Positive Trennung
Das Familienmediationszentrum ASDI wurde von Rom beauftragt, einen Entwurf für verpflichtende Mediation bei Trennungen auszuarbeiten. Im Interview erklärt Direktor Elio Cirimbelli, warum dadurch Trennungen weniger belastend wären.
TAGESZEITUNG Online Herr Cirimbelli, worin besteht der Dienst der Familienmediation ASDI?
Elio Cirimbelli: Bricht eine Familie auseinander oder entscheidet ein Paar, sich zu trennen, dann ist es eher selten, dass diese Entscheidung Ehemann und Ehefrau gemeinsam getroffen haben. Meistens will sich nur einer der beiden aufgrund verschiedenster Gründe trennen. Hier kommt die Familienmediation ins Spiel: Sie hilft dem Paar nicht, sich wieder zusammenzuraufen, sondern unterstützt die Partner bei ihrer Trennung, sodass keiner noch mehr benachteiligt ist. Denn im Falle einer Scheidung sind immer beide Parteien die Verlierer. Wir als Mediatoren beschäftigen uns somit mit getrennten Partnern, die Schwierigkeiten darin haben, ihrer Rolle als Elternteil gerecht zu werden oder mit Partnern, die dabei sind, sich scheiden zu lassen. Die Paare werden bei ihrer selbständigen Suche nach den Grundlagen unterstützt.
Wie läuft eine Familienmediation ab?
Die Familienmediation besteht aus verschiedenen Treffen zwischen einem Mediator und dem Paar, das sich getrennt hat oder sich trennen will, um neue Vereinbarungen für die Familie zu treffen. Der Mediator muss beurteilen, wie motiviert die beiden sind und ob eine Mediation möglich und sinnvoll ist. Das Paar und der Mediator treffen sich in einfachen Fällen drei oder vier Mal, in schwierigeren Fällen finden bis zu zehn Sitzungen statt.
Was ist das Ziel der Familienmediation?
Das Ziel der Familienmediation ist es, ein Paar zu einer „positiven Trennung“ zu begleiten. Bricht eine Familie auseinander, so bleibt dennoch eine wichtige Aufgabe der Ex-Partner erhalten: ihre Funktion als Eltern für die gemeinsamen Kinder. Trennen sich Paare im Streit voneinander, dann ist es äußerst schwierig, dass sie als Eltern miteinander sprechen und miteinander auskommen. Vorrangig ist für uns das Wahren der Interessen und Rechte der betroffenen Kinder.
Das Zentrum für Familienmediation ASDI setzt sich seit vielen Jahren ein, die Familienmediation als verpflichtenden Schritt bei Trennungen in die Rechtsordnung einzufügen. Wie sieht die Situation in Südtirol aus?
Südtirol ist die einzige Provinz in Italien, in der die Landesregierung einen Beschluss verabschiedet hat, der die Familienmediation als Sozialdienst anerkennt. Das bedeutet, dass das Land die Kosten für die Familienmediation übernimmt. In den anderen Regionen wird die Mediationstätigkeit nur als private Tätigkeit angeboten uns ist deshalb von den Familien zu bezahlen. Wir können diesen Dienst kostenlos anbieten, weil wir eine Vereinbarung mit dem Betrieb für Sozialdienste unterzeichnet haben. Bei unserem Treffen in Rom zeigten die Verantwortlichen des Ministeriums großes Interesse und sie haben uns den Auftrag gegeben, einen Entwurf auszuarbeiten, um die Mediation als eine verbindliche Maßnahme in die italienische Rechtsordnung einzufügen. Sollte die Mediation auf nationaler Ebene eingeführt werden, könnte sich die für das Urteil nötige Zeit erheblich reduzieren und die damit einhergehenden psychologischen Belastungen reduzieren.
Warum wollen Sie diesen Dienst verbindlich in die Rechtsordnung bei Trennungs- und Scheidungsklagen einfügen?
Wir müssen breiter denken: Eine so erfolgreiche Initiative wie die Familienmediation, die jährlich tausende Personen und vor allem sehr viele Kinder betrifft, soll den Menschen in ganz Italien kostenlos zur Verfügung stehen. Wir haben im Justizministerium mit der Leiterin der Abteilung für Jugendgerichtsbarkeit und dem Leiter der Rechtsabteilung gesprochen und beide wirkten sehr interessiert. Ich bin ziemlich optimistisch, dass unser Vorhaben klappt. Wenn wir unseren Plan nicht mit der derzeitigen Regierung umsetzen können, dann versuchen wir es mit der nächsten Regierung.
Wie wirkt sich die Mediationstätigkeit auf das Gericht aus?
Familienmediation stellt eine wichtige Unterstützung für das Gericht dar. Sie erlaubt, Zeit, Kosten und vor allem Energie zu sparen, da die Familie mit einer tatsächlich besprochenen Klage oder mit schon vereinbarten Trennungsbedingungen vor Gericht erscheint. Davon profitieren besonders die Kinder. Aus einer Forschung lässt sich schließen, dass die Kosten für die Mediation niedriger sind als die Ausgaben für lang andauernde Gerichtsverhandlungen.
Wie handhaben andere europäischen Länder Familienmediation?
In Großbritannien ist beispielsweise keine Scheidung möglich, wenn vorher keine Familienmediation in Anspruch genommen wurde. In anderen Ländern finden wir hingegen dieselbe Situation wie in Italien vor, nämlich dass Familienmediation zahlungspflichtig ist.
Interview: Silvia Santandrea
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