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Sagen als Kulturerbe?

lorenziniDie ladinischen Sagen als Unesco-Weltkulturerbe: Universitätsprofessor Paul Videsott über das Besondere an diesen Geschichten, die ursprüngliche Idee und die Chancen auf Erfolg.

TAGESZEITUNG Online: Die ladinischen Sagen als Weltkulturerbe: Wie wurde die Idee dazu geboren, Herr Videsott?

Paul Videsott: Ursprünglich wollten wir den Antrag für die ladinische Sprache selbst stellen. Laut italienischer Übersetzung der Unesco-Richtlinien wäre das möglich gewesen, sie stellte sich aber als falsch heraus. Laut englischsprachigem Original können nur über die Sprache vermittelte Kulturgüter das Prädikat erhalten. Deswegen die Idee mit den Sagen.  

Welche Vorteile verspricht man sich davon, die Sagen als immaterielles Weltkulturerbe deklarieren zu lassen?

Die ladinischen Sagen erfüllen alle Bedingungen, um in die Unesco-Liste aufgenommen zu werden. Sie sind ein verbindendes Element zwischen den fünf Tälern und auch mit dem rätoromanischen Graubünden. Bereits von der Bewerbungsphase versprechen wir uns ein intensives Studium der Sagen einerseits, und ein neues Bewusstsein in der Bevölkerung um ihren Wert andererseits. Die Bewerbung soll auch die innerladinischen Kontakte stärken. Die Sagen spiegeln ja sehr gut die Mentalität der ursprünglichen Dolomitenbewohner wider. Die Dolomiten sind von der Unesco bereits anerkannt. Nun käme eine Kulturleistung der hier lebenden Menschen dazu.

Welche Rolle kommt Ihnen dabei zu?

Ich bin einer von insgesamt 13 Mitgliedern des „Comité Lingaz Ladin“. Ihm gehören Persönlichkeiten aus Kultur und Politik aller fünf ladinischen Täler an. Treibende Kraft ist Marina Crazzolara aus St. Kassian. Ich werde mit anderen den wissenschaftlichen Aspekt der Bewerbung betreuen.

Glauben Sie, dass tatsächlich eine Chance auf Ausweisung als Weltkulturerbe besteht, der Egetmann ist ja abgeblitzt?

Die Bewerbungsphase dauert mehrere Jahre. Wir stehen erst am Anfang. Bei solchen Anträgen ist bereits der Weg ein wichtiges Ziel.

Gibt es Gemeinsamkeiten zwischen den  Dolomitensagen und ähnlichen Geschichten aus Graubünden, um sich zusammen  bewerben zu können?

Ja, z.B. die Altertümlichkeit der wichtigsten Motive, die kaum vom Christentum überlagert worden sind, darunter die Präsenz von weiblichen Leitfiguren. In beiden Fällen sind die Sagen ein „versteckter“ Beginn der jeweiligen Literaturen, nachdem das Ladinische und das Bündnerromanische erst relativ spät verschriftet worden sind.

Beschäftigen Sie sich schon lange mit ladinischen Sagen? Was ist das Besondere daran?

Mich interessieren die Sagen insbesondere als sprachlicher Überlieferungsträger. Sie ersetzen teilweise die fehlende ältere Literatur. Mit der Motivforschung haben sich hingegen bereits andere beschäftigt, insbesondere Ulrike Kindl. Sie hat in den ladinischen Sagen Motivkerne erblickt, die so erst wieder in Zentralasien auftauchen.

Interview: Silke Hinterwaldner

 

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