Flucht nach vorne
Nachdem der SVP die rechte Flanke gänzlich weggebrochen ist, formiert sich die volkstumspolitische Szene in Südtirol neu. Wer sich in Hinblick auf die Wahlen 2018 wie positioniert.
von Artur Oberhofer
Nach außen hin spielt Elmar Thaler die Sache herunter. „Nur weil jemand bei den Schützen ist, bedeutet das nicht, dass er auf Lebenszeit keine politischer Ämter bekleiden darf.“ Gleichwohl ist der Landeskommandant des Südtiroler Schützenbundes mit zwei seiner bislang wichtigsten Mitarbeiter verschnupft.
Dass der Meraner Bezirksmajor Andreas Leiter Reber für das Obmann-Amt bei den Freiheitlichen kandidiert, stößt Elmar Thaler sauer auf. Aber noch mehr stört den Landeskommandanten der Umstand, dass sein ehemaliger Statthalter im Burggrafenamt im Falle seiner Wahl zum Freiheitlichen-Chef den amtierenden Bundesgeschäftsführer des Schützenbundes, Florian von Ach, zu seinem Generalsekretär machen will.
„Diese Personalie hat Elmar Thaler sehr geärgert, auch weil er davon erst aus den Medien erfahren hat“, sagt ein Mitglied der SSB-Bundesleitung im Hintergrundgespräch mit der TAGESZEITUNG.
Für viele Schützen kam die Nachricht, dass das Duo Leiter Reber/von Ach das Ruder bei den Freiheitlichen das Ruder übernehmen will, wie der sprichwörtliche Blitz aus heiterem Himmel. Von Andreas Leiter Reber war bekannt, dass ihn eine politische Karriere reizen würde. Der Obstbauer saß auch für die Freiheitlichen im Marlinger Gemeindeparlament. „Er will auf politischer Ebene etwas bewegen“, sagt ein Schütze aus Meran, der eng mit Leiter Reber befreundet ist.
Völlig überraschend war für viele Federhutträger, dass Andreas Leiter Reber mit Florian von Ach im Schlepptau das blaue Abenteuer angeht. „Florian von Ach war in der Vergangenheit nie als Freiheitlicher in Erscheinung getreten“, so ein Mitglied der SSB-Bundesleitung, „eher hätten wir ihn der SVP zugerechnet.“
Zu Andreas Leiter Rebers Team gehört auch der Bozner Anwalt Otto Mahlknecht, der zuletzt auf der SVP-Liste für den Bozner Gemeinderat kandidiert hat.
Den auf den ersten Blick schwer zu durchschauenden Bewegungen und Spielchen im volkstumspolitischen Lager liegt eine Regie zugrunde.
Auslöser der Umwälzungen im rechten Lager ist zum einen Umstand, dass der Südtiroler Volkspartei unter Obmann Philipp Achammer und LH Arno Kompatscher die rechte Flanke gänzlich weggebrochen ist.
Die Front der (volkstumspolitisch) Unzufriedenen orientiert sich mit Blick auf die Landtagswahlen 2018 neu – auch außerhalb der SVP.
Hinzu kommt, dass es auch innerhalb des Südtiroler Schützenbundes zwei Seelen gibt: Auf der einen Seite steht die Bundesleitung, die volkstumspolitisch stur und militant die Linie „Zurück zu Österreich“ fährt.
Unter Landeskommandant Elmar Thaler, der selbst der Süd-Tiroler Freiheit zuzurechnen ist, sind die Historikerin Margareth Lun und der Ex-Skinhead Ephrem Oberlechner zu den wichtigsten Figuren im Schützenbund aufgestiegen. Margareth Lun, die Ex-Frau von Peter Paul Rainer, gilt inzwischen als die heimliche Ideologin des Schützenbundes.
„Die fährt noch die härtere Linie als ihr Ex-Mann“, heißt es im Schützenbund hinter vorgehaltener Hand. Und Ephrem Oberlechner steht vielen Schützen zu weit rechts. Andererseits war dem Duo Lun & Oberlechner der Freistaat-Kurs der Meraner Schützen immer ein Dorn im Auge, weil dieser impliziert, dass man gemeinsam mit den Italienern im Land an einem Zukunftsmodell bastelt.
Vor dem Hintergrund dieses Konfliktes über die volkstumspolitische Stammtischhoheit war es eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis Schützen-Funktionäre wie Andreas Leiter Reber, die nicht nur an Sonntagen ausrücken und strammstehen, sondern auch politisch etwas bewegen wollen, die Flucht nach vorne antreten – wenn sich denn eine Gelegenheit bietet.
Und diese einmalige Chance – so ist ein SSB-Bundesleitungsmitglied felsenfest davon überzeugt – bietet sich jetzt, wo die Freiheitliche Partei am Boden liegt und ein neuer Obmann gesucht wird. „Da gibt es eine Partei, die nur darauf wartet, übernommen zu werden“, so formuliert es der SSB-Spitzenmann, „es kann etwas interessantes Neues entstehen.“
Da eine Partei, die in einer tiefen Sinnkrise steckt, dort Kräfte, die etwas bewegen möchten. Die Wege der enttäuschten SVP-ler und der unzufriedenen Schützen haben sich irgendwann gekreuzt. „Es gibt viele gemeinsame Schnittstellen“, sagt einer aus dem Team von Andreas Leiter Reber, der namentlich nicht genannt werden möchte.
Was anfangs als plumpe feindliche Übernahme der Freiheitlichen durch die Schützen aussah, entpuppt sich immer mehr als Versuch der Emanzipierung. Mit anderen Worten: Die Fraktion, die im Südtiroler Schützenbund nicht die „Zurück zu Österreich“-Linie vertreten hat und jene heimatlosen Volksparteiler, denen die SVP zu weit nach links abgedriftet oder zu grün ist, sehen die Chance, ihre Ideen auf politischer Ebene zu verwirklichen, ohne eine neue Partei gründen zu müssen. Sie könnten nun bei den Blauen eine neue politische Heimat finden.
Die Situation würde sich in Hinblick auf die Wahlen 2018 entscheidend ändern: Denn bislang hat sich der Schützenbund mit der Süd-Tiroler Freiheit faktisch eine Partei gehalten, die stark die „Zurück zu Österreich“-Linie fährt. Bei einem eventuellen Sieg des Schützen Andreas Leiter Reber bei der F-Obmann-Wahl käme es auf politischer Ebene zu einem Wettbewerb der verschiedenen Zukunftsmodelle: „Zurück zu Österreich“ oder Freistaat mit den Italienern.
Diesen Wettbewerb wollten die derzeit maßgeblichen Kräfte im Schützenbund immer unterbinden.
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