„Ein Geschenk des Himmels“
Wie der Buchautor und Doku-Filmer Alexander Schiebel einen „Skandal“ um einen Brief des Landeshauptmannes konstruiert hat, der keiner ist – nur um sein Buch zu verkaufen?
von Artur Oberhofer
Die „Skandal“-Meldung mit der Bitte, sie zu teilen, postete Alexander Schiebel am Sonntagnachmittag auf Facebook. Der Landeshauptmann von Südtirol habe, so schreibt Schiebel in seinem Posting „tatsächlich einen hochoffiziellen Brief an Peter Boudgoust, den Präsidenten von ARTE geschrieben, mit dem er versuchte, unsere Dokumentation aus dem Programm zu kippen und meinem Ruf zu schaden“.
Arno Kompatscher habe – so giftete der Doku-Filmer und Buchautor – die Sache „von Präsident zu Präsident regeln“ wollen. „In Südtirol funktioniert das ja ganz gut, vielleicht hat er gedacht, Europas Medien stehen still, wenn es mein starker Arm so will.“
Alexander Schiebel hat auf Facebook nur den Briefkopf veröffentlich – vermutlich aus gutem Grund.
Der TAGESZEITUNG liegt der Brief vor.
In dem Schreiben von Arno Kompatscher vom 15. September dieses Jahres an ARTE-Präsident Peter Boudgoust versucht der Landeshauptmann weder, die Dokumentation „aus dem Programm zu kippen“, wie Schiebel nun behauptet. Kompatscher hat einen sehr sachlichen Brief geschrieben – der auch keine Beleidigungen enthält.
Das ist der Kompatscher-Brief:
„Sehr geehrter Herr Präsident, am 21. September um 19.40 Uhr wird ARTE die Reportage (…) ,Leben ohne Ackergift – Das unbeugsame Dorf im Vinschgau‘ ausstrahlen. Das Format ARTE Re: wird auf der Homepage von ARTE als ,Nah dran, authentisch, echt‘ charakterisiert. Gerade um diesem Anspruch gerecht zu werden, ist es wahrscheinlich auch wichtig, mit Inszenierungen vorsichtig zu sein.
In meiner politischen Funktion als Landeshauptmann und Regierungschef von Südtirol habe ich die Entwicklungen in und um Mals hautnah miterlebt, und ich kann mich nicht des Eindrucks erwehren, dass für die Umsetzung der ,Strategie des Umwegs über Deutschland‘ auf effektvolle Inszenierungen gesetzt wird, die selbst vielen Aktivistinnen und Aktivisten vor Ort zu weit gehen. Mir gehen die Inszenierungen auf jeden Fall zu weit, da sie dem Land Südtirol einen Imageschaden zufügen und viele Menschen brüskeren.
Am 4. September 2017 ist das Buch von Alexander Schiebel ,Das Wunder von Mals‘ (…) erschienen und wird auch als Anleitung zum Widerstand angepriesen. Es gewährt einen Blick auf die Entstehungsprozesse hinter den Bildern, die Südtirol als ,Pestizidtirol‘ zeigen sollen.
Der folgende Auszug (aus dem Schiebel-Buch, Anm. d. R.) beschreibt die Herangehensweise recht deutlich:
,Die Kopfredaktion von ARTE hat uns zusammen mit einem anderen Projekt des WDR in die engere Auswahl genommen. Nur sei ihnen nicht ganz klar, welche Aktionen wir im Frühjahr und Sommer in Mals beobachten könnten. Mist! Das weiß ich ja selbst nicht! Sofort mache ich mich an die Arbeit, spreche mit allen Aktivisten, befrage sie nach ihren Ideen und erstelle eine Liste.
Ich will dass dieser Film im September 2017 auf ARTE läuft und danach vielleicht in einigen ersten Programmen: im WDR, NDR, SWR usw. Denn eine so gewaltige Reichweite wäre ein Geschenk des Himmels für meine Strategie des ,Umwegs über Deutschland‘. Nach Rücksprache mit meinen Malser Freunden (…) habe ich nun eine Liste von Aktionen erstellt, die 2017 stattfinden könnten.’
