„Kompatscher ist ein Glücksfall“
SVP-Vizeobmann Karl Zeller will nach seinem Ausscheiden aus dem Senat nicht dem Club der beleidigten Leberwürste beitreten. Er verrät, dass er Vizepräsident des Senats hätte werden können. Und er watscht die Träumer in der Opposition ab.
TAGESZEITUNG Online: Herr Senator, wie fühlt man sich, wenn man am Ende einer erfolgreichen Parlamentarierkarriere steht?
Karl Zeller: Gut, weil ich mit einer gewissen Zufriedenheit auf das zurückschauen kann, was ich in Rom gemacht habe. Meine Mission geht bald zu Ende. Das, was ich erreicht habe, hätte ich mir zu Beginn meiner Karriere nie erträumen können.
Einige Ihrer Kollegen sind nach dem Ende der Polit-Karriere in ein schwarzes Loch gefallen. Sie befürchten nicht, dass Sie irgendwann ganz verbittert jammern werden: Kein Schwein ruft mich an …
(lacht) Ich trete ganz sicher nicht dem Club der frustrierten und unzufriedenen Mauler und auch nicht dem Verein der beleidigten Leberwürste bei. Außerdem bin ich Anwalt, ich habe eine Beschäftigung.
Als Chef der Autonomie-Fraktion waren Sie de facto Vorsitzender einer Partei, die meist das Zünglein an der Waage war. Also hatten Sie eine geballte Verhandlungskraft. Wie haben Sie diese Macht für Südtirol genutzt? Was hätten wir nicht bekommen, wenn Sie die verschiedenen Regierungen nicht immer sanft erpresst hätten?
Erpressen ist der falsche Begriff. Wenn wir in den letzten Jahrzehnten in Rom vieles erreicht haben, dann waren eine Summe von Faktoren entscheidend. Zum einen das Wahlbündnis mit dem PD. Dann unser täglicher Einsatz in Rom, die Regierung brauchte ja Tag für Tag unsere Stimmen. Und der dritte Faktor ist sicherlich das politische Gewicht, das die Autonomiegruppe genießt, der prestigereiche Mitglieder wie Ex-Staatspräsident Napolitano angehören. Bis zum Tod von Carlo Azeglio Ciampi hatte die Autonomiegruppe 20 Mitglieder. Die PD-Fraktion hat 113 Mitglieder, Alfano hat 29. Wir waren also die drittstärkste Fraktion.
Sie waren/sind eine Regierungpartei?
War waren fast so groß wie Alfano. Wir haben allerdings auf Posten verzichtet, dafür haben wir die Kompetenzen heimgeholt. Dieser Verzicht auf Posten hat in Rom Eindruck gemacht. Aber Posten kommen und gehen, die Durchführungsbestimmungen aber bleiben.
Ein Ministeramt hätte Sie nie gereizt?
Ich hätte leicht Minister werden können, allerdings hätten wir dann keine Durchführungsbestimmungen bekommen.
Sie haben Ihre Karriere der Autonomie geopfert?
Gerade in den letzten Monaten wurde mir mehrmals angeboten, Vize von Senatspräsidenten Pietro Grasso zu werden. Ministerpräsident Paolo Gentiloni hat mich sogar angerufen und mir den Posten angeboten. Ich habe dankend abgelehnt, obwohl dieses Amt mit unserer Parteidoktrin vereinbar gewesen wäre, weil es sich ja nicht um eine direkte Regierungsbeteiligung gehandelt hätte.
Aber Sie haben abgelehnt?
Ja, denn wenn du in Rom einen Posten nimmst, dann heißt es: „Tu hai avuto.“ Es gibt also keine Kompetenzen. Auch hätte ich als Vorsitzender der Autonomiegruppe zurücktreten müssen.
Nun kommen Sie zurück nach Südtirol. Sie sind zum Vize-Parteiobmann gewählt worden. Wollten Sie das werden oder wurden Sie bekniet?
Beides. Es war ein Angebot, das ich der Partei gemacht habe, weil ich viele Kontakte in Wien und Rom habe. Dadurch, dass wir die Parteiführung stark erneuert und verjüngt haben, kann ich meine Erfahrung einbringen, wobei ich mich aber nicht aufgedrängt habe.
Wie steht die SVP da?
Die SVP ist eine der wenigen Volksparteien, die den Populisten die Stirn bietet.
