Der Autonomie-Check
Die Professoren Walter Obwexer und Esther Happacher haben den „Gesundheitszustand“ der Südtirol-Autonomie unter die Lupe genommen: Die Entwicklung seit der Streitbeilegung 1992 ist von Licht und Schatten gekennzeichnet.
Von Matthias Kofler
„Es gibt Licht und Schatten.“ Mit diesen Worten fasst Landeshauptmann Arno Kompatscher die Ergebnisse der Studie zusammen, welche die Rechtsprofessoren Walter Obwexer vom Institut für Europarecht und Völkerrecht und Esther Happacher vom Institut für Italienisches Recht der Universität Innsbruck im Auftrag der Landesregierung durchgeführt haben.
Das 600-Seiten-Komglomerat ist eine Art „Gesundheitscheck“ der Südtirol-Autonomie seit der Streitbeilegungserklärung im Jahre 1992.
Rom und Wien seien über das Gutachten bereits in Kenntnis, berichtet der LH. Es falle also „niemand vom Hocker“. Alle Interessierten können in Kürze im Netz Einblick in das Rechtsgutachten nehmen.
Walter Obwexer erklärt die Vorgehensweise bei der Erstellung des Rechtsgutachten: Die Entwicklung der Autonomie sei aus der Sicht des Völkerrechts, aus jener des Unionsrechts und schließlich aus jener des italienischen Verfassungsrechts unter die Lupe genommen worden. Geprüft wurden primäre, sekundäre und tertiäre Zuständigkeiten des Landes und deren Entwicklung von 1992 bis heute.
„Die Streitbeilegung kommt einer völkerrechtlichen Bindung gleich. Alles was an Zuständigkeiten nach 1992 eingeschränkt wird, kann nur bei Zustimmung oder zustimmendem Stillschweigen Österreichs erfolgen“, so Obwexer.
Veränderungen brachte auch das EU-Recht, dessen Grundfreiheiten beispielsweise die Autonomiebestimmungen einschränkten, das aber auch eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der Europaregion möglich gemacht hat.
Zum Teil positiv, zum Teil negativ hätte sich auch die Verfassungsreform 2001 ausgewirkt, analysiert Obwexer: So wurde beispielsweise der bis dahin für Landesgesetze notwendige Sichtvermerk abgeschafft. Allerdings wurden die ausschließliche Gesetzgebungsbefugnis des Staates neu definiert und sogenannte transversale Zuständigkeiten festgelegt, für die der Staat bindende Vorgaben macht, dazu gehören unter anderen das Wettbewerbsrecht, das Zivilrecht oder die Sozialgesetzgebung.
Und gerade diese transversalen Zuständigkeiten sind es, die Südtirols Autonomie letzthin zu schaffen machten, wie Professorin Esther Happacher auch anhand einer Reihe von Beispielen ausführt, darunter die Raumordnung, die Personalordnung, die Berufsordnung. Sie hätten dazu beigetragen, dass es seit der Verfassungsreform keinen Parallelismus zwischen Gesetzgebung und Verwaltung mehr gäbe.
„Seit 1992 sind sowohl Erweiterungen als auch Einschränkungen zu verzeichnen“, fasste Autorin Happacher die Ergebnisse zusammen. Zahlenmäßig sei der Befund ausgeglichen, wobei einigen der Einschränkungen der Südtirol-Autonomie, die der Staat getroffen hat, Unionsrecht zugrunde liege.
Als Kompetenzbereiche, in denen seit 1992 keine wesentlichen Veränderungen verzeichnet wurden, sind der geschlossene Hof, der Landschaftsschutz im engeren Sinn und die Seilbahnen zu nennen. Eine Erweiterung haben hingegen die Kompetenzen für den Straßenbau, die Energie, den Tourismus, die Jagd, den Gesundheitsschutz und das Kommunikationswesen erfahren. Einschränkungen gab es bei der Ämterordnung, dem Personal, der Raumordnung, dem Umweltschutz, dem Wettbewerb, den Mindeststandards für soziale und bürgerliche Rechte und bei der Zivilgesetzgebung.
Sowohl eine Einschränkung als auch einen Ausbau hat der Tourismus erfahren, weil die Berufe im Fremdenverkehr nun staatliche Kompetenz sind, während die allgemeine Kompetenz für den Tourismus aus Südtiroler Sicht erweitert werden konnte.
Die Studie kostete insgesamt 81.200 Euro.
Ähnliche Artikel
Kommentar abgeben
Du musst dich EINLOGGEN um einen Kommentar abzugeben.