Folter als Verbrechen
Das italienische Parlament hat den Tatbestand der Folter ins Strafgesetzbuch aufgenommen. Das weckt hierzulande Erinnerungen an die Misshandlungen von Südtirol-Aktivisten durch Carabinieri.
von Julian Righetti
Nachdem der Europäische Gerichtshof und Amnesty International jahrzehntelang Druck auf Italien ausgeübt haben und vier Jahre Bearbeitungszeit in Anspruch genommen wurde, hat die Abgeordnetenkammer vergangene Woche mit 198 zu 35 Stimmen – 104 haben sich enthalten – den Gesetzesvorschlag genehmigt. Folter wird als Tatbestand in das Strafgesetzbuch aufgenommen.
Die Strafen dafür reichen von vier bis zu zehn Jahren Gefängnis. Bis auf Diplomaten anderer Länder, ist niemand vom Gesetz ausgenommen, vor allem öffentliche Beamte nicht. Denn wenn das Vergehen von einem Beamten des öffentlichen Dienstes – insbesondere von Polizeibeamten – begangen wird, kann eine Höchststrafe von zwölf Jahren Haft verhängt werden. Stiftet ein Beamter, während der Ausübung seines öffentlichen Dienstes, einen Kollegen zur Folter an, muss er mit einer Haftstrafe zwischen sechs Monaten und drei Jahren rechnen. Besonders schwer geahndet wird auch Freiheitsberaubung in Zusammenhang mit Gewalt oder Drohung beziehungsweise mit Brutalität auf physischer oder psychischer Ebene, sowie Degradierung und Missachtung der Menschenwürde. Bei schwerer Körperverletzung durch die Folter steigt das Strafmaß um ein Drittel, bei ungewolltem Totschlag um zwei Drittel und bei gewolltem Totschlag folgt die lebenslange Haftstrafe.
Für Oskar Niedermair, früherer Südtirol-Aktivist und 1964 jüngster Angeklagter bei den Mailänder Prozessen, kommt diese Gesetzesänderung viel zu spät. Zur Zeit der Südtiroler Bombenjahre und dem darauf folgenden Carabinieri-Prozess in Trient habe „das Gesetz den Beamten in die Hände gespielt“ und den Südtiroler Häftlingen „keine Chance gelassen“, so Niedermair.
Nach der Feuernacht im Jahre 1961 wurden nicht weniger als 150 Mitglieder des Befreiungsausschusses Südtirol (BAS) verhaftet und etliche von ihnen gefoltert.
Ein weiterer Südtirol-Aktivist, der die Folterungen nicht am eigenen Leib spüren musste, aber vielfach mitbekommen hat, ist der Neumarktner Josef Fontana. Für ihn ist es längst an der Zeit, dass im Strafgesetzbuch der Tatbestand der Folter eingeführt wird.
LESEN SIE AM SONNTAG AUF TAGESZEITUNG-ONLINE: Das Interview mit Josef Fontana.
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