„Tourismus ist kein Fluch“
Mit seiner Forderung nach einer Tourismus-Obergrenze hat der Grüne Hans Heiss für Aufsehen gesorgt. In einem Gastkommentar warnt der Obmann des Südtiroler Köcheverbandes, Reinhard Steger, vor einem „Rückschritt“
von Reinhard Steger
Als Südtiroler sollten wir dankbar und glücklich sein, wenn Menschen ihren Urlaub hier bei uns verbringen, unser Land und unsere Produkte schätzen und hier ihr Urlaubsgeld ausgeben. Nachdem wir uns in dieser Branche über Jahrzehnte sehr intensiv für die Marke Südtirol, für ein sauberes Land, für gute Lebensmittel und für eine gute, ja ausgezeichnete Küche eingesetzt haben, wird nun die Diskussion geführt, ob der Tourismus eingegrenzt werden sollte.
Ja, jeder Wirtschaftszweig und jede Entwicklung hat ihre Vorteile, aber auch ihre Nachteile. Und dabei sollten wir nicht vergessen, dass wir 2008 nach dem Börsencrash praktisch keine Arbeitslosigkeit und in den 80-er-Jahren noch sehr, sehr kurze Saisonen hatten. Und damit als junge Menschen mehrere Monate keine Arbeit.
Heute haben wir dank guter Berufs- und Hotelfachschulen sowie durch die Tourismus-Universität eine Kompetenz erreicht, die sich in der Qualifizierung von jungen Menschen widerspiegelt. Diese jungen Menschen finden im In- und Ausland hoch attraktive und kreative Arbeitsplätze und wir haben es z.B. geschafft, dass der Kochberuf heute in Südtirol, unterstützt durch die touristische Entwicklung, zu den kreativsten und innovativsten Berufe im Land gehört.
Allein für diese Entwicklung werden wir im Ausland wahrlich beneidet. Wenn z.B. im Suvretta House in St. Moritz (eines der renommiertesten Hotels weltweit) die Marketingchefin eine junge, engagierte Südtirolerin ist, wenn der Exekutive Küchenchef im exklusiven Meridiano in Bern mit Fabian Raffeiner ein junger Südtiroler ist, wenn unsere jungen Menschen im Tourismus sei es in Südtirol wie im Ausland hoch begehrt sind, dann muss diese Kompetenz auch vor Ort anerkannt werden und die notwendige Wertschätzung erfahren. Diese Leistungen zu relativieren, ist ein Zeichen von mangelnder Wertschätzung für diesen großen Einsatz.
Selbstverständlich haben wir einige wenige Wochen im Jahre ein sehr großes Verkehrsaufkommen und wir finden als Südtiroler überfüllte Busse und auch mal überfüllte Schutzhütten vor. Aber wir sollten nicht vergessen, dass diese Zeit oft wieder schnell vorbei ist. Und wir dürfen auch nicht vergessen, dass das mit dem Südtirol-Gast kein Selbstläufer ist. Dafür müssen wir uns in der Gastronomie, in der Hotellerie und im Tourismus jeden Tag ungemein bemühen. Die Gäste bieten allen Südtirolern auch viele Chancen.
Ohne Tourismus würden in den kleinen Dörfern in den Tälern, viele Kleinbetriebe (von der Bäckerei, vom Metzger, dem Frisör, dem Modegeschäft, der Druckerei, dem Graphikbüro, Gasthöfen, Pizzerias, u.v.m.) nicht überleben. Diese Geschäfte bringen auch den Einheimischen in den Dörfern viel Lebensqualität. Sei es in Form von Arbeitsplätzen vor Ort, wie auch von Angeboten bis hin zur Lebensqualität im Dorf durch vorhandene Dienstleistungsangebote.
Eine Katastrophe wäre die geforderte Obergrenze für unsere jungen und top-qualifizierten Südtiroler wie z.B. KöchInnen, Gastwirte, Jungunternehmer, Graphiker, Werbefachleute und viele andere mehr. Diese haben über Jahre hart für eine Top-Qualifizierung gearbeitet, haben sich engagiert, haben sich qualifiziert und haben sich zu Spezialisten weiterentwickelt. Ja, wir sollten glücklich sein, dass wir diese junge Generation besitzen, die heute so erfolgreich den Tourismus bespielen kann. Und wir sollten unsere Gäste, die so gerne nach Südtirol kommen, nicht als unsere Feinde sehen. Sondern wir müssen uns bewusst sein, dass diese jederzeit ihren Urlaub auch irgendwo auf der Welt verbringen könnten. Und wenn dann diese, unsere Gäste vor Ort die Südtiroler Produkte essen, genießen, am Teller erleben und diese als Geschenke für ihre Lieben zu Hause mitnehmen, dann erzielen auch die Bauern und Produzenten für Ihre Produkte einen schönen Preis.
