„Ein enges Verhältnis“
Was bei den Feierlichkeiten zum 25. Jahrestag der Streitbeendigung gesagt wurde.
Südtirol und Südtirols Autonomie waren am Sonntag Hauptdarsteller im Meraner Kurhaus. „Südtirol hat mit Leidenschaft das europäische Demos verteidigt“, sagte der italienische Staatspräsident Sergio Mattarella. Und sein österreichischer Amtskollege erklärte: „Südtirol ist für mich eine Herzensaufgabe.“
„Südtirol als Heimat der Vielfalt ist auch Abbild des europäischen Ideals. Und dafür lieben wir dieses Land!“ Mit diesen Worten beendete Landeshauptmann Arno Kompatscher seine Ansprache im Kurhaus von Meran, wo in Anwesenheit der Staatspräsidenten von Italien und Österreich, Sergio Mattarella und Alexander Van der Bellen, sowie rund 500 geladenen Gästen der 25. Jahrestag der Streitbeendigung zwischen Italien und Österreich in Sachen Südtirol-Autonomie gefeiert wurde.
Kurz zuvor hatte Südtirols Landeshauptmann vor dem Kurhaus zunächst den Staatspräsidenten Mattarella empfangen und dann gemeinsam mit dem italienischen Staatsoberhaupt Bundespräsidenten Van der Bellen begrüßt. Der offizielle Festakt wurde nach einem Sechs-Augen-Gespräch pünktlich eröffnet. Landesjugendblasorchester und Landesjugendchor trugen dazu die Staatshymnen und die Europahymne vor. Die Autonomie-Geschichte zeichnete dann der eigens für diesen Anlass gestaltete Film „Mit langem Atem“ des Bozner Filmemachers Andreas Pichler nach.
Landeshauptmann Kompatscher begann seine Ansprache mit einer Erinnerung an das Vorjahr: Gerade neun Monate seien vergangen, seit auf Schloss Sigmundskron gemeinsam mit den Außenministern Italiens und Österreichs, Paolo Gentiloni und Sebastian Kurz, der 70. Jahrestag der Unterzeichnung des Pariser Vertrages begangen wurde. Heute erinnere man sich im ebenfalls (autonomie-)geschichtsträchtigen Meraner Kursaal an ein Vierteljahrhundert Streitbeilegung.
„Es ist eine große Ehre und unterstreicht die Bedeutung dieses Ereignisses, dass dies in Anwesenheit und unter Beteiligung der beiden Staatsoberhäupter der Signatarstaaten des Pariser Vertrages geschieht“, so der Landeshauptmann.
Genau am 11. Juni haben 1992, vor 25 Jahren, hat der damalige Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten, Alois Mock, nach 20-jährigen Verhandlungen den Streit um die Südtirol-Autonomie die Streitbeendigungserklärung dem italienischen Botschafter in Wien, Alessandro Quaroni, übergeben, der heute in Meran zu Gast zu war. Nur wenige Tage später, am 19. Juni, notifizierten die österreichische Bundesregierung und die italienische Regierung mit jeweils eigener, aber aufeinander abgestimmter Note die Streitbeendigung an den Generalsekretär der Vereinten Nationen.
Den Weg bis zur Streitbeilegung ließ Landeshauptmann Kompatscher in seiner Rede wieder lebendig werden: vom Gruber-Degasperi-Abkommen, dem Pariser Vertrag, der völkerrechtlichen Grundlage des Südtirol-Autonomie von 1946, über das Los von Trient auf Schloss Sigmunskron 1957 über die Feuernacht, ebenfalls an einem 11. Juni und zwar im Jahr 1961, bis zum Inkrafttreten des zweiten Autonomiestatuts am 20. Jänner 1972. Dann die jahrelangen Verhandlungen um die Durchführungsbestimmungen und schließlich die nicht unumstrittene Streitbeilegungserklärung 1992.
„Südtirol steht heute dank der auf diese Weise erwirkten Autonomie kulturell und wirtschaftlich gut“, erklärte Landeshauptmann Kompatscher. Die befürchtete Assimilierung der Minderheiten sei nicht eingetreten, auch die vielzitierte ethnische Trennung in Käfige habe nicht stattgefunden. Vielmehr hätten die Schutzinstrumente der Autonomie die solide Basis geschaffen „für ein Aufeinanderzugehen, das aus einem friedlichen Nebeneinander ein sich wertschätzendes Miteinander“ mache.
