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„Du bist ja total verrückt“

Zum 20. Geburtstag des Erfolgsprojektes Pensplan: Der Erfinder Oskar Peterlini über den anfangs starken Gegenwind, den Durchbruch – und über seine aktuellen Kritikpunkte.

Tageszeitung: Herr Peterlini, Sie waren Ideator und Leiter des Projektes Pensplan. Wann und wie kam es zu dieser Idee eines Zusatzrenteninstitutes?

Oskar Peterlini: Die ersten Ansätze gab es schon Ende der 80er-Jahre. Als SVP-Fraktionschef im Regionalrat gelang es mir, die Gründung eines Renteninstitutes in das Programm der Regionalregierung aufzunehmen und den Grundsatz festzuhalten, dass die zurückgehenden Geburten und die steigende Lebenserwartung dringend den Einsatz der öffentlichen Hand erfordern. 1995 wurde schließlich eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die ich leiten durfte und die in der Gründung von Pensplan Centrum, Laborfonds und anderen Fonds mündete.

Wie waren die ersten Reaktionen auf Ihren Vorstoß?

Am Anfang schaute man mich im Regionalrat verwundert an. Ich legte dann Zahlen vor, wonach Italien zu den geburtenärmsten Ländern der Welt gehört und gleichzeitig zu den Ländern mit der höchsten Lebenserwartung. Das leuchtete ein, aber bis zur konkreten Umsetzung dauert es in der Politik immer länger. Mit Gianfranco Cerea als Berater gelang 1996 der Durchbruch. Das große Problem war, dass man unglaublich viele unterschiedliche Partner mit unterschiedlichen Interessen an einen Tisch und zu einer Unterschrift bringen musste.

Inwiefern?

Das Gründungsdokument zählte insgesamt 135 Unterschriften. Die Arbeitgeberseite, die in diese Zusatzrentenfonds ja einen Beitrag zum Arbeitnehmeranteil mit einbringen muss, überzeugte das Argument, dass wir in Italien Schule machen, aber auch aufpassen müssen, dass das Geld nicht aus der Region abfließt und somit der lokalen Wirtschaft entzogen wird. Auch bei den Banken gab es große Widerstände, weil sie befürchteten, dass das Geld an ihren Türen vorbeifließt. Es gelang dann, alle Partner mit einzubauen. Daneben gab es die Ebene in Rom: Dort sahen uns die Gewerkschaften und Verbände mit ihren eigenen Rentenfonds als Gegner und übten sehr starken Druck auf die Regierung aus. Allerdings setzte sich der damalige Minister Tiziano Treu für unser Projekt ein, nahm das Risiko auf sich und ermöglichte so den Start von Pensplan.

500 Milliarden Lire, also heute 250 Millionen Euro, mussten gefunden werden…

Das war ein unglaublicher Krach. In der SVP-Fraktion sagte man: „Du bist ja total verrückt geworden. Das hat keinen Sinn.“ Ich trat danach sogar einige Wochen aus der Fraktion aus. Nach langen Verhandlungen und Überzeugungsarbeit konnten wir dann das Konzept durchsetzen, dass sich das Projekt Pensplan selbst trägt. Ansonsten würde die Gesellschaft von laufenden Beiträgen abhängen, die in Zukunft ja fraglich sein könnten – gerade wenn man sie dringend braucht, denn der Generationenkonflikt spitzt sich weiter zu. Damit war der Durchbruch gelungen. Jetzt gibt es ein Sparsystem, bei dem jeder privat die Möglichkeit hat, in begünstigter Form monatlich einen kleinen Obolus auf die Seite zu legen, um damit einen Fonds zu speisen, aus dem im Alter eine Zusatzrente finanziert wird. Der Obolus wird damit bereichert, dass der Arbeitgeber etwas dazulegen muss und der Staat diese Beiträge steuerfrei hält.

Wie betrachten Sie heute nach 20 Jahren den Stand der regionalen Zusatzrentenfonds?

Ich bin sehr glücklich, dass die Nachfolger das Projekt hochprofessionell weitergeführt haben und es von der Politik immer begleitet worden ist. Nach meinem zwischenzeitlichen Ausstieg aus der Politik 1998 hatte ich sehr große Sorgen, weil ich zuvor in jedem Dorf unterwegs war, um die Leute zu überzeugen. Dabei habe ich meinen Kopf hingehalten. Heute steht Pensplan als Musterprojekt da, auf das wir alle stolz sein können.

Hinzugekommen ist vor wenigen Jahren das Bausparen, jetzt will Pensplan zunehmend auch in anderen Welfare-Bereichen eine Rolle spielen, insbesondere in der Gesundheitsvorsorge. Der richtige Weg?

Für die Gesundheitsvorsorge sind die Bemühungen sehr wichtig. So einen zusätzlichen Mosaikstein bräuchte es schon längst. Aber es sind die gleichen Schwierigkeiten aufgetaucht wie damals. Und zwar, dass sich die gesamtstaatlichen Fonds sorgen, dass man ihnen das Wasser abkehrt. Die noch größere Herausforderung ist die Pflege. Weil die Anzahl der pflegebedürftigen Leute stark ansteigt, kippt irgendwann das System. Die zukünftigen Haushalte werden das nur bewältigen, wenn auch hier Arbeitnehmer und Arbeitgeber – nach dem gleichen Modell – einen Beitrag auf die Seite legen. Bisher haben die Sozialpartner und die Politik versagt. Pensplan könnte auch hier Schule machen.

