„Alle gegen eine“
Südtirol blickt gespannt auf die Stichwahl in Frankreich: Warