Die Terrorismus-Debatte
Soll das Land eine Gedenkstätte für die Opfer der Terrorjahre einrichten? Der Regionalrat lehnt einen entsprechenden Antrag ab, weil es – auch 25 Jahre nach der Streitbeilegung – noch keine gemeinsame Geschichtsauffassung gibt.
Von Matthias Kofler
Mittels eines Beschlussantrags forderte Alessandro Urzì die Einrichtung einer Gedenkstätte zu Ehren der Opfer des Terrorismus im Südtirol. Gerade vor dem Hintergrund des Jubiläums der Streitbeilegung sei eine solche Erinnerung wichtig, so der Abgeordnete von Alto Adige nel Cuore am Montag im Regionalrat. Ihm gehe es um die Erinnerung an die Opfer von Gewalt, die immer und unter allen Umständen abzulehnen sei. Es sei zwar gut, wenn man jetzt das Ende eines langen Streits feiere, aber es müsse auch Platz sein für jene, die durch diese Auseinandersetzung ihr Leben lassen mussten, so Urzì.
Sven Knoll (Süd-Tiroler Freiheit) sprach sich gegen den Antrag aus: „Die Opfer dürfen nicht instrumentalisiert werden“, sagte der Abgeordnete. Zudem klammere Urzì das erste Opfer eines terroristischen Aktes aus, nämlich Franz Innerhofer, der von Faschisten erschlagen wurde. Knoll weiter: „Es ist nicht zu leugnen, dass im Zuge des Freiheitskampfes in den Sechzigern Menschen ums Leben kamen, aber es gibt aus dieser Zeit auch Opfer der Staatsgewalt.“ Wenn ein Volk unterdrückt werde, führe das zu Widerstand. Gewalt brauche man nicht zu rechtfertigen, aber sie sei unter bestimmten Umständen nachvollziehbar. Ohne die gewaltsame Annexion wäre es auch nicht zu diesen Opfern gekommen, zeigte sich der Abgeordnete überzeugt.
25 Jahre nach Streitbeilegung gebe es noch Themen ohne gemeinsame Bewertung, bemerkte Hans Heiss (Grüne). Diese Vergangenheitspolitik werde es weiter geben, sie zeige, welche Spaltungen es in Südtirol immer noch gebe. „Die einen sprechen von Terror, die anderen von Freiheitskampf. Die Gewalt einer jungen Generation, die für sich keine Chancen mehr sah, ist nicht zu rechtfertigen, aber zu verstehen“, so der Grüne. In einer ersten Phase habe sich die Gewalt nur gegen Symbole gerichtet, erst in einer zweiten Phase auch gegen Personen, und auch da seien Südtiroler dabei gewesen. Man dürfe aber auch nicht die Gewalt des Staates vergessen, der oft brutal gegen Südtiroler vorgegangen sei. Urzìs Antrag sehe nur die eine Hälfte, daher könne man ihm nicht zustimmen. Es werde noch vieler Jahre bedürfen, bis es eine von gegenseitiger Verständigung getragene Sichtweise der Ereignisse geben werde, so Heiss.
Dieter Steger (SVP) bezeichnete es als grundsätzlich geboten, der Opfer von Gewalt zu gedenken. Aber der Antrag umfasse nur einen Teil der Opfer. Außerdem sei das eher ein Thema für den Landtag, da die Sache Südtirol betreffe, nicht das Trentino.
Selbstverständlich sei man bereit, der Opfer politisch motivierter Gewalt zu gedenken, sagte Landeshauptmann Arno Kompatscher. Urzìs Liste scheine aber unvollständig. Es gebe auch leider noch keine gemeinsame Sichtweise jener Zeit, es gebe bewusst oder unbewusst eingeschränkte Sichtweisen und unterschiedliche Sensibilitäten. Das Trennende könne man nur im Dialog überwinden. Auf jeden Fall müsse man es vermeiden, das Thema politisch zu instrumentalisieren. Der Antrag sei der falsche Zugang zum Thema, da er eine Seite der Gewalt und einen Teil der Opfer ausblende, so Kompatscher.
Alessandro Urzì beantragte schließlich eine Vertagung bis Mai 2018.
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Kommentare (11)
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sigmundkripp
@einereiner Der Unterschied ist der Standpunkt.