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Obergrenze für Tourismus?

Eine Rekordsaison nach der anderen im Südtiroler Tourismus: Der Grüne Landtagsabgeordnete Hans Heiss sieht die Grenze des Verträglichen so langsam erreicht. Was er vorschlägt – und wie er die Argumente der IDM entkräftet.

Tageszeitung: Herr Heiss, die Nächtigungszahlen in Südtirol gehen unaufhaltsam nach oben. Im laufenden Tourismusjahr dürfte die Marke von 32 Millionen Nächtigungen geknackt werden. Vor zehn Jahren waren es 27 Millionen, vor 20 Jahren 23 Millionen. Sehen Sie eine Obergrenze erreicht?

Hans Heiss: Wir werden heuer vermutlich sogar 33 Millionen knacken, weil der August noch in Betracht gezogen werden muss. Eine Obergrenze rückt unaufhaltsam in Reichweite. Die Verantwortlichen des Tourismus sehen selbst mit einiger Sorge, dass ihnen so langsam die Situation entgleitet. Sie freuen sich zwar über die Entwicklung, aber sie wissen, dass die Stimmung der Bürger so langsam kippt. Es besteht wirklich die Gefahr, dass Südtirol bald nicht mehr überwiegend den Südtirolern gehört, sondern dem Tourismus.

Obergrenze ist ein recht drastisches Wort. Wie kann eine solche eingehalten werden?

Eine Obergrenze ist natürlich ein Richtwert. Man muss einfach sagen, dass wir im Alpenraum die höchste Bettendichte pro Quadratkilometer haben: 21 Betten gegenüber 16 in Tirol. Das heißt, man muss vor allem achten, wie man den Investitionsschub im Tourismus, der momentan auf Hochtouren läuft, ein wenig dämpft. Es gibt sehr viele neue Hotels und Betten, weshalb an eine Obergrenze zu denken ist.

In erster Linie würden Sie also bei der Bettenanzahl ansetzen?

Ja, ich täte endlich einmal überlegen, inwieweit die Situation noch verträglich ist. Rein formell gibt es im Raumordnungsgesetz eine Bettenobergrenze von 229.000, die aber mit dem neuen Gesetz gekippt werden soll – zugunsten einer weitgehend freien Investitionsmöglichkeit. Wollen wir noch neue Hotels, die entsprechend mehr Gästezahlen und Verkehrsaufkommen generieren? Sehr besorgniserregend finde ich, dass der Nächtigungszuwachs von Mai bis Juli bei 4,8 Prozent liegt, die Ankünfte aber um 6,5 Prozent zugenommen haben. Es braucht also deutlich mehr Gäste, die ein- und ausfahren, um die Nächtigungen zu erreichen. Das führt zu Problemen, die nicht mehr zu leugnen sind: überlastete Straßen, fehlende Mitarbeiter, Anstieg der Bodenpreise und des allgemeinen Preisniveaus. Die Einheimischen werden zunehmend belastet.

Sie glauben nicht, dass die Touristenzahlen wieder konstanter werden oder sogar zurückgehen, wenn sich die politischen Konflikte in anderen Tourismusregionen beruhigen?

Eine Beruhigung ist vor der Hand nicht recht zu sehen. Früher war es schon so, dass ein Jahr nach einem Terroranschlag in Ägypten wieder Normalität einkehrte, aber jetzt wird der gesamte nordafrikanische und kleinasiatische Raum zunehmend zu einer No-go-Area. Man braucht nur in Deutschland schauen, wie viele Leute die Türkei meiden. Auch wenn wieder Ruhe einkehrt – was nicht anzunehmen ist –, so ist doch die Attraktivität Südtirols inzwischen so gefestigt, dass keine großen Verschiebungen zu erwarten sind. Es könnte schon ein leichter Dämpfer kommen, aber wenn man nicht Steuerungsmaßnahmen vornimmt, ist weiteres Wachstum in ähnlicher Größenordnung vorprogrammiert.

Die IDM liefert einige Argumente, um zu sagen, dass ein Mehr an Touristen nicht unbedingt zu einer höheren Belastung führen muss. Einmal heißt es, dass es nur wenige wirklich „ausgebuchte“ Tage im Jahr gibt. Man könne die Nebensaisonen stärken…

Die Belastung ist nun schon seit Anfang Juni erheblich. Die Auslastung der Nebensaisonen ist sicher eine wichtige Option und dient dazu, die Zuwächse ein bisschen zu puffern. Aber die signifikantesten Zuwächse gibt es nach wie vor in der Hauptsaison. Fakt ist, dass der Ganzjahrestourismus nur begrenzt Entlastung bringt in Bezug auf Landschaftsverbrauch, Preisauftrieb und Verkehrsaufkommen.

Das hieße dann auch, dass die Devise „mehr Qualität statt Quantität“, indem man über hochwertige Produkte höhere Preise verlangt, auch keine Lösung sein kann?