Was würden Sie heute am Gesamtprojekt ändern?

Ich bedaure ein bisschen, dass man die Potenzialität der Tochtergesellschaft Pensplan Invest nicht verstanden hat. Sie ist ein wichtiger Partner, um nicht den Spekulanten auf Weltebene ausgesetzt zu sein.

Wie meinen Sie das?

Es handelt sich um eine Sparverwaltungsgesellschaft, die ermächtigt ist, Fonds selbst zu verwalten und Gelder einzusetzen. Sie kann vor allem aber ein professionelles „Risk management“ entwickeln, um Geldverwalter – die großen Weltbanken, die angeklopft haben und immer noch klopfen – gezielt auszuwählen und zu kontrollieren. Dieses operative Herz ist ein bisschen in Diskussion geraten, aber ich glaube, Landeshauptmann Kompatscher hat inzwischen erkannt, dass man die Gesellschaft nicht an Private verkaufen, sondern an die beiden Provinzen übertragen sollte. Damit könnte der Radius der Aktivitäten sogar verstärkt werden. Und es gibt leider Gottes noch ein Spannungsfeld.

Und zwar?

Die Harmonie zwischen dem Laborfonds und Pensplan Centrum muss verbessert werden. Das Staatsgesetz sah vor, dass es zwei getrennte Träger geben muss. Mein Wunsch wäre es, eine Form zu finden, dass eine einheitliche Führung gestaltet wird. Das sollte durch Abänderungsanträge, die ich in Rom gemacht habe, inzwischen möglich sein. Ansonsten gibt es immer wieder Reibungsflächen und Spannungen, die zu Lasten der Sparer gehen. Denn Laborfonds entscheidet praktisch selbst über seine Verwalter – ohne Rückkoppelung an die ganze Struktur –, was gefährlich ist, wenn man dann den sprachgewandten Vertretern der Weltbanken zu viel Glauben schenkt. Wer würde die Konsequenzen für Fehlentscheidungen tragen?

Interview: Heinrich Schwarz

Foto(s): © 123RF.com und/oder/mit © Archiv Die Neue Südtiroler Tageszeitung GmbH (sofern kein Hinweis vorhanden)

Kommentare (7)

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  • guyfawkes

    Erfolgsprojekt?
    Würde mich schon interessieren wie man das definiert damit man für pensplan zu dieser Wertung kommt.
    Letztenendes handelt es sich um eine Rentenversicherung bei der der Steuerzahler (also auch die „Nicht-Eingeschriebenen“) für sämtliche Verwaltungskosten aufkommt: ist schon praktisch wenn man sich bzgl Verwaltungskosten nicht dem Wettbewerb stellen muss.

    • sougeatsnet

      Solange fast nur eingezahlt wird, schaut es mit den Rentenfonds immer gut aus. Muss dann aber ausbezahlt werden kommt das böse Erwachen. Private Rentenversicherungen haben sich keinesfalls bewährt, denn dort profitieren nur die Versicherungen. Beim Pensplan wirds wohl kaum anders sein, erst recht wenn die Aktien nicht frei gehandelt werden. Schlussendlich gehts dann wie mit den Volksbank- und Sparkasseaktien. Schöne Aussichten!

      • andreas

        Außer dass Pensplan Aktien als Investition kauft, hat es gar nichts mit Aktien zu tun.
        Die Rendite der Investitionslinien sind für die heutige Zeit gar nicht mal so schlecht.

        • sougeatsnet

          Ja das ist es gerade. Das alles hat mit Aktien und Obligationen usw. zu tun, nur dort erzielt man Renditen. Die Politik vertritt teilweise die Idee, das Geld vom Pensplan in die lokale Wirtschaft zu investieren. Dann würde Geld, welches später einmal als Rente ausbezahlt werden soll, ohne Kontrolle (Zinssatz) der Wirtschaft zur Verfügung gestellt. Das Problem ist Missmanagement (mir persönlich hat die Führungsriege nicht gefallen) und das Zurückholen der Gelder wird schwierig werden, sollte beispielsweise Italien bankrott gehen.

  • meinemeinung

    wird immer noch als großer Wurf verkauft ,dabei hätte die Politiker die Unordnung vom Rentensystem ordnen sollen und nicht den Arbeiter die Abfertigung nehmen und bei der Rente schauen wir durch die Finger ,das war eine 2te Steuer die als Pensplan verkauft wurde .Wir bezahlen Rente Beträge ,wo bleibt hier der Plan dass vernünftig ausbezahlt werden kann und dass man damit auch leben kann.

  • george

    Peterlini hat gar nichts erfunden. Das war einzig die Anwendung eines bestehenden kapitalistischen Systems um die Renten nicht grundlegend umkrempeln zu müssen, Eine gerechte Zuteilung der Altersversorgung der arbeitenden Bevölkerung, womit man ordentlich leben könnte, wurde so nicht erreicht (das war wahrscheinlich auch nicht das Ziel). Peterlini hat leicht lachen mit seinen enorm überhöhten Rentenauszahlungen. Hier müsste endlich einmal eine Umverteilung stattfinden. Damit hat Peterlini sicher nichts Großes geleistet.

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