Verärgerte Buchhalter
Die Motivation der Buchhalter in den Gemeinden ist am Boden, geht aus einem Schreiben hervor. Seit einigen Jahren haben sie zunehmend mit rechtlichen und technischen Problemen zu kämpfen.
von Heinrich Schwarz
Seit Beginn der sogenannten Harmonisierung der öffentlichen Buchhaltungen laufe in den Gemeinden vieles nicht mehr, wie es sein sollte. Das schreibt ein Südtiroler Gemeinde-Buchhalter in einem ausführlichen Brief an die TAGESZEITUNG. Darin listet er mehr oder weniger alles auf, was die Buchhalter zuletzt in Aufregung versetzt hat.
„Die Dauerbelastung und die gesetzliche Unsicherheit setzte die Buchhalter unter Stress. Der Urlaub konnte nur eingeschränkt genommen werden – besonders in kleineren Gemeinden, da dort eine Person eventuell auch mehrere Aufgabenbereiche zu bewältigen hat“, heißt es im Schreiben.
„Kein Wunder“, so der Betroffene, „dass zurzeit der Buchhalterjob in den Gemeinden ein unbeliebter Arbeitsplatz ist und so mancher Buchhalter die mit kleinerer Verantwortung verbundene und ruhigere Arbeit der Bibliothekarin bewundert und manchmal tauschen würde. Auch in der Hinsicht, dass Buchhalter in den meisten Gemeinden unter 5.000 Einwohnern in der VI. Funktionsebene eingestuft sind, die Bibliothekarinnen hingegen in der VII. Funktionsebene.“
Angefangen habe alles im Jahr 2015, als die Gemeinden angehalten waren, die einzelnen Kapitel neu zu klassifizieren: „Fehlende Standards führten zu nicht einheitlichen Klassifizierungen, die zum Teil noch heute bestehen. Damals hatte es der Gemeindenverband verabsäumt, die Kapitel der alten Standardbilanz in jene der neuen Standardbilanz einheitlich zu konvertieren.“
Den Buchhaltern wäre eine Menge Arbeit erspart geblieben und die Neuklassifizierung wäre „harmonischer“ ausgefallen.
„Weiters“, so der Betroffene, „wurde in den Gemeinden zeitgleich auf ein ganz neues Buchhaltungsprogramm umgestellt, das in Südtirol zum ersten Mal zum Einsatz kam. Die Folge war, dass dieses Programm zuvor weder bei anderen italienischen Gemeinden noch in Südtirol getestet worden ist. Es verging nicht eine Woche, wo nicht mindestens eine Programmajournierung erfolgte.“
In Trient hingegen habe man mit dem alten Programm auf die Harmonisierung umgestellt, was gut funktioniert habe.
Die Buchhalter ärgert auch, dass eine vom Gemeindenverband eingesetzte Arbeitsgruppe, die Problembereiche und Lösungsvorschläge aufzeigen solle, seit über einem Jahr nicht mehr zusammengetreten sei. Den Buchhaltern fehle eine Südtiroler Fachkraft, die fähig ist, über die buchhalterischen Neuerungen ein Seminar zu halten.
Weiterer Ärger sei vorprogrammiert gewesen, als der Staat die gesetzliche Grundlage für die Einführung der neuen Buchhaltung geregelt hat. Das Land habe dies im Dezember 2015 mit einem eigenen Landesgesetz geregelt. „Dieses erste Landesgesetz kam in Rom nicht gut an und wurde angefochten. Das Land hat dann im Dezember 2016 ein neues Landesgesetz genehmigt und wiederum zur Kontrolle nach Rom geschickt. Kaum wurde in den Gemeinden inzwischen die Verordnung über die Buchhaltung an das erste Gesetz angepasst, war diese bereits wieder veraltet und sollte an das zweite Gesetz angepasst werden. Nun wurde auch dieses Landesgesetz in Teilen wieder als verfassungswidrig erklärt.“
Für mehr Bürokratie gesorgt hat laut den Buchhaltern die mit der Gemeindenfinanzierung eingeführte Regelung zur Abrechnung der Investitionsbeiträge. „Gerade von Landesrat Schuler und Landeshauptmann Kompatscher als ehemalige Präsidenten des Gemeindenverbandes würde man so viel Einfühlungsvermögen erwarten können, dass das Gegenteil der Fall sein sollte“, heißt es im Brief.
Der Gemeinde-Buchhalter schreibt: „Wir sind verärgert und haben ständig mit sowohl rechtlichen als auch mit technischen Problemen zu kämpfen. Kommen dann auch noch Extrawünsche von Verwaltern hinzu, wird die Lage zunehmend angespannt. Die Folge war, dass die ‚normale‘ Buchhaltungstätigkeit wegen der Mehrbelastung gelitten hat: Rechnungen konnten Anfang des Jahres 2016 nur mit Verspätung bezahlt werden.“
Bevor der zuständige Landesrat Arnold Schuler die angestrebte Schaffung von sogenannten Kompetenzzentren umsetzt, in denen sich Buchhalter kleinerer Gemeinden zu Einheiten zusammenschließen sollten, solle die Politik zuerst ihre Hausaufgaben machen, indem sie „für Rechtssicherheit und für ein ausgereiftes Programm inklusive anwenderfreundlicher Schulung“ sorgt.
„Einige haben gekündigt“
„Ich weiß, dass einige Buchhalter an ihre physischen und psychischen Grenzen gelangt sind, weil relativ viele Neuordnungen auf einmal gekommen sind. Einige haben sogar gekündigt oder gesagt, dass sie den Gemeindedienst verlassen möchten, weil die ganze Komplexität nicht das ist, was sie sich vorgestellt hatten“, sagt Andreas Schatzer, Präsident des Gemeindenverbandes.
Er betont, dass einige Dinge nicht auf den Verband zurückgingen. So sei die Harmonisierung der Buchhaltungen eine Bestimmung der EU bzw. des Staates. „Es stimmt aber auch, dass wir die Umstellung des Programmes ein bisschen zu blauäugig angegangen sind und uns zu viel auf den Anbieter verlassen haben“, so Schatzer. Im Verband habe man Mitarbeiter aufgestockt, um den Buchhaltern Hilfe zu leisten.
„Wir arbeiten daran, die ganzen Sachen so langsam in den Griff zu kriegen. Man muss aber auch sagen, dass das ganze System so komplex geworden ist, dass man schauen muss, wie die Buchhaltung in Zukunft aufgestellt wird“, erklärt der Präsident.
Ein Weg sei die Zusammenarbeit zwischen Gemeinden durch Kompetenzzentren: „Ein Buchhalter pro Gemeinde ist nicht mehr machbar. Wenn er in Urlaub oder krank ist, kann man keine Beschlüsse mehr machen und nichts zahlen. Wenn mehrere Personen für mehrere Gemeinden an einer Stelle arbeiten und dabei eine bestimmte Effizienz und Professionalität aufgebaut wird, ist ein Ausfall zu verkraften.“
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