Südtirol kann mit den Preisen ganz sicher nach oben gehen – das ist auch wünschenswert. Aber dadurch wird das Preislevel in Südtirol insgesamt steigen. Das ist ein Risiko. Man muss einfach die Bedeutung des Tourismus relativieren: Er generiert 15 Prozent der lokalen Wertschöpfung, aber die Belastungen sind weit umfassender. Wenn man die Industrie stärker forciert, hätten wir mehr Wertschöpfung, mehr qualifizierte Arbeitskräfte und weniger Umweltbelastung. Es braucht ein klares Profil für Südtirol: Der Tourismus hat eine wichtige Rolle, er soll aber nicht ständig wachsen. Wir wollen kein zweites Nordtirol. Wenn der Versuch käme, das Ötztal, Zillertal oder Ischgl-Galtür nachzuahmen – wo wir eh zum Teil schon dabei sind –, kann uns das wirklich in große Probleme bringen.

Ein letzter Aspekt: Zur Verkehrsproblematik auf der Autobahn heißt es von IDM-Präsident Hansi Pichler, dass Südtirol auch ein Durchzugsland ist. Man müsse flexibler werden, damit der Reiseverkehr nicht nur auf den Wochenenden lastet…

Damit baut man ein bisschen Stau ab, aber das Gesamtverkehrsaufkommen ist dennoch das gleiche. Es rauschen trotzdem dutzende Millionen Pkw durch die Gegend – mit entsprechenden Emissionswerten. Der Dreck in der Luft bleibt also. Und laut einer neuen Studie sterben in Italien ja jährlich 1.250 Menschen an Diesel-Emissionen, sicher ein Prozent davon in Südtirol.

Inwieweit kann ein Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel Abhilfe verschaffen?

Das wäre sicher eine denkbare und wünschenswerte Strategie. Wir brauchen vor allem Fernzüge, die diesen Namen verdienen. Die Verbindungen in den Süden und Norden müssen mindestens verdoppelt werden.

Einen Flughafen mit touristischen Charterflügen wollen Sie aber nicht?

Nein, der Flugbetrieb ist ohnehin schon im Aufwind. Da müssen wir nicht für zusätzlichen Flugverkehr sorgen. Denn dieser gehört zu den Haupt-Emissionsquellen. Und vom touristischen Aufkommen her sind die Ausfälle von Bozen-Rom oder anderen Linien ohnehin nicht negativ ins Gewicht gefallen – im Gegenteil.

Interview: Heinrich Schwarz

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Das große Interview zur Zukunft des Tourismus mit Landeshauptmann Arno Kompatscher.

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (19)

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  • criticus

    Man muss auch sagen, dass das Südtiroler Hotelgewerbe super arbeitet und dem Gast viel bietet. Eben ein guter Wirtschaftsmotor. Auf der anderen Seite wundert es mich immer wieder, dass gewisse Herren dauernd die Erreichbarkeit Südtirols bemängeln. Leider sind diese Herren auf beiden Augen blind. Solche Leute sollten sich in diesem Falle die Socken ausziehen und mit den Hühneraugen auf die Vinschger. Meran-Sinich und Pusterer Staatsstraße runterschauen. Tatsache sind vollgestopfte Straßen! An Staatsstraßen sollten Kreisverkehr die Ampeln und Unterführungen Zebrastreifen ablösen (siehe MEMC Sinich).

  • schwarzesschaf

    man mag nur mal den Illegalen Vermiterern ein riegel vorschieben dann wird es auch wieder ruhiger und denn die andern Zahlen mind. steuern

  • george

    ‚franz‘ hat anscheinend überhaupt nichts verstanden, was hier bei dieser Tourismusdiskussion im Vordergrund steht, sonst würde er nicht dauernd einen solchen Stumpfsinn antworten, sich von den Linken und Grünen verfolgt fühlen und alles mögliche herbeireden, was mit diesem Thema überhaupt nichts zu tun hat. Er scheint einen Verfolgungswahn zu haben.

  • andreas

    Heiss kann ja mit der Beschränkung beginnen und sein Hotel schließen, da sind schon mal ein paar Betten weniger.
    Dass der Tourismus auch Handwerker und Kaufleute ernährt, unterschlägt Heiss.

    Nebenbei verstehe ich seine Aussage „Wir wollen kein zweites Nordtirol.“ nicht, wer ist wir, er und Foppa?

    • george

      @andreas
      Sie sind nur ein einseitiger Schlechtmacher und Hassprediger und bringen dadurch erst recht keine Diskussion in die Runde. Wenn Sie bei anderen meinen, dass Sie keine Diskussion anzu kurbeln imstande sind, dann fällt das einzig auf ihre (andreas) eigene egoistische Sichtweisen zurück.

  • george

    @franz
    Unbelehrbarer: Deine Fehlzuleitungen bedingen, dass man dich als total verwirrten und total einseitig eingefleischten Geist hinstellt, der vieles völlig aus dem Zusammenhang reißt, was sonst einen wesentlich anderen Sinn ergeben würde. Nahezu krankhaft leierst du immer dieselben Floskeln runter und suchst mir ein politisch grünes oder linkes Mileu zuzuordnen. Ich bin nicht einfach so zuordenbar. Versuch dich doch endlich von dieser Krankheit zu befreien.

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