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„Wurzer, nicht Würzer“

Alessandro Urzì in der Endlosschleife: Warum der italienische Rechtspolitiker den Regionalrat lahmgelegt hat.

von Matthias Kofler

Wer im Regionalrat Obstruktion betreiben will, der braucht Geduld, Ausdauer – und viel Spucke im Mund. Alle diese Voraussetzungen erfüllte Alessandro Urzì in der gestrigen Sitzung des Hohen Hauses. Aus Protest gegen einen Gesetzentwurf der Regionalregierung legte der italienische Rechtspolitiker stundenlang den Regionalrat lahm: Er legte insgesamt 25 Abänderungsanträge vor und redete zu jedem einzelnen Antrag fünf bis zehn Minuten lang. Auch wenn er dabei nicht die Unterstützung seiner Kollegen fand, stand der Abgeordnete seinen Kampf tapfer durch.

Der Entwurf sieht die Errichtung der neuen Gemeinde Sèn Jan di Fassa-Sèn Jan durch den Zusammenschluss der Gemeinden Pozza di Fassa-Poza und Vigo di Fassa-Vich vor, so wie es die Volksabstimmung vom November 2016 ergeben hat. Urzì beharrte auf der Beibehaltung des italienischen Ortsnamens „San Giovanni“, der bereits in Gebrauch sei, auch auf Ortstafeln. Der von der Verfassung garantierte Minderheitenschutz reiche nicht so weit, dass die Namen in der Minderheitensprache die italienischen Namen ersetzten, das Statut sehe die Zweisprachigkeit in der Toponomastik vor und halte fest, dass Italienisch die offizielle Sprache im Staat sei. Eine einsprachige Namensgebung für eine Trentiner Gemeinde wäre auch ein Präzedenzfall für Südtirol. Urzì beantragte die Vertagung des Gesetzentwurfs oder dessen Ablehnung. Die Prozedur für den Zusammenschluss müsse wiederholt werden, ansonsten könnte es Rekurse wegen Verfassungswidrigkeit geben.

Assessor Sepp Noggler verwies in seiner Erläuterung zum Gesetzentwurf auf das Ergebnis des Referendums. Dieses betreffe nicht nur den Zusammenschluss, sondern auch die Festlegung des Hauptortes und des Namens. Das müsse der Regionalrat respektieren, er könne nicht von sich aus einen anderen Namen festlegen.

Urzì verwies in seiner Stellungnahme zur Generaldebatte nochmals auf die Bestimmungen des Statuts, das die Zweisprachigkeit in der Toponomastik für Südtirol (nicht für die ganze Region) festschreibe, sowie auf das staatliche Minderheitengesetz von 1999, das für die Sonderautonomien, in denen die Materie nicht geregelt sei, ebenfalls die Zweisprachigkeit vorsehe. Überdies sei es üblich, die Namen von Heiligen in die jeweilige Sprache zu übersetzen. Er fragte, was an der Verwendung beider Namen so störend sei, und warnte, dass man mit diesem Gesetz auch ein einsprachiges St. Pankraz (Ultental) ermöglichen würde.

Einige Male hatte Urzì mit seinen Wortmeldungen die Lacher auf seiner Seite: etwa als er die Abgeordneten an die legendäre Sitzung vom Februar 2016 erinnerte, in der die Opposition gegen die Wahlrechtsreform auf die Barrikaden gestiegen war und Nerio Giovanazzi dem Präsidenten Thomas Widmann die Glocke gestohlen hatte. Oder indem er Sven Knoll lobte, weil dieser als einziger den Namen des isländischen Vulkans Eyjafjallajökull kannte, dessen Ausbruch im Jahr 2010 den europäischen Flugverkehr lahmgelegt hatte. Kritik übte der Abgeordnete am Vizepräsidenten des Regionalrats, Lorenzo Osanna, weil dieser bei der Verlesung der Abänderungsanträge den Namen Sèn Jan ständig falsch aussprach. „Wurzer heißt auch Wurzer und nicht Würzer, genauso wie Schuler Schuler heißt und nicht Schüler“, meinte Urzì.

Am Ende gab die Mehrheit nach: Die Sitzung wird im Oktober fortgesetzt.

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