landespolitikern, auch mit Philipp Achammer. Als dieser auf der Suche nach einem Ressortchef bei ihr anklopfte, zögerte Nicolussi-Leck ein wenig. Aber, dachte sie sich dann, im Ressort Bildung könnte man sicher viel für Schule und Ausbildung erreichen. Das gefiel ihr. Als sie zusagte, verkündete der frisch gebackene Landesrat Achammer stolz: „Nicolussi-Leck ist die ideale Besetzung für dieses Amt.“
Allerdings war schon bald klar, dass Vera Nicolussi-Leck keine Frau ist, die man zur Zierde in ein Büro setzt. Sie ist ehrgeizig, zielstrebig und sie ist eine Kämpferin. Mehr als die Schönwetterpolitik interessierte es sie, effizient Entscheidungen einzufordern und umzusetzen. Aber spätestens hier gingen die Ansichten von Politiker und Ressortchefin auseinander.
„Wie soll ich 140 Leute führen, wenn ich kaum an Informationen komme, wenn ich oft keine Antworten auf drängende Fragen erhalte und man mich so nicht arbeiten lässt?“, sagt Vera Nicolussi-Leck heute. Mittlerweile hat sie sich ganz aus dem Landesdienst und der öffentlichen Verwaltung verabschiedet. Sie arbeitet im Bereich Organisation, Personalentwicklung und Konfliktmanagement für private Unternehmen und blickt nur ungern auf die schwierigen letzten Jahre zurück.
Aber nachdem das Tagblatt Dolomiten am Dienstag vermeldete, dass der Streit vor dem Arbeitsgericht mit einer Schlichtung endete, eine Forderung von 1.100.000 Euro angegeben wurde, die nie gestellt worden war, ist Nicolussi-Leck erstmals bereit, auf unsere Anfrage zu antworten. Sie will nicht länger schweigend zusehen.
„Es geht nicht nur ums Geld“, sagt sie, „ich wollte auch meinen Ruf wiederherstellen.“ Und weiter: „Wenn alle nur zuschauen und keiner den Mut hat, sich zu wehren, sobald etwas falsch läuft, dann ist das mehr als traurig. Ich bin selbst Juristin. Und ich glaube an die Gerechtigkeit.“ Direkt an die Politik gewandt fügt sie noch hinzu: „Politiker haben den Auftrag für die Bürger zu arbeiten, sie sollen sich nicht alles erlauben dürfen.“
Dabei ist sie selbstverständlich erleichtert darüber, dass das Verfahren vor dem Arbeitsgericht mit einer Schlichtung endete und ihr insgesamt 110.000 Euro zugesprochen wurden. Das Ergebnis der Schlichtung sollte man so verstehen: Wenn das Land bereit ist zu bezahlen, dann ist das durchaus als Eingeständnis von Schuld zu werten.
Vera Nicolussi-Leck ist kein Mensch, der sich vor der Arbeit drückt. „Ich war zwei Jahre lang so gut wie nie im Urlaub, weil ich mir nicht nachsagen lassen wollte, dass ich meine Arbeit nicht gut mache“, sagt sie, „ich war praktisch rund um die Uhr erreichbar. Außerdem bin ich gut ausgebildet, und ich habe Lust zu arbeiten.“ Trotzdem, oder vielleicht auch gerade deshalb, hat es nicht funktioniert.
Dabei war und ist Vera Nicolussi-Leck nicht die erste Ressortdirektorin, die bereits nach wenigen Monaten ausrangiert wurde. Vor ihr hatten vier andere neue Ressortchefs ihren Stuhl geräumt, sie hatten sich damit abgefunden oder sich arrangiert. Niemand hatte sich getraut, den steinigen Weg über das Arbeitsgericht zu nehmen. „Ich habe mich unfair behandelt gefühlt“, sagt hingegen Vera Nicolussi-Leck, „und wollte das nicht einfach hinnehmen.“ Dabei hätte sie durchaus auch ein anderes Angebot direkt von Seiten des Landes bekommen. Aber das wollte Nicolussi-Leck nicht. Sie wollte sich nicht irgendwo abstellen lassen. So nahm sie insgesamt acht Monate Wartestand und einen Anwalt.
