Die Streaming-Gefahr
TAGESZEITUNG Online: Herr Schnitzer, was ist Streaming?
Thomas Schnitzer: Durch den technischen Fortschritt, insbesondere im Bereich der Übertragungsgeschwindigkeiten, wird es dem Nutzer ermöglicht, neben dem herkömmlichen Download von Dateien durch das Streaming-Verfahren ganze Medieninhalte, wie zum Beispiel Filme direkt aus dem Netz und damit fast in Echtzeit abzuspielen.
Wird der Film also heruntergeladen?
Nein, diesen Prozess nennt man Filesharing. Anders als beim Filesharing geht beim Streamen eben kein vollständiger Download einher, sondern es findet eine kontinuierliche Datenübertragung zwischen Server und Fernseher, Tablet oder Smartphone statt. Es wird hier zwischen Live-Streaming und On-Demand-Streaming unterschieden. Live-Streaming finden wir im Bereich der Sportübertragungen direkt über die Internetseite eines Senders und unabhängig vom Server. Beim On-Demand-Streaming (wie z.B. Youtube) hingegen, lädt sich der Nutzer auf Abruf die Daten auf sein Endgerät. Damit ist eine Zwischenspeicherung auf dem Endgerät vor dem eigentlichen Abspielen notwendig und hier knüpft der Europäische Gerichtshof an.
Welche Auswirkungen hat das Urteil des EuGH?
Grundsätzlich hat der Europäische Gerichtshof mit diesem Urteil die Rechte der Urheber gestärkt. Das Streaming ist eine „öffentliche Wiedergabe“ von geschützten Werken und somit – nicht wie bisher – vom Vervielfältigungsrecht ausgenommen. Wenn sich der Nutzer freiwillig und in Kenntnis dieser Sachlage Zugang zu einem kostenlosen und nicht zugelassenen Angebot geschützter Werke verschafft, dann begeht er eine Urheberrechtsverletzung.
Ist es jetzt also illegal Filme oder Serien zu streamen?
Ja, denn bisher galten Nutzer als relativ sicher, weil sie zwar illegal angebotene Inhalte privat konsumierten, aber nicht öffentlich weiterverbreiteten. Grundlage der Entscheidung bildet die Ansicht EuGH, dass „wer geschützte Inhalte streamt, durchaus erkennen würde, dass es sich dabei um ein unerlaubtes Angebot handelt“. Für den Nutzer führt eben bei den On-Demand-Angeboten die technisch notwendige Vervielfältigung durch Zwischenspeicherung dazu, dass er ohne Zustimmung des Urhebers dessen Rechte verletzt.
Hat der Nutzer eine Möglichkeit sich zu schützen?
Ja, der Nutzer könnte einwenden, dass er die Vervielfältigung zum privaten Gebrauch erstellen darf und wäre damit in Ordnung, sofern eben nicht eine offensichtlich rechtswidrig hergestellte gemachte Vorlage verwendet wird. Aber der Portalbetreiber selbst begeht selbst eine Urheberrechtsverletzung, wenn er nicht die entsprechenden Rechte vom Urheber besitzt. Eine Vervielfältigung durch den Nutzer knüpft demnach hier an und stellt gleichfalls eine Urheberrechtsverletzung dar.
Wie war die Rechtslage bisher?
Man kann bisher nicht von einer hohen Rechtssicherheit sprechen. Insbesondere, weil erst seit kurzem Klarheit besteht, dass Streaming im juristischen Sinne eine Vervielfältigung (also eine Kopie der Inhalte) voraussetzt und somit auch vom Nutzer und nicht nur vom Portalbetreiber die Urheberrechte einzuhalten sind und der Nutzer sich bei offensichtlichen Verletzungen nicht auf das Recht auf Privatkopie verlassen kann.
Welche Seiten sind jetzt gefährlich für den Nutzer?
Selbstverständlich jene Seiten, welche Streaming von Kopien von offensichtlich rechtswidrig hergestellten oder öffentlich zugänglich gemachten Vorlagen anbieten. Das sind Filme auf Portalen, deren Betreiber nicht Inhaber der Vervielfältigungsrechte des Urhebers sind.
Mit welchen Strafen muss man rechnen?
Diese hängen vom Sachverhalt und der genauen Verletzung der Rechtsnorm ab. Sicher ist, dass man von den Behörden strafrechtlich verfolgt werden kann und nicht nur an den Urheber zivilrechtlich Schadenersatz bezahlen muss, sondern tatsächlich auch mit Haftstrafen sanktioniert werden kann.
Wer würde die Klage an den Nutzer einreichen?
In der Regel wird mit einer Abmahnung 7von einem Anwalt im Auftrag eines Urhebers die Unterlassung des rechtsverletzenden Verhaltens gefordert und Schadenersatz, samt der so genannten „Abmahnkosten“, verlangt.
Was können Eltern tun, damit ihre Kinder nicht in die Streaming-Falle tappen?
Kinder unter 14 Jahren sind vor dem Strafrichter nicht straffähig. Was so viel heißt, dass sie nicht mit strafrechtlichen Sanktionen rechnen müssen. Strafrecht ist immer auf die Person bezogen und somit haften die Eltern auch nur für die zivilrechtlich Schäden, welchen ihre Kinder anrichten. Insbesondere wenn die Aufsichtspflicht verletzt wird. Eltern ist deswegen stark anzuraten den Internetkonsum der Kinder zu kontrollieren bzw. mit ihnen über deren Verhalten im Internet zu sprechen. Ich kann nur sagen, dass sich in meiner Kanzlei die Fälle häufen, in welchen Kinder im Internet zu Straftätern werden! In vielen Fällen sind sich die Kinder und auch die Eltern der Tragweite z.B. einer Bedrohung im Internet nicht bewusst.
Interview: Markus Rufin
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