„Kein Recht auf Sezession“
Ex-LH Luis Durnwalder lobt den katalanischen Präsidenten für dessen Entscheidung, die Unabhängigkeit vorerst nicht auszurufen, sondern nun Verhandlungen mit Spanien aufzunehmen. Und er sieht Parallelen zum Südtirol der 60er-Jahre.
Tageszeitung: Herr Landeshauptmann, aufgrund Ihrer langjährigen politischen Erfahrung wurden Sie bereits im Palästina-Konflikt und in der Krim-Krise beratend angehört. Können Sie sich vorstellen, nun auch in Katalonien als Vermittler aufzutreten?
Luis Durnwalder: Ich bin überzeugt, dass ich zu klein bin, als dass ich in Katalonien vermitteln könnte. Hier geht es um Staaten. Deshalb komme ich als Vermittler nicht in Frage und wurde auch von niemandem kontaktiert.
Wenn Sie am Dienstag in der Position des katalanischen Regionalpräsident Carles Puigdemont gewesen wären, hätten Sie dann die Unabhängigkeit ausgerufen?
Das kann ich so nicht sagen, weil diese Thematik äußerst kompliziert ist. Ich bin aber überzeugt, dass kein Ausweg mehr an den Verhandlungen vorbeiführt. Wenn man nicht will, dass alles umsonst gewesen ist, dann muss man nun den Dialog mit Madrid aufnehmen. Katalonien muss sich eingestehen, dass es kein souveräner Staat werden kann. Andererseits hat der katalanische Regionalpräsident die Stimmen von zwei Millionen Katalanen hinter sich, die sich deutlich für mehr Autonomie ausgesprochen haben. Wenn die Katalanen jetzt hergehen und sagen: „Entweder oder“, dann wird autonomiepolitisch sicher nichts weitergehen, sondern es käme zu unnötigen Unruhen.
Sie sagen: Puigdemont hat das einzig Richtige gemacht?
Er hat das bisschen Eis, das noch vorhanden war, nicht durchgeschlagen, sondern den Faden für die Verhandlungen aufrechterhalten. Das war eine vernünftige Entscheidung. Unabhängig davon, ob das Referendum nun legitim oder illegitim war, hat ein großer Teil des katalanischen Volkes am 1. Oktober seinen Willen geäußert. Die Situation in Katalonien ist unserer Situation in den 60er-Jahren ähnlich. Auch wir haben damals auf das Unrecht hingewiesen – auf diese Weise haben wir erreicht, dass unsere Autonomie sukzessive ausgebaut werden konnte. Deshalb tut Katalonien gut daran, den Kontakt zu Spanien aufzunehmen. Spanien kann diese Dialogbereitschaft nicht länger ignorieren.
Welche Parallelen sehen Sie noch zu Südtirol?
In beiden Regionen gibt es ein großes Bestreben, vom Staat mehr Rechte zu bekommen und selber über die Entwicklung des Landes zu bestimmen. Es muss sich in Europa der Grundsatz durchsetzen, dass die Regionen den größtmöglichen Einfluss und die größtmögliche Mitsprache erhalten und damit die Verantwortung für die Entwicklung ihrer Region übernehmen. Ziel ist ein Europa der Regionen. Dafür muss sich aber etwas in den Staaten ändern. Wenn man die Regionen in Frankreich oder Polen mit den österreichischen und deutschen Bundesländern vergleicht, dann gibt es hier haushohe Unterschiede. Südtirol ist Beispiel dafür, dass der Weg der Autonomie der richtige ist. Ich bin überzeugt, dass wenn alle Regionen Italiens die Autonomie Südtirols hätten, es in Italien heute ganz anders ausschauen würde.
Sie meinen besser?
Ja, deshalb unterstütze ich auch die Anliegen der Regionen Lombardei und Venetien zum Ausbau der Autonomie, wenngleich ich das bevorstehende Referendum als zu soft erachte. Das Referendum ist ein erster Schritt, es ist aber noch viel mehr drinnen. Die Verfassungsreform von 2001 wurde nur halbherzig durchgeführt, sie war eine Augenauswischerei. Zwar wurde den Regionen mehr Kompetenzen in den Bereichen Schule, Sanität und öffentliche Ordnung versprochen, doch die Umsetzung scheiterte, weil den Regionen die dafür notwendigen Mittel und Strukturen fehlten. Sizilien wird sich im Zuge des Ausbaus der regionalen Autonomien zwar schwerer tun als die Lombardei. Doch ich bin überzeugt, dass Rom nicht mehr alles entscheiden darf, sondern dass der Staat die Kompetenzen dezentralisieren und die Verantwortung an die lokalen Kräfte abgeben sollte.
Sie haben sich im Autonomie-Konvent für die Verankerung des Selbstbestimmungsrechtes in der Präambel des Abschlussdokuments eingesetzt. Erfüllt Katalonien Ihrer Meinung nach die Voraussetzung, um dieses Selbstbestimmungsrecht in Anspruch zu nehmen?
In gewisser Weise hat es das bereits gemacht. Doch Selbstbestimmung ist nicht mit Sezession gleichzusetzen. Zudem muss Katalonien zur Kenntnis nehmen, dass dem Referendum die verfassungs- und verfahrensrechtlichen Voraussetzungen gefehlt haben und eine Sezession gegen die internationalen Verträge verstoßen würde. Das Ergebnis des Referendums ist eine Willensäußerung, die man nun in den Verhandlungen mit Spanien auch einsetzen sollte. Doch selbst wenn das Prozedere des Referendums rechtmäßig gewesen wäre, dann gäbe es in Katalonien noch immer keine Mehrheit für die Unabhängigkeit, weil sich nur 2,2 der 5,8 Millionen Wahlberechtigten dafür ausgesprochen haben. Es gilt zu unterscheiden zwischen dem inneren Selbstbestimmungsrecht, so wie wir es in Form der Autonomie wahrnehmen, und der äußeren Selbstbestimmung. Selbstbestimmung darf nicht automatisch Sezession heißen.
Interview: Matthias Kofler
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Kommentare (5)
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morgenstern
…..sinnfreies Geschwafel!!!
rolandlang
Selbstbestimmung heißt, das Volk entscheidet.
Die SVP fürchtet deshalb dieses Recht immer mehr wie der Teufel das Weihwasser.
Es gibt entweder den Weg der Autonomie oder jenen der Volksabstimmung. Bequemer und Machterhaltend für die SVP ist der Weg der Autonomie. Aber er führt unweigerlich in das Aufgehen im italienischen Staat.
Es gibt keine „interne Selbstbestimmung“! Diese Wortklauberei dient nur dazu, die Menschen zu verwirren. Man kennt das Geschwafel zur genüge: Vollautonomie, interne Selbstbestimmung, beste Autonomie der Welt, Europaregion usw.!
Fakt aber bleibt: Nur eine Loslösung von Italien bringt uns die Freiheit!
rolandlang
Artikel 1
Alle Völker haben das Recht auf Selbstbestimmung. Kraft dieses Rechts entscheiden sie frei über ihren politischen Status und gestalten in Freiheit ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung.
So steht es in der Menschenrechtspakte, von Italien ratifiziert im Jahre 1977 als Gesetz Nr. 881.
Mannik, wer hat da was falsch verstanden?