„Frauen brauchen Hilfe von außen“
Die Bluttat von Milland zeigt: Gewalt gegen Frauen bleibt meistens nicht unbemerkt. Anna Maria Spellbring vom Frauenhaus Brixen erklärt, warum man eine Frau nach ihren blauen Flecken fragen sollte und wie man sich in solchen Fällen richtig verhält.
TAGESZEITUNG Online: Frau Spellbring, was hält Frauen, die Opfer von Gewalt werden, davon ab, sich selbstständig Hilfe zu holen?
Anna Maria Spellbring: Wir dürfen nicht vergessen, dass die Gewalt vom Mann ausgeübt wird. Frauen holen sich aus mehreren Gründen keine Hilfe: Oft wissen sie nicht, dass es überhaupt Hilfe gibt, oft wollen sie nicht wahrhaben, dass sie sich selbst schützen müssen und dass sie die Beziehung beenden müssen. Die Gewalt zieht sich meist über Jahre hinweg, sodass die Frauen unter den Folgen dieser Gewaltdynamiken leiden und kein Selbstbewusstsein mehr haben. Sie leben von der Gesellschaft isoliert und haben Schuldgefühle. Sie denken, sie sind selbst für ihre Beziehung verantwortlich und sie glauben, sie haben versagt. Sie nehmen oft alle Verantwortung und Schuld auf sich und der Misshandler unterstützt sie darin. Auch die ökonomische Unsicherheit vieler Frauen spielt eine bedeutende Rolle, denn in vielen Fällen sind sie wirtschaftlich abhängig. Die unsicheren Zukunftsaussichten schrecken ab. Betroffene brauchen somit Hilfe von außen, denn sie können sich nur sehr schwer aus dieser Gewaltspirale befreien.
Oftmals wissen nahestehende Personen von der Gewalt, die einer Frau von ihrem Partner zugefügt wird, aber schreiten dennoch nicht ein. Wie können Sie sich dieses Verhalten erklären?
Es braucht schon viel Courage, einen Fall zu melden. Viele sagen, sie wollen sich nicht in private Angelegenheiten einmischen und reden sich so aus einer Sache raus. Doch Wegschauen ist nicht zu entschuldigen. Die Nachbarn tragen in solchen Situationen Mitschulden. Und es ist furchtbar zu hören, dass Frauen selbst schuld sein sollen, nur weil sie etwas Bestimmtes anziehen oder sich auf eine bestimmte Weise verhalten.
Stumpft die Gesellschaft emotional ab?
Ja, ich denke schon. Die Medien spielen auch eine bedeutende Rolle. Ich arbeite nun seit 30 Jahren in diesem Bereich und es hat sich nichts geändert – weder am Ausmaß der Gewalt, noch an der Anzahl der Menschen, die Gewalt melden. Es gibt mehr Hilfestellen als früher und mehr Frauen schaffen es so, sich aus Gewaltbeziehungen zu befreien.
Was können Außenstehende tun, wenn sie den Verdacht auf Gewalt gegen eine Frau hegen?
Ich fordere die Öffentlichkeit auf, hinzuschauen, denn viele verstecken sich hinter der Ausrede, von nichts gewusst zu haben. Doch der Fall von Milland zeigt: Allzu oft wissen Nachbarn über die Gewalt Bescheid.
Sie arbeiten im Frauenhaus in Brixen. Haben Sie häufig mit solchen Fällen zu tun?
Leider schon. Neulich hat sich eine Frau an das Frauenhaus gewandt und uns gemeldet, dass sie in der Wohnung der Nachbarn viel Lärm und Geschrei beobachte und sie glaube, dass Gewalt im Spiel sei. Als die Frau im Vorfeld mit dem Hausmeister darüber gesprochen hat, meinte er, er könne nichts machen, denn sonst mache er sich strafbar. Aber das stimmt nicht. Viele nehmen das als Entschuldigung, denn sie haben vielleicht sogar selbst Angst vor dem Mann der Frau. Man macht sich strafbar, wenn man davon weiß und nichts mitteilt.
Was können Beobachter konkret unternehmen, um die Frau zu unterstützen?
Am wichtigsten ist es der Frau zu zeigen: „Ich sehe, dass du leidest, aber es gibt Hilfe. Wenn du willst, helfe ich dir, aus der Gewaltspirale auszusteigen.“ Natürlich kann ein Nachbar einer Betroffenen nur schwer psychologisch beistehen, weil ihm die Ausbildung fehlt. Aber jeder kann Informationen zu Hilfestellen weitergeben. Man kann die Nummer weitergeben oder der Frau sagen, man wäre bereit, sie zu begleiten, wenn der Mann beispielsweise nicht zu Hause ist. Eine Frau alleine schafft es nicht, sich aus der Gewaltspirale zu befreien, denn sie fühlt sich oft einfach nicht in der Lage dazu, etwas zu ändern.