Von einer armen Bergregion habe sich Südtirol zum Wohlstandsland entwickelt. „Südtirols Autonomie kostet den Staat nichts“, sagte Landeshauptmann Kompatscher, „im Gegenteil: Sämtliche öffentliche Leistungen werden durch das lokale Steueraufkommen finanziert. Darüber hinaus leistet das Land gemäß dem nunmehr auch international abgesicherten Finanzabkommen einen jährlichen Beitrag zur Sanierung des Staatshaushaltes. Südtirol zählt somit zu den wenigen Nettozahlern unter den Regionen Italiens.“
Der Landeshauptmann erwähnte auch das jüngst von der Universität Innsbruck vorgelegte Rechtsgutachten, nach dem aufgrund der Urteile des Verfassungsgerichts nach der Änderung der italienischen Verfassung im Jahr 2001 „Instandsetzungsarbeiten“ notwendig seien.
„Einige solcher Instandsetzungsarbeiten konnten in den vergangenen drei Jahren in konstruktiver Zusammenarbeit mit den Regierungen Letta, Renzi und Gentiloni mittels Erlass von neuen Durchführungsbestimmungen umgesetzt werden, andere müssen noch folgen“, zeigte sich der Landeshauptmann überzeugt.
Er betonte: „Die Autonomie muss auch heute ständig weiterentwickelt und an neue Erfordernisse angepasst werden, schon allein aufgrund der auch völkerrechtlich verbürgten Notwendigkeit, zumindest den Standard zu halten, der 1992 zur Abgabe der Streitbeendigungserklärung geführt hat.“
So soll es gelingen, Südtirols Autonomie als wirksames Schutz- und Entwicklungsinstrument zu bewahren, das Identitäten stärkt und den Mehrwert der vorhandenen Vielfalt nützt. „Eng verbunden mit unserer Heimat und stark verwurzelt in unserer Kultur und Tradition können und wollen wir offen sein“, richtete Kompatscher den Blick nach Europa und erklärte, Südtirol wolle die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Rahmen der Europaregion Tirol-Südtirol-Trentino noch stärker ausbauen, „weil wir uns mit unserem kulturellen Reichtum und unserer Mehrsprachigkeit als Brücke zwischen dem deutsch-österreichischen und dem italienischen Kultur- und Wirtschaftsraum verstehen, als kleines Europa in Europa.“
Als Akt der Kultur und der Zivilisation bezeichnete der italienische Staatspräsident Mattarella das Autonomiestatut. Die Vorgaben der Verfassung, der Gleichbehandlung und des Minderheitenschutzes seien damit erfüllt worden. Der Schutz der Minderheiten und die Autonomie seien heute im Rahmen des großen europäischen Integrationsprojektes zu sehen. „Und in dieser grenzüberschreitenden Zusammenarbeit ist Südtirol als Teil der Europaregion europäische Avantgarde“, erklärte der italienische Staatspräsident.
Einen Blick in die Geschichte warf auch der österreichische Staatspräsident Alexander Van der Bellen, der daran erinnerte, dass vor 25 Jahren nicht alle glücklich waren über die Streitbeilegung. Doch bilde sie nun einen wichtigen Baustein in der völkerrechtlichen Grundlage für den Schutz der deutschen und ladinischen Minderheit Südtirols und die Schutzfunktion Österreichs.
„Die Autonomie Südtirols gilt heute als international anerkanntes Beispiel einer Lösung von Minderheitenkonflikten“, sagte Van der Bellen, sie habe eine Entwicklung ermöglicht, von der alle Sprachgruppen in gleichem Maße profitieren konnten. Für die Zukunft gelte es, die „Autonomie den Bedürfnissen aller Sprachgruppen anzupassen und sie weiterentwickeln“. „Bei Anpassung“, so der österreichische Staatspräsident, „zählen wir darauf, dass Italien den bewährten Weg der Abstimmung mit Österreich weitergehen wird.“
An seinen italienischen Amtskollegen gerichtet, betonte Van der Bellen, es sei das zweite Mal, dass er mit Staatspräsident Mattarella zusammentreffe: „Das ist Ausdruck des engen Verhältnisses, das unsere Beziehungen bestimmt und Südtirol ist dabei ein Faktor, der nicht mehr trennt, sondern uns zusätzlich verbindet.“
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