Die Bilanz der Volksanwältin
Volksanwältin Gabriele Morandell stellt ihren Jahresbericht vorstellen. Statistiken und Fallbeispiele. 4.500 Menschen haben sich 2016 an die Volksanwaltschaft gewandt.
4.500 Menschen wandten sich 2016 an das Büro der Volksanwaltschaft. „Dies macht deutlich, wie wichtig die Einrichtung ist und welche große Zahl an Menschen mit dieser Einrichtung Objektivität, Neutralität und Durchsetzungsfähigkeit verbinden“, freut sich Morandell.
Die Anzahl der Beschwerden ist im Jahr 2016 gegenüber dem Jahr 2015 leicht zurückgegangen, wobei jedoch die Anzahl der Beratungen enorm zunahm. Jahr 2016 waren es 924 Beschwerdefälle und 3560 Beratungen durch die Volksanwaltschaft, eine Zunahme von 944 Beratungen in den letzten beiden Jahren.
„Zu erklären ist diese große Steigerung sicherlich durch den ansteigenden Bekanntheitsgrad der Volksanwaltschaft in Südtirol“, so Morandell. Im Jahr 2016 konnten 894 behängende Beschwerdefälle auch abgeschlossen werden.
Der größte Teil der Beschwerden entfiel auf die Gemeinden (39,9 Prozent), gefolgt von der Landesverwaltung (19,26 Prozent), den staatlichen Stellen in Südtirol (12,99 Prozent) und dem Sanitätsbetrieb (12,34 Prozent). Zählt man zur Landesverwaltung auch die von ihr abhängigen Körperschaften wie Sanitätsbetrieb und Wohnbauinstitut, dann entfallen insgesamt 35,71 Prozent der Beschwerden auf die Südtiroler Landesverwaltung.
Über die Hälfte der Beschwerden kommen aus Bozen, dem Pustertal und dem Burggrafenamt.
Schwerpunkt Patientenanliegen
Im Jahr 2016 startete die Volksanwältin mehrere Initiativen zur besseren Betreuung der Patientenanliegen. Ein Meilenstein in der Arbeit im Bereich Patientenrechte wurde mit der Unterzeichnung der Vereinbarung zwischen dem Südtiroler Landtag und der Fakultät für Rechtsmedizin der Universität Verona im Mai 2016 gesetzt. Die Fakultät für Rechtsmedizin erstellt jährlich mehrere rechtsmedizinische Gutachten und leistet Beratungsarbeit für die Südtiroler Volksanwaltschaft.
Im Oktober 2016 organisierte die Volksanwaltschaft eine Tagung zum Thema „Mehr Patientenschutz für Südtirol?“, um Patienten in der Wahrnehmung ihrer Rechte zu stärken und für eine einvernehmliche Lösung in möglichen Entschädigungsfällen zu werben. Rund zehn Prozent der Fälle der Volksanwältin betrafen das Gesundheitswesen, wobei es bei der Hälfte der Fälle um vermutete Behandlungsfehler ging.
In Österreich werden Patienten, die durch einen Fehler bei der Behandlung einen Schaden erlitten haben, der jedoch keiner genauen Ursache zuzuordnen ist, aus einem eigenen dafür von der Landesregierung errichteten Patientenentschädigungsfonds entschädigt. „Eine ähnliche Einrichtung wäre auch für Südtirol wünschenswert“, sagt Morandell.
Der Tätigkeitsbericht ist auf der Internetseite der Volksanwaltschaft abrufbar. (www.volksanwaltschaft.bz.it)
Beispielfälle aus dem abgelaufenen Jahr 2016
Die Akteneinsicht in das geplante Bauvorhaben des Nachbarn wird vom Bauamt der Gemeinde verweigert und verzögert
Einer Bürgerin, die sich an die Gemeinde wandte, um in das Bauprojekt ihres Nachbarn Einsicht zu nehmen und um sich im Vorfeld vor möglichen Verletzungen ihrer Rechte zu schützen, wurde dieser Zugang mit der mündlichen Begründung verweigert, dass dies in dieser Gemeinde noch nie möglich war und, dass sie hierfür keinen Rechtsanspruch hätte.
Die Bürgerin wandte sich daraufhin an die Volksanwaltschaft, die sofort tätig wurde und die Gemeinde darauf hinwies, dass die Bürgerin aufgrund des Art. 24 des Gesetzes 17/93, als auch aufgrund des Art. 105 des Urbanistikgesetzes, als auch im Sinne des Art. 74 des Einheitstextes der Gemeindordnung ein anerkanntes rechtlich geschütztes Interesse hat und somit die Akteneinsicht zu gewähren ist.
