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Gefangen in Australien

Foto: 123RF.com

Der unglaubliche Fall zweier Mädchen (und ihrer Südtiroler Mutter), die vom Bozner Jugendgericht gezwungen wurden, Ende April zu ihrem in Australien lebenden Vater zurückzukehren. Und nun in einem Frauenhaus leben müssen.

von Thomas Vikoler

„All gone bitch“. Dieser unschöne Satz steht unter einem Foto, welches der Ehemann seiner Noch-Ehefrau via Facebook zuschickte. Es zeigt einen Haufen mit Kleidern und Spielzeug, die in Flammen aufgehen. Offenbar angezündet vom Absender, der sich darüber zu freuen scheint, dass die „Hure“ ihn verlassen hat.

Das ist eines der Beweisstücke, mit denen der Anwalt Alexander Kritzinger den Senat des Bozner Jugendgerichts davon überzeugen wollte, dass es ein Fehler wäre, die Rückführung der beiden Töchter des Ehepaares – drei und fünf Jahre alt – von Südtirol nach Australien anzuordnen.

Doch genau dies ist eingetreten: Am 25. April dieses Jahres – drei Tage vor der vom Bozner Jugendgericht vorgeschriebenen Frist – bestiegen die beiden Mädchen in Begleitung ihrer Mutter ein Flugzeug, um zu ihrem Vater zurückzukehren.

Einen Tag nach ihrer Ankunft kam es dort zu einem folgenschweren Zwischenfall.

Der vorläufige Epilog eines unglaubliches Falles, der 2006 seinen Ausgang nimmt. Eine heute 36-jährige Südtirolerin lernt in Innsbruck einen um acht Jahre älteren Australier kennen. Sie ziehen in das Herkunftsland des Mannes, wo sie am 22. November 2009 heiraten. 2011 und 2013 werden die gemeinsamen Töchter geboren.

Wegen eines Alkoholproblems des Mannes kommt es immer wieder zu Spannungen und Gewalttätigkeiten, im September 2015 zieht die Mutter, zunächst alleine, dann mit den Töchtern aus dem gemeinsamen Haushalt aus. Ein örtliches Gericht entscheidet mit der formellen Trennung, dass die Kinder vorläufig bei der Mutter bleiben dürfen.

Im Mai 2016 kommt es zu einer weiteren Eskalation des elterlichen Streits. Der Vater kauft der Frau und den Kindern Tickets für einen Flug nach Italien. Ohne Rückflug und mit der Aufforderung „endgültig abzuhauen“.

Die Südtirolerin nimmt dies wörtlich und lebt in der Folge mit ihren beiden Töchtern in ihrem Elternhaus. Der Vater meldet sich einen Monat später und bedauert seine Alkoholexzesse. Er bittet um eine zweite Chance. Im September 2016, nachdem das Landesgericht Bozen im Scheidungsverfahren der Mutter vorläufig das alleinige Sorgerecht zugesprochen hatte (die Verfügung gilt bis heute), wird der Vater juristisch aktiv: Er beantragt die Rückführung der beiden Kinder im Sinne des Übereinkommens aus dem Jahre 1980. Zunächst bei einem australischen Gerichts, das den Fall an das Jugendgericht Bozen weiterleitet.

Der Mutter wird unterstellt, ihre Kinder entführt zu haben.

Vor dem Bozner Jugendgericht kommt es am 22. Februar zur entscheidenden Verhandlung. Der Vater ist anwesend. Staatsanwältin Antonella Fava beantragt die Rückkehr der beiden Töchter nach Australien, die dortigen Gerichte müssten über das Sorgerecht entscheiden.

Am 3. März trifft der Richtersenat seine Entscheidung: Die Kinder müssen bis spätestens 28. April nach Australien zurückkehren. „In Bezug auf das Alkoholproblem des Vaters besteht kein Risiko für die beiden Kinder“, heißt es in der Begründung. Die beiden Töchter seien in Australien ausgewachsen und sprächen fehlerhaft Deutsch. Einen Antrag von Anwalt Alexander Kritzinger, der die Urteilsbegründung als „haarsträubend“ bezeichnet (das Gericht habe allein die Argumente des Vaters gewürdigt), auf Aussetzung weist das Gericht am 19. April ab.

Und was passierte in Australien? Am Tag nach der Ankunft wird die Mutter unter Polizeischutz mit den Töchtern in ein Haus für geschützte Frauen gebracht, wo sie seither leben. Der Vater war handgreiflich gegen seine Ex geworden, ein Gericht verhängte gegen ihn ein Annäherungsverbot. Unter Androhung von zwei Jahren Haft.

Weil die Bozner Rückführungs-Anordnung weiterhin gilt, können Mutter und Kinder nicht nach Südtirol zurückkehren. Die Kassation entscheidet demnächst über deren Rechtmäßigkeit.

LESEN SIE MORGEN AUF TAGESZEITUNG ONLINE:

Das Interview mit Anwalt Alexander Kritzinger: „Die Carabinieri hätten sie abgeholt“

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