Mit Gianni Lanzinger hat sie einen Spezialisten für Arbeitsrecht an ihrer Seite, der sie durch das vergangene Jahr begleitet hat. Auch er hat oft nur mit einem ungläubigen Kopfschütteln reagiert, wenn seine Mandantin von ihren Erfahrungen im Landesdienst erzählte.
Mittlerweile hat er den Fall abgeschlossen und Vera Nicolussi-Leck will und kann auch einen Schlussstrich unter diese Episode an der Spitz des Kultur- und Bildungsressorts ziehen. Noch offen ist jedoch, ob die Causa auch für die Landesregierung endgültig abgeschlossen ist. Denn: Sobald der Rechnungshof sich einmischt, wird Landesrat Achammer erklären müssen, warum die öffentliche Hand 110.000 Euro bezahlen soll. Oder ob man diesen Streit nicht auch hätte vermeiden können.
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Kommentare (16)
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andreas
„…so steht es als Kündigungsgrund in den Gerichtsakten – sei Vera Nicolussi-Leck „politisch anders denkend“.
So dumm kann doch eigentlich keiner sein, dies in eine Kündigung zu schreiben.
meinemeinung
Achammer und Leck sollen machen was Sie wollen ,aber bitte mit Ihrem Geld und nicht vom Steuertopf .
criticus
Frau Nicolussi-Leck, als Ressortchefin angestellt zu werden da wird wohl oder übel in erster Linie Loyalität verlangt. Und zum Streit gehören immer zwei. Das was was Ihnen passiert ist, passiert vielen Landesangestellten. Sie müssen teilweise während der Arbeitszeiten ihr Hirn ausschalten, oder unangenehme Sachen schlucken. Grund sind saublöde Regeln oder der/die Vorgesetzte. Der/die Vorgesetzte hat leider immer Recht, ob Sanität, Schule, Landesämter usw. Seien Sie froh, es hat nicht jede Frau oder Mutter das finanzielle Polster 8 Monate Pause einzulegen. In ihrem Fall müsste Herr Achammer auf jeder Fall die 110.000 Euro aus eigener Tasche bezahlen. Wo kommen wir hin, wenn immer der Steuerzahler für persönliche Streitereien in den Landesämtern bezahlen muss. In Südtirol leider schon eine Tatsache.
guyfawkes
„Niemand hatte sich getraut, den steinigen Weg über das Arbeitsgericht zu nehmen.“
Was hier „als steiniger Weg“ beschrieben wird, ist wohl eher als ausgerollter roter Teppich zu bezeichnen.
andreas
Freunde beim Land hat sie sich jedenfalls nicht gemacht.
Dass sich jemand traut, so gegen einen Landesrat vorzugehen, ist in Südtirol nicht üblich, deshalb Respekt für Frau Nicolussi, auch wenn ich keine Ahnung habe um was es eigentlich genau geht.
morgenstern
Wer braucht schon Freunde beim Land wenn man in der Privatwirtschaft arbeitet, wo niemand fragt welch politische Einstellung ich habe.
sepp
rago herr achhammer konns nett wissen mit koan Ausbildung
sepp
thefierstarter hosch du in achhammer als gscheid ongschaut i nett
andreas69
Dieser Bub hat sich mittlerweile zum eiskalten Machtpolitiker gewandelt. Seine Schwäche: Er hat noch nicht genügend Erfahrung in diesem Spielchen. Die Zeichen stehen nicht gut für ihn. Früher oder später wird er wieder über seine eigenen Haxln stolpern (siehe Nicolussi_Leck, Führerschein usw.). Die Menschen sind heutzutage auch nicht mehr so blöd. Sie erkennen mittlerweile schon, ob ein Politiker nur eine Show abzieht oder wirklich dem Volk dient. Das müsste er schon wissen. Und Macht alleine hilft auch nicht über alle Fettnäpfchen hinweg.
tiroler
Eine Katastrophe! Beide! Die Dame aus dem einflussreichen Familienclan, von wo aus sie ja wieder einen Job kriegte, unbedacht ihrer Kompetenz und der Jüngling, der von sich glaubt, fähig zu sein.
Schämt euch beide, euch auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung ungerechtfertigt zu bereichern