Nachdem nun der Antrag um Akteneinsicht auch schriftlich gestellt wurde, erhielt die Bürgerin ein Schreiben, dass dem Antrag stattgegeben wird, dass es jedoch erst nach Ablauf von 30 Tagen möglich sein wird, die Akten einzusehen, nachdem die Baukonzession ausgestellt ist.
Und genau dies sollte ja durch die Akteneinsicht verhindert werden. Durch dieses Instrument sollte es dem Bürger möglich sein, noch vor Abschluss des Verwaltungsverfahrens Einwände vorzubringen, die dann während des Verfahrens ihre Berücksichtigung finden können, ohne dass der Bürger den Rechtsweg einschlagen muss.
Widerruf der Wohnbauförderung für die Wiedergewinnung einer Wohnung nach 16 Jahren Sozialbindung, da die neue Mieterin zum Zeitpunkt des Mietvertrages nicht das definittve Trennungsurteil des Gerichtes hatte
So geschah es einem Bürger, der im guten Glauben einen Mietvertag mit einer Mieterin abschloss, die die gemeinsame Familienwohnung verließ, um in Trennung zu leben. Die Mieterin unterzeichnete den Mietvertrag und versicherte dem Eigentümer, dass die einvernehmliche Trennung unverzüglich vor dem Richter erfolgen würde, was sich jedoch für einige Wochen verzögerte, da das Ehepaar eine einvernehnmliche Trennung suchte und gerade dieses Einvernehmen nicht sofort gefunden wurde.
Der Vermieter vertraute vollends der Mieterin und übermittelte den Mietvertrag, so wie vorgesehen, an das Amt für Wohnbauprogrammierung.
Der Schreck war dann aber sehr gross, als das Amt den Vermieter und Förderungsempfänger der Wohnung daraufhin aufforderte, den Großteil der Wohnbauförderung zuzüglich Zinsen und Verwaltungsstrafe umgehend der Landesverwaltung zurückzuzahlen, da die Mieterin nicht die notwendigen Voraussetzungen im Sinne des Art. 45 des Wohnbauförderungsgesetzes mitbringen würde.
Im Detail wurde dem Vermieter und Förderungsempfänger der Umstand vorgeworfen, dass die Mieterin zum Zeitpunkt des Vertragabschlusses noch kein Trennungsurteil hatte und dieses erst 2 Monate später bei Gericht erlassen wurde.
Ein Rekurs an das Wohnbaukomitee mit dem Hinweis darauf, dass sich die Situation innerhalb kürzester Zeit saniert hatte und eine effektive Trennung auch wesentliche Voraussetzung für die gerichtliche Trennung darstellt, wurde nicht stattgegeben und der gutgläubige Vermieter wurde aufgefordert die Summe, die nun bei weitem den im fernen Jahr erhaltenen Förderbetrag überstieg, an die Landesverwaltung zurückzuzahlen.
Aus dieser Beschwerde ist sehr gut ersichtlich, dass im derzeit gültigen Wohnbauförderungsgesetz nicht zwischen unterschiedlichen Zuwiderhandlungen gegen die Sozialbindung unterschieden wird.
Unabhängig von Vorsatz, Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung werden Übertretungen des Gesetzes ohne jegliche Vorwarnung und ohne Möglichkeit der Richtigstellung aufs schärfste bestraft, sodass es wie im oben geschilderten Fall zu solchen für den betroffenen Bürger total unverständlichen Entscheidungen kommt.
Sozialwesen
Ein großes Problem stellt für die Sozialhilfeempfänger der dritten Ebene (darunter fallen das soziale Mindesteinkommen, die Ticketbefreiung aus Einkommensgründen und der Beitrag für Miete und Nebenkosten) die mit Dekret des Landeshauptmannes Nr. 25 vom 8.8.2016 abgeänderte Bewertung des Vermögens und der Einkünfte der Familienmitglieder dar.
Gemäß der neuen Bestimmung werden nun seit einigen Monaten (Punkt 13.1. des DLH Nr. 30/2000) nicht 40, sondern 100 Prozent der Einkünfte und des Vermögens des Nutzers und des Ehegatten oder Partners und aller anderen Mitglieder der De-facto-Familiengemeinschaft berücksichtigt (zu der auch Eltern, Schwiegereltern und Brüder oder Schwestern zählen, wenn Sie im gemeinsamen Haushalt leben).