Kann das gutgehen, wenn der römische Königsmacher zurück in die Provinz kommt, wenn eine Diva zum Parteisoldaten wird?
Ich war immer schon ein Parteisoldat, ich war 27 Jahre lang in ehrenamtlichen Positionen im Bezirk. Meine Rolle als Vizeobmann sehe ich eher, in außenpolitischen Sachen beratend tätig zu sein.
Sie werden nicht der heimliche Obmann?
Nein, sicher nie! Ich bin nicht mehr beim Aufbauen, sondern beim Abbauen meiner Karriere. Aber ich bin nicht einer, der einfach von Bord geht, nach dem Motto: Nach mir die Sintflut.
Welche Art von Vizeobmann wollen Sie sein?
Ich werde dem Obmann Hilfestellung leisten. Wenn er sagt, ich soll ihn bei einer Podiumsdiskussion über Toponomastik vertreten, dann mache ich das. Ich werde mich sicher nicht in den Vordergrund drängen. Das ist nicht mehr meine Sache.
Gibt es einen zweiten Zeller? Wer wird die Weiterentwicklung der Autonomie gestalten?
Wir haben eine neue Parlamentariergruppe, die – so hoffe ich – in der nächsten Legislatur bestätigt wird. Die SVP wäre schlecht beraten, wenn Sie die Leute austauschen würde, die in den vergangenen Jahren wichtige Erfahrungen gesammelt haben.
Das heißt, Sie wären dagegen, dass Daniel Alfreider als Landesrat nach Bozen kommt?
Ich wäre dafür, dass er in Rom bleibt, weil er dort – wie die anderen auch – einen guten Job gemacht hat. Statt mir und Hans Berger kommen eh schon zwei Neue. Alles auf Null zu stellen, das hieße für die SVP, in Rom zur Bedeutungslosigkeit verdammt zu sein.
Die SVP hatte nach dem Politiker-Rentenskandal und nach den Wirren der Sanitätsreform ein Motivationstief. Wie steht die SVP jetzt da?
Ich glaube, dass die SVP alle Chancen hat, nicht nur bei den Parlamentswahlen, sondern auch bei den Europawahlen und bei den Landtagswahlen gut abzuschneiden. Wir sind gut aufgestellt. Der Landeshauptmann hat einen Super-Job gemacht. Für uns ist Arno Kompatscher ein Glücksfall!
Nicht alle in Ihrer Partei sind dieser Meinung …
Es war nicht selbstverständlich, dass wir nach den zwei Super-LH’s Magnago und Durnwalder einen neuen LH haben, der eine gute Figur in Brüssel und Rom abgibt …
… der aber in Bozen noch seine Schwierigkeiten hat?
Seine Leistungen werden zu Unrecht verkannt. Wenn man objektiv ist, kann man feststellen, dass Südtirol heute blendend dasteht. Wir haben Vollbeschäftigung, mit der Wirtschaft geht es aufwärts. Nur wenn man Tomaten auf den Augen hat, kann man das Gegenteil behaupten.
Die volkstumspolitische Flanke ist der SVP weggebrochen. Was sollte die Partei tun? Warum züchten Sie keinen neuen Pahl?
Weil dieses Feld von anderen Parteien beackert wird. Die SVP ist eine Partei, die Ergebnisse bringen muss. Es macht wenig Sinn, wenn wir die Opposition auf deren Feld, auf dem Feld der Träume schlagen wollen. Wir sind keine Träumerpartei, sondern Regierungspartei. Von uns erwartet man Ergebnisse. Die Opposition bellt den Mond an und schreit nach Selbstbestimmung, sie muss aber nie liefern. Die SVP liefert, sie ist die einzige Partei in Südtirol, die liefern kann. Und die Menschen vertrauen der SVP und nicht den Phantasten.
Wie realistisch ist es, dass die SVP 2018 wieder die absolute Mehrheit erreicht? Ist die Absolute das Ziel?
Ich glaube, dass die SVP 50 plus machen kann, nicht nur die Absolute an Sitzen. Die SVP steht im Vergleich zu den letzten Jahren besser da. Wir haben einige Baustellen, wie etwa das Gesundheitswesen. Aber auch die Opposition ist nicht in einer Bombenverfassung.
Wie sollte die SVP mit den Italienern in Südtirol umgehen?