Ihre Redaktion wird sicherlich abgewogen haben, ob eine solche Inszenierung im Sinne einer authentischen und echten Reportage ist, aber mir scheint dies nicht der richtige Weg zu sein, um nah dran zu sein an den Fakten.
In Südtirol wird auf gerade einmal 2,5 Prozent der Gesamtfläche Obstbau betrieben. Dennoch stellt die Südtiroler Obstwirtschaft für viele Südtiroler Familien eine traditionell gewachsene und wichtige Lebensgrundlage dar. In Südtirol bauen rund 7.500 Familienbetriebe Äpfel an, bei einer durchschnittlichen Betriebsgröße von 2,5 Hektar. Eine Diskussion zum Thema Pflanzenschutz und Umwelt findet in Südtirol schon lange statt. Südtirol nimmt seit vielen Jahren in Bezug auf nachhaltigen Pflanzenschutz eine Vorreiterrolle ein. Als Beispiel kann das AGRIOS-Programm genannt werden, das von Pionieren bereits vor über 25 Jahren – freiwillig – ins Leben gerufen wurde und die Weichen für den integrierten Anbau gestellt hat.
Auch in der biologischen Produktion entwickelt sich Südtirol sehr gut. Allein im letzten Jahr hat es einen Zuwachs der biologisch bewirtschafteten Kernobstfläche von rund 18 Prozent gegeben.
Südtirol produziert aktuell jeden zehnten Apfel in Europa und fast jeden zweiten Bio-Apfel. Allein diese Tatsache kann man durchaus als Hinweis darauf werten, dass Südtirol seine Hausaufgaben besser gemacht hat, als andere Produktionsgebiete.
Ich hoffe, Ihnen mit diesem Schreiben hilfreiche Informationen gegeben zu haben und baue darauf, dass Sie meine Einschätzung teilen, nach der eine sachliche und umfassende Debatte zum Thema einer nachhaltigen Lebensmittelproduktion und Pflanzenschutz schwere wiegen sollte, als die Dokumentation des Tatendrangs einzelner Aktionisten.“
So weit der Brief des Landeshauptmannes an den ARTE-Präsidenten, der weder eine Bitte, die Doku nicht auszustrahlen, noch Beleidigungen enthält.
Von einem „Skandal“ kann folglich keine Rede sein.
Da war bei Alexander Schiebel, dem rührigen PR-Strategen in eigener Sache, wohl der Wunsch der Vater des Gedankens – der Wunsch, mit einem „Skandal“ mehr Bücher verkaufen zu können.
Und jetzt wird auch klar, dass der Aufsehen erregende „Pestizidtirol“-Protest in München und die Rad-Demo mit den Schutzanzügen im Unterland nichts anderes waren als PR-Gags für die ARTE-Doku, also für Alexander Schiebers Film und Buch.
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Kommentare (10)
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brutus
…dass dieser Herr auf dem Rücken der anderen nur seinen Profit sucht dürfte ja wohl klar sein. Den Glyphosatanschlag auf dem Talferwiesen auf seinem Facebookprofil gutheißen und den letzten Anschlag auf die Bioanlage in Kortsch verurteilen, sagt wohl aus weichem Holz dieser Unweltextremist geschnitzt ist.
meintag
„Rad-Demo im Unterland“. Seit wann befindet sich die Umgebung von Mals im Vinschgau im Unterland?
vintschger
Tja. LH Kompatscher und LR Schuler hätten 2014 alles in der Hand gehabt um diesen Schwachsinn zu stoppen. Sie haben es nicht getan und/oder sich nicht getraut. Wie sagt doch der Vinschger: Der erste Verübel ist der beste.
george
Es ist beschämend welch niedriges, unausgorenes und intollerantes Diskussionsklima in diesem Forum bei Vielen hier vorherrscht. Zum Glück benehmen sich ein Großteil meiner Landleute nicht so, sonst müsste man glatt Angst haben von solchen zweibeinigen „Wölfen“ bei jeder kleinen Gegenäußerung nieder und fertig gemacht zu werden.