So kam es zu absurden Situationen, wie jener einer älteren arbeitslosen Dame ohne Einkommen, die aus reiner Kostenüberlegung mit ihrer Schwester, zu der sie keine große Bindung hat, in einer gemeinsamen Wohnung lebt.
Dadurch, dass die Schwester Arbeitslosengeld bezieht, kann die Bürgerin kein soziales Mindesteinkommen erhalten, obwohl die Schwester in keinster Weise für ihren Lebensunterhalt aufkommen wird.
Eine weitere Situation, die vorgebracht wurde, ist auch jene eines 50 jährigen Mannes, der arbeitslos ist und aufgrund seines fortgeschrittenen Alters immer wieder Absagen bei der Arbeitssuche erhält. Auch er lebt gemeinsam mit seinem alten und gebrechlichen Vater in einer Wohnung und erhält nun seit Mitte 2016 keine finanzielle Unterstützung mehr, da die kleine Rente des Vaters zu 100 % als Einkommen der Familie berechnet werden muss.
Die Volksanwaltschaft sieht diese Abänderung der Vermögensbewertung als problematisch an. Gerade Menschen, wie diese oben beschriebenen Bürger, die aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters mit vielen Absagen bei der Arbeitssuche konfrontiert und dadurch sehr belastet sind, haben zusätzlich das Gefühl, dass ihnen durch diese Maßnahme ein weiteres Stück an Würde genommen wird.
Sie können es nicht nachvollziehen und verstehen, dass gerade bei Ihnen, die ja einen kleinen öffentlichen Beitrag notwendig hätten, so strenge Sparmaßnahmen durchgesetzt werden.
Zusammenlegung von Versicherungsjahren – Stillschweigen des Antragstellers bedeutet automatisch Annahme
Eine Bürgerin, die in Teilzeit als Raumpflegerin in einer Gemeindeverwaltung arbeitete, stellte beim NISF einen Antrag um die Zusammenlegung von Versicherungszeiten.
Als sie das Schreiben vom NISF erhielt, war ihr klar, dass sie sich die Zusammenlegung nicht leisten kann, da die zu zahlenden Raten bei weitem ihre Möglichkeiten übersteigen würden.
Die Bürgerin beschäftigte sich daraufhin nicht mehr mit der Sache, bis ihr klar wurde, dass die Gemeindeverwaltung mit der Ratenzahlung für die Zusammenlegung begann und die entsprechenden Raten dem NISF überwies, sodass der betroffenen Raumpflegerin kein Lohn mehr ausbezahlt weden konnte.
Die Bürgerin hatte das in italienischer Sprache erhaltene Schreiben des NISF nicht genau durchgelesen und es somit verabsäumt, innerhalb des vorgegebenen Termins von 90 Tagen mittels Einschreiben mit Rückantwort das NISF davon in Kenntnis zu setzen, dass sie auf die Zusammenlegung verzichtet.
Den Hinweis im Schreiben, dass es im Fall einer Nicht-Annahme einer ausdrücklichen schriftlichen Mitteilung bedarf, hatte sie schlichtweg überlesen, da dieser Satz nicht besonders hervorgehoben wurde und zudem auch nur in italienischer Sprache zu lesen war.
Zu diesem fatalen Missverständnis trug dann auch noch die frühere geltende Regelung bei, die genau entgegengesetzt war, und vorsah, dass die Annahme immer innerhalb eines bestimmten Termins mitgeteilt werden musste.
Eine solche Regelung sollte nach Auffassung der Volksanwaltschaft auch wieder eingeführt werden, da sie für den einfachen Bürger verständlicher und klarer ist.
Als sich die Bürgerin an die Volksanwaltschaft wandte, waren bereits sämtliche Rekursfristen verstrichen und es blieb nichts anders übrig, als gemeinsam mit der Bürgerin einen Antrag um Verzicht auf die Zusammenlegung außerhalb den vorgegebenen Terminen zu stellen.
Nach einer Aussprache mit Erörterung des konkreten Falles wurde dieser Antrag dann auch vom NISF angenommen, jedoch konnten die bis zu diesem Zeitpunkt bereits bezahlten Raten weder rückerstattet, noch als bezahlte Beiträge für Versicherungsjahre verwendet werden.
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