Mit den Italienern haben wir ein Problem. Entgegen den Unkenrufen der Opposition, laut denen die Deutschen in Südtirol unterdrückt werden, werden wir immer dominanter. Die italienische Sprachgruppe befindet sich auf dem Rückzug: politisch und wirtschaftlich. Und sie ist noch dazu zersplittert. Auch für uns als SVP ist diese keine optimale Situation, weil die Italiener in eine Defensivhaltung gehen. Dann geschehen Dinge wie bei der Toponomastik.
Was tun?
Die deutschsprachige Opposition behauptet, das Deutschtum sei in Gefahr. Ich glaube, eher, das Gegenteil ist der Fall. Objektiv gesehen sind die deutsche und die ladinische Sprachgruppe im Vormarsch, die Italiener schwächeln.
Was kann die SVP für die Italiener tun? Sich öffnen?
Das ist ganz schwierig. Das müssen die Italiener hauptsächlich selber regeln. Wir können vertrauensbildende Maßnahmen setzen, aber wir können sie nicht bevormunden. Die Italiener waren es, die keine Wahlhürde wollten, sie kämpfen alle für ein Restmandat. Deswegen sind sie so zersplittert.
Blicken wir nach Österreich, wo Sebastian Kurz eine Art alpenrepublikanischer Macron werden will. Gibt es in Südtirol einen Politiker mit einer Strahlkraft eines Sebastian Kurz?
Jeder ist anderes. Logisch haben wir keinen Sebastian Kurz. Wir haben einen Philipp Achammer, der ein ähnliches Alter hat …
… und das Format eines Sebastian Kurz?
Das kann man nicht vergleichen. So eine Ausnahmeerscheinung wie Kurz hat es in Österreich und auch in Italien noch nie gegeben.
Sie sind ein enger Freund von LH Kompatscher. Wie erklären Sie sich, dass das rechte Lager sich so sehr gegen eine Wiederkandidatur Kompatschers stellt.
Diese Kreise wünschen sich nichts sehnlicher, als dass es Südtirol schlecht geht. Das wäre für sie der Belegt, dass die Autonomie Mist ist. Der LH fährt konsequent seinen Weg, auch in der Einwanderungsfrage. Diese Linie gefällt diesen Leuten nicht. Diese Leute werden dann noch rasender, wenn der LH Zahlen vorweisen kann, laut denen die Jugendarbeitslosigkeit in Südtirol auf einem Rekordtief ist und wir Vollbeschäftigung haben. Es ist schon blöd, als Oppositioneller in Südtirol wäre ich auch frustriert. Sicher wurden auch Fehler gemacht, aber es ist für die Opposition schwierig, den Leuten zu erklären, dass es in Südtirol nicht läuft, denn jeder sieht die Auftragsbücher der Handwerker, um nur ein Beispiel zu nennen.
Im sozialen Bereich gibt es Baustellen?
Es wurde auch in diesem Bereich viel getan, denken Sie an die Steuerentlastung für den Mittelstand, an den sozialen Wohnbau. Es gibt noch viel zu tun. Aber Südtirol ist die Nummer 23 in Europa, die Nummer 1 in Italien. Wir sind auf der Ebene des Bundeslandes Salzburg, das nicht das ärmste unter den Bundesländern ist. Also kann man schon sagen: Ganz schlecht kann es nicht sein.
Glauben Sie, dass Bauernbund und Athesia einen Gegenkandidaten gegen Kompatscher aufbauen werden?
Ich glaube, das sind Spekulationen. Der LH sitzt so fest im Sattel, dass er keinen Gegenkandidaten scheuen oder fürchten muss. So dumm sind die Menschen nicht, dass sie das beste Pferd wieder in den Stall stellen.
Wird die SVP ab 2018 mit den Grünen regieren?
Alles hängt vom Wahlergebnis ab. Wir haben das Verhältniswahlrecht. Eine der Stärken der SVP ist, dass sie koalitionsfähig in alle Richtungen ist. Was Rom angelangt, so würde ich davor warnen, die lange und erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem PD auf den Misthaufen der Geschichte zu werfen.
Mal ganz ehrlich: Eine der schlimmsten Niederlagen für Sie war der Wahlsieg von Paul Rösch in Meran?
(lacht) Ja, der hat sehr geschmerzt. Das war eine historische Niederlage. Aber ich glaube, dass die neue SVP-Führung in Meran die Stadt wieder zurückholen wird. 2020 messen wir uns wieder mit Paul Rösch und werden versuchen, die Scharte auszuwetzen.
Interview: Artur Oberhofer
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