„Achtung vor Tourismusblase“
Für den Tourismus war die Saison 2015 ein Allzeit-Rekordjahr. Die Grünen sehen die Entwicklung kritisch und stellen fest, dass die Rekorde ohne Airport möglich waren.
Die Saison 2015/16 war – wie Astat dokumentiert – ein Allzeit-Rekordjahr für Südtirols Tourismus, der erstmals die Marke von 30 Mio. Nächtigungen übersprungen hat.
Damit liegt Südtirol zwar weit hinter den 45 Mio. Nächtigungen Tirols, aber ein Höhepunkt ist erreicht. Der Trend ist gut für Beschäftigungslage und Tourismusbetriebe, für Handwerk, Lieferanten und Bauwirtschaft, die sich gleichfalls seit vier Jahren im Hoch befindet.
Das Topjahr 2015/16 mit einem Sprung von 7,3% auf 31,4 Mio. Nächtigungen wirft – laut den Grünen – trotz aller Genugtuung drängende Fragen auf.
Erreichbar und überrollt!
Das Topjahr 2016 dementiere Klagen über die schlechte Erreichbarkeit Südtirols.
Noch nie seien auch ohne Airport so viele Gäste angekommen, auch wegen der Gefährdung des Luftverkehrs und internationaler Reiseziele zu Lande.„ Leider zu 85% im eigenen Auto, statt zumindest teilweise im logistisch dürftigen Bahnverkehr“, bedauern die Grünen.
In einer Aussendung der Grünen vom Donnerstag heißt es weiter:
„Die Verkehrsflut im Tourismus ist eine Kernfrage der Zukunft und ohne befriedigende Antworten. Anwohner der Dolomitenpässe und ladinischen Täler erleben überbordende Autoschlangen, Autobahn und Pustertaler Straße sind Standorte steter Staus.
Ruhegebiete an den Grenzen der Naturparks sind oft Brunftplätze von Blechlawinen; kleine Zubringer wie die Würzjochstraße werden als Bypass missbraucht.
Wenn die Zahl der Gäste steigt, während ihre Nächtigungsdauer auf bald unter 4 Tage fällt, bedarf es einer echten Verkehrsrevolution. Denn andernfalls ist zu Saisonspitzen nicht nur Lebensqualität massiv gefährdet, sondern auch Südtirols Ruf als ruhige Tourismusregion.
Südtirol ist mit Tirol alpenweit das Land mit der höchsten Tourismusintensität. Nirgendwo sonst kommen so viele Gäste auf einen Einwohner wie südlich der Alpen. Weiteres Wachstum ist schwer verträglich, auch nicht bei den Bettenzahlen. Offiziell hat das Land 220.192 Gästebetten, inoffiziell wohl weit mehr. 2016/17 ist ein Bauboom unübersehbar: mit neuen und vergrößerten Hotels, denn Gästezuwächse, erhöhte Renditen und niedrige Zinsen sind Adrenalin für Investitionswillige.
Mehr denn je aber drohen Überkapazitäten und ein Verdrängungswettbewerb. Drei-, Vier- (+ 2,6%) und Fünfsterne-Hotels (+ 14,3%) verdrängen Ein- und Zweisternebetriebe (-3,1 bzw. -3,8%). Umsteuern ist notwendig, durch Regeln der Raumordnung, Bremsen der Gemeinden, vorab aber durch Selbstkontrolle der Branche.
Andernfalls droht eine Tourismusblase, die Überkapazitäten und verheerte Landschaften zurück lässt.
Ohne Wachstumsbremse explodieren Bodenpreise und Lebenshaltungskosten auch außerhalb der Tourismusbastionen wie Kastelruth, Wolkenstein und Sexten, zum Nachteil der Einheimischen, deren Chancen auf günstigen Baugrund schwinden.
Den Angriff auf Natur und Landschaft eindämmen
Die Seilbahnbranche wittert Morgenluft für neue Zusammenschlüsse und Skikarusselle: die heute Abend in Sexten diskutierte Verbindung Sexten-Sillian oder Langtaufers-Kaunertal sind nur eine Auswahl geplanter Erweiterungen. Der Erfolg scheint ihnen recht zu geben, der „Sanfte Tourismus“ gilt als Auslaufmodell.
Grenzen des Wachstums und neue Verantwortung für die „Kehrseite des Tourismus“
Das aber trifft nicht zu: Schon jetzt wächst die Zahl der Gäste, denen ein klimaverträglicher, Landschaft und Kulturen schonender Tourismus am Herzen liegt. Auf sie muss die Branche künftig bauen, auf Gäste, denen Nachhaltigkeit, Gesundheit und Regionalität am Herzen liegen.
Tourismus in Südtirol muss ein potenter, aber begrenzter Player bleiben; die Frage nach einer Obergrenze und der Verträglichkeit für Menschen und Umwelt muss mit Nachdruck gestellt werden: Bei 31,4 Mio. Nächtigungen und 7,0 Mio. Ankünften ist die Obergrenze bald erreicht.
Südtirols Zukunft liegt auch in anderen Wirtschaftsbranchen: In der Industrie, die mit geringem Ressourcenverbrauch und qualifizierten Arbeitsplätzen hohe Wertschöpfung generiert.
Tourismus hingegen ist trotz aller Erfolge ein reifes Produkt, ein Sektor, der durch Selbstbeschränkung nur gewinnt. Und schließlich: Das Tourismusland Südtirol, das von den Folgen von Krieg, Terror und Unsicherheit stark profitiert, muss sich auch bei der Aufnahme und Betreuung von Flüchtlingen stärker bewähren als bisher der Fall.“
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