Ja und diese Südtiroler Produkte sind auch wichtige und authentische Werbeträger und vertiefen die Identifizierung mit unserem Land, ja mit Südtirol.
Ich ersuche die Südtiroler, diese Kompetenz, diese Qualifizierung und diese hier gebotenen Chancen für unsere jungen Menschen, aber auch für die Familien der Mitarbeiter vor Ort anzuerkennen. Denn der Tourismus schafft bis hinein in die Täler Wertschöpfung, ermöglicht, dass junge Menschen vor Ort Arbeit finden, dass diese vor Ort Betriebe führen können, ja dass diese in den Tälern verbleiben. Denn wenn alle Südtiroler nach Bozen, Meran, Brixen, Sterzing und Bruneck zur Arbeit pendeln würden, dann wäre das auch keine Lösung. Und wenn diese jungen Menschen vor Ort in den Tälern und Dörfern in Langtaufers, Trafoi, St. Leonhard, Gossensass, Ridnaun, Altrei, Prags und Gsies oder auch den Berggasthöfen bleiben, dann finden auch die Südtiroler selbst in diesen Dörfern und Tälern, jene Dienstleistungen sowie eine gepflegte Landschaft vor, die wir oft als selbstverständlich betrachten.
Denn vor nicht allzulanger Zeit (in den 80-er Jahren), hatten auch wir in Südtirol die Situation, dass sehr gut ausgebildete junge Menschen vor Ort keine Arbeit fanden. Ich selbst bin damit in den 80-er Jahren, nach meiner Rückkehr aus dem Ausland ,konfrontiert worden. Trotz Stellenanzeigen, war im Juli und zu Beginn im August niemand daran interessiert, einen jungen, qualifizierten Koch aus der internationalen Hotellerie zu beschäftigen.
Und wenn wir nicht weiterhin sehr fleißig sind, werden wir sehr schnell damit konfrontiert, dass unsere „Gäste“, unsere Feriengäste – die hier die wertvollsten Tage des Jahres verbringen – beinhart weiterziehen werden. Deshalb wäre eine gesetzliche Obergrenze ein Rückschritt, in Bezug auf eine weitere Qualitätsentwicklung zum Wohle unserer jungen Menschen, ja zum Wohle Südtirols. Denn es darf kein Fluch sein, wenn Feriengäste ihren Urlaub bei uns verbringen und sich hier sehr wohl fühlen. Vielmehr müssen wir uns glücklich schätzen, dass Arbeitslosigkeit bei uns zu einem Fremdwort geworden ist. Mit einer Tourismus-Obergrenze würden wir sehr schnell, viele Hochqualifizierte im Tourismus an das Ausland verlieren.
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Kommentare (12)
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george
Hier haben einige wwohl vergessen oder nicht verstanden, dass unsere Erde eine Überspitzung von Belastungen nicht zulässt. Entweder wir schaffen selber Obergrenzen oder die Natur wird sie uns setzen. Beim zweiten können dann nicht mehr wir bestimmen und es trifft uns dann meistens hart, oft sehr hart. Wozu haben wir unsere Intelligenz um das zu verstehen, anstatt alles hoch zu schaukeln und jede Warnung durch schöne propagandistische Gegenreden in den Wind zu blasen. Gerade solch aufgebauschte Hochkulturen sind bereits schon in der Vergangenheit sehr schnell untergegangen, weil sie glaubten in ihrer Überheblichkeit alles schaffen zu können.
schwarzesschaf
jaja immer meckern, beim Tourismus beim Obstbau bei den Industiezonen, aber so ist es halt wenn es den Leuten zu gut im lande den hätte man das Problem wie von Steger geschildert in den 80gern dann wäre jeder froh wenn er ne arbeit bekommen würde und sein wir mal ehrlich im Januar Febuar fluchen die Leute dann rum weil alles zu hat da heisst es jajaj fir die Deitschn hoben sie offen ober fir ihns nix. Aber wenn man offen hätte dann besuchen die Leute da lokal ja auch nicht weil es ja lei a touri bude isch. Unser land ist schon komisch geworden.
morgenstern
Vielleicht verkaufen wir uns nur unter Wert ?
robby
Und jetzt stellt euch erst einmal die Massen an Touristen vor die nach Südtirol gekommen wären wenn wir durch die Schließung des Flughafens nicht von den Landkarten verschwunden wären wie unser geliebter LH vorausgesehen hatte.