Das Ende der Volksparteien?
Nach dem Debakel von CDU und SPD bei den Bundestagswahlen: Der SVP-Politiker Thomas Widmann warnt davor, bereits das Ende der Volksparteien zu prophezeien – und empfiehlt seiner Partei, auf die Strategie von Sebastian Kurz zu setzen.
Tageszeitung: Herr Präsident, die großen Parteien CDU, CSU und SPD mussten bei der Bundestagswahl herbe Stimmverluste hinnehmen. Sind die Volksparteien am Ende?
Thomas Widmann: Nein, das glaube ich nicht. Ich stelle aber fest, dass sich die staatstragenden Parteien europaweit in einer Krise, teils auch in einer Strukturkrise befinden. Das betrifft die linksorientierten Großparteien genauso wie die bürgerlichen. Das ist der eine Schluss, den ich aus dem deutschen Ergebnis ziehe. Der andere ist: Die Wahlen sind so ausgegangen, weil die AFD zugelegt hat. Sie hat Protestwähler aus allen Bevölkerungsschichten angezogen, Anwälte, Unternehmer, Radikale. Sie hat die Probleme angesprochen, die von der Bevölkerung gespürt werden: Vor allem in der Frage Flüchtlingsströme waren viele Wähler mit der Politik von Angela Merkel nicht einverstanden.
Was müssen die Volksparteien anders machen?
Ich kann nicht für die anderen Parteien sprechen. Tatsache ist aber, dass die Volksparteien in Deutschland heute weniger Profil haben als noch vor zehn. Man hat sich irgendwie an den Wohlstand gewöhnt, die Parteiprogramme unterscheiden sich kaum noch. Sebastian Kurz zeigt zurzeit in Österreich, dass es aber auch ganz anders gehen kann. Er setzt auf die Zukunftsthemen, liefert klare Antworten auf die drängenden Fragen, auch in der Zuwandererproblematik – und dafür erhält er großen Zuspruch.
Kann man mit rechter Hetze Wahlen gewinnen?
Der Trend ist der, dass trotz des Wohlstandes die Unsicherheit und das Ungleichgewicht in der Bevölkerung wachsen. Europa ist in der Krise, auch US-Präsident Trump ist kein Stabilitätsfaktor. Bei den vielen großen Zukunftsfragen haben die Volksparteien keine klaren Antworten geliefert.
Welche Schlüsse muss die SVP aus dem Wahlausgang ziehen, um 2018 nicht dasselbe Schicksal zu erleiden?
Sie muss zuerst einmal gut regieren, was sie momentan auch macht. Dann muss sie sich in den wichtigen Fragen – Jugend, Arbeitsmarkt, Ausländer – klar positionieren und Antworten liefern. Zu den meisten Fragen haben wir schon klare Antworten parat, die auch unserem Weltbild entsprechen. Wir sind eine Sammelpartei und müssen innerparteilich immer einen Konsens zwischen den verschiedenen Richtungen finden.
Muss die SVP in der Ausländerfrage nach rechts gehen? Oder hat das schlechte Abschneiden der CSU gezeigt, dass dies der falsche Ansatz ist?
Das Ergebnis der CSU ist nicht nur auf einen Faktor zurückzuführen. Es wäre falsch zu sagen: Weil die CSU sich in der Ausländerfrage nach rechts orientiert hat, ist die Wahl in die Hose gegangen. Ich glaube, dass der Hauptgrund die fehlende Klarheit gewesen ist. Zuerst hat die CSU in der Flüchtlingsfrage mit dem Zaunpfahl gewinkt, danach hat sie wieder auf Harmonie mit der Bundeskanzlerin gesetzt. Erst hart, dann weich. Zudem hatte die CSU mit dem Mainstream in der Bevölkerung zu kämpfen. Vor ein paar Jahren war die Hauptforderung noch die nach mehr Mitsprache, heute geht der Trend in eine andere Richtung. Die Flüchtlingsproblematik scheint zwar dort, wo es keinen Durchzug mehr gibt, im Griff zu sein. Dort aber, wo die Flüchtlinge untergebracht wurden, gibt es reale Probleme, für die die Politik noch keine Lösungsansätze geliefert hat. Die Politik ist dazu da, Antworten zu liefern. Diese sind nicht immer richtig, aber derjenige, der die besten Antworten liefert und ein klares Profil aufweist, wird dafür vom Wähler belohnt.
Interview: Matthias Kofler
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