Spinner in der Klasse
Die Fidget Spinner erobern Südtirol. Die kleinen Kreisel werden überall gedreht – in der Schule, sogar im Kindergarten. Die Lehrer sind verzweifelt. Was sagt die Sozialpädagogin?
von Markus Rufin
Alle haben sie, alle spielen mit ihnen, aber nur wenige wissen wieso – es geht um die Fidget Spinner. Das Spielzeug hat in den letzten Wochen auch die Südtiroler Kinder- und Jugendszene erobert.
Doch was sind Fidget Spinner?
Ein Fidget Spinner – zu Deutsch: Unruhe-Kreisel – ist ein Balanciergerät, einige Zentimeter groß, und es gibt ihn in allen verschiedenen Farben und Formen. In der Mitte befindet sich ein Kugellager, das sich auf den Fingern balancieren lässt. Bei der gängigsten Bauform sind drei Flügel vorhanden, die mit Gewichten ausgestattet sein können.
Am einfachsten ist es, den Spinner zwischen zwei Fingern zu halten und ihn zu drehen. Wenn man etwas geschicktere Fingerspitzen hat, kann man das Gerät auf einen Finger balancieren, es hoch werfen und wieder auffangen oder den haltenden Finger wechseln.
Hauptsächlich soll das Spielzeug dazu dienen, Nervosität abzubauen.
Eine Lehrerin an einer Bozner Berufsschule berichtet: „Als ich einen Schüler aufforderte, nicht mit dem Fidget Spinner zu spielen, antwortete er: ,Aber Frau Professor, ich bin ein nervöser Schüler.“
Der Hersteller der Fidget Spinner verspricht: Die Kreisel hätten beim Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom eine therapeutische Wirkung. Bewiesen ist diese Theorie allerdings nicht.
Die Sozialpädagogin an der Grund- und Mittelschule Eppan, Julia Psenner, bestätigt: „Auch ich habe mit Schülern gesprochen, wobei einige gemeint haben, dass sie durch die Nutzung des Fidget Spinners noch nervöser werden. Ich kann mir eigentlich gut vorstellen, dass es einige Schüler geben könnte, die sich durch das Gerät besser konzentrieren können.“
Die Sozialpädagogin sieht Parallelen zur liegenden Acht, die bei ADHS-Patienten angewandt wird: „Hier können die Kinder eine Murmel in Form einer Acht rollen und bleiben so konzentriert und aufmerksam. Es ist das gleiche Prinzip, wichtig ist, dass man etwas in seinen Händen hat, mit dem man spielen kann, aber der Schüler darf davon nicht abgelenkt werden.“ Allerdings geht Julia Psenner davon aus, dass es hauptsächlich ein Trend ist und nur die wenigsten den eigentlichen Nutzen des Spinners erkennen.
Auch vor Südtirol macht der Trend keinen Halt – an sich kein Problem. Doch mittlerweile sind auch Schulen vor dem Fidget Spinner nicht mehr sicher. Tausende Jugendliche sitzen in ihren Klassenräumen und sind am (durch-)drehen. Das Problem: Dadurch werden viele Schüler abgelenkt und können sich nicht mehr auf den Unterricht konzentrieren.
Denn auch während der Unterrichtszeit kommt der Fidget Spinner zum Einsatz. „In der Grundschule wurde es auch ziemlich laut, weil eine ganze Klasse damit spielte. Deshalb haben wir den Schülern gesagt, das sie das Gerät in der Pause verwenden dürfen, im Unterricht muss es aber verschwinden“, erklärt die Sozialpädagogin.
Dabei hält Julia Psenner wenig von solchen Verboten, aber „irgendwann wurde es zu viel.“
Dennoch könne man den Kreisel auch kreativ einsetzen. „Zum Beispiel können die Kinder die Fünferreihe aufsagen, bevor der Kreisel aufhört sich zu drehen“, erklärt die Pädagogin. Diese Methode funktioniere vor allem, wenn es dem Schüler wirklich hilft, sich auf die Aufgabe zu konzentrieren.
Für Psenner ist es wichtig, jeden Schüler einzeln zu beobachten: „Es ist meiner Meinung nach nicht möglich, zu sagen, ob der Fidget Spinner bei Konzentrationsschwäche hilft oder nicht. Es kann sein, dass ein Schüler konzentrierter wird, aber auch das Gegenteil kann auftreten.“
Besonders kritisch sei der Fidget Spinner in Grundschulen. „Wenn ein Kind es benutzt, merken das die anderen und werden vom Unterricht abgelenkt“, meint Psenner.
Die Sozialpädagogin ist davon überzeugt, dass der Fidget Spinner nur ein Trend ist, ähnlich wie der Rubiks Cube. Ein solcher Trend sei für die Schule eher „willkommen“, da man ihn gut mit schulischen Aktivitäten verbinden kann.
Psenner hat auch eine Erklärung, wie der Trend nach Südtirol kam: „Kinder im Alter zwischen zehn und fünfzehn Jahren finden immer wieder etwas Neues, das nicht verboten ist, den Autoritätspersonen aber trotzdem auf die Nerven geht. Sie wollen ihre Grenzen entdecken und das ist auch ganz wichtig und natürlich.“
Ein weiterer Faktor sei das Internet. „Der Erste, der in unserer Schule einen Fidget Spinner hatte, musste ihn über Internet bestellen. Jetzt gibt es ihn in jedem Laden. Durch das Internet verbreiten sich diese Trends unglaublich schnell“, erklärt Psenner.
Auch die Breite des Trends überrascht die Expertin: „In der Mittelschule hat wirklich fast jeder einen Spinner. Aber auch in der Grundschule gibt es von der ersten bis zur fünften Klasse Kinder, die mit dem Kreisel spielen. Sogar im Kindergarten bringen einige den Fidget Spinner mit.“
Doch bei aller Faszination für den Kreisel gesteht Julia Psenner auch ein, dass die Lehrer den Schülern das Spielzeug immer wieder abnehmen. Dennoch kann sie sich vorstellen, dass sich der Fidget Spinner in Südtirols Schulen etabliert: „Für Kinder mit Konzentrationsschwächen ist es mit Sicherheit eine gute Alternative zu den üblichen Hilfsmittel. Außerdem ist es immer noch besser als ein Fußball in der Klasse.“
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