Man hört immer wieder, dass eine Frau auf ein blaues Auge angesprochen wird und sie sagt, sie sei hingefallen. Wie sollte man dann vorgehen?
Die Ausrede, eine Frau sei hingefallen und habe deshalb so viele blaue Flecken, hört man nur allzu häufig. Doch genau deswegen müssten in einer solchen Situation die Antennen unmöglich weit hoch gehen. Es ist studienmäßig erforscht, dass Frauen, natürlich getrennt von den Ehemännern, gefragt werden möchten: „Kommen die Verletzungen von Außeneinwirkungen?“ Das ist kein Einmischen, sondern fachmännisches Routine-Abfragen.
Was appellieren Sie an die Gesellschaft?
Die Menschen sollten ihre Bürgerpflicht wahrnehmen und Gewalt melden. Meistens sind Kinder im Spiel und für den Schutz von Kindern ist jeder einzelne Bürger mitverantwortlich. Das Frauenhaus legt aber viel Wert darauf, dass solche Meldungen nicht ohne Mitwissen der Betroffenen gemacht werden. Die Frau soll wissen, dass die Situation angezeigt wurde, denn wenn sie überrascht wird, kann die Gefahr größer werden. Wir als Kontaktstelle gegen Gewalt an Frauen wollen nicht die Fälle zählen – jede Frau, die nach Beziehungsgewalt sterben muss, ist eine zu viel. Wir treten für die Beendigung jeglicher Form von Gewalt an Frauen ein und fordern dazu auf, hinzuschauen und betroffenen Frauen Informationen über Hilfsstellen zu geben – ein Ausstieg ist möglich.
Interview: Silvia Santandrea
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Kommentare (12)
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tiroler
Das Interview ist ja ok, passt aber nicht zum Mordfall.
Wer mit islamistischen Einwanderern eine Beziehung eingeht, muss mit allem rechnen.
Frauen die das machen sind ausgeliefert, da helfen Frauenhaus und Lichterketten gar nichts
andreas
Frau Spellbring macht sich die Sache zu einfach, wenn sie den Nachbarn eine kollektive Mitschuld gibt.
Warum hat sich Frau Obrist nicht an das Frauenhaus gewandt? Die Aussage, dass Frau Obrist es ev. nicht kannte, würde bedeuteten, dass sie keine Hilfe wollte, da mit Google „Hilfe Gewalt gegen Frauen Südtirol“, alle Hilfsmöglichkeiten auffindbar sein sollten.
Angenommen sie kannte das Frauenhaus und hat es nicht in Anspruch genommen, sollte Frau Spellbring sich mal über die Außendarstellung des Hauses Gedanken machen und nicht sofort allen anderen eine Mitschuld geben.
Nebenbei gibt es einen großen Unterschied zwischen meinen und wissen. Wenn eine Frau die geschlagen wird es relativiert, was soll da jemand unternehmen? Nicht mal die Polizei kann da viel tun, wenn die Verletzungen nicht zu gravierend sind.
Wo war der Arzt von Frau Obrist, hat der nie etwas von den Verletzungen gesehen? Wenn ja, warum hat der keine Anzeige erstattet?
Ich gebe Frau Spellbring vollkommen Rechr, dass jeder bei Kenntnis etwas unternehmen soll.
Doch wenn sie hier allen anderen eine Mitschuld gibt, sollte sie sich schon auch fragen, wie ein solcher Mord ein paar Kilometer neben ihrem Hais passieren konnte und sie jahrelang nichts mitgekriegt hat und warum sich Frau Obrist nicht an sie gewandt hat.
cosifantutte
Frauen üben zwar in der Regel weniger physische Gewalt aus, dafür aber psychologische, was unter Umständen noch unerträglicher sein kann als erstere, aber kaum erwähnt wird, da politisch nicht gewollt. Ständige Erniedrigung vor dritten kann zur langsamen, aufreibenden Zerstörung einer Person führen.
Das physische Gewaltproblem an Frauen wird durch die unkontrollierte Massenimmigration von Personen aus Kulturen, in denen die Frau nicht als gleichwertig angesehen wird, in der Zukunft nicht besser, auch wenn man die Kausalität noch leugnet. Das wird sich auch durch den vagen Containerbegriff „Integration“ nicht zum Besseren wenden. Da aber die Mehrheit, inklusive Frauen, immer dieselben Parteien wählt, die zwar von Gleichberechtigung reden, aber diese Art der Immigration wohlwollend billigen, muss man darauf schließen, dass die Mehrheit es wahrscheinlich so will. Diese Tatsache muss man zur Kenntnis nehmen und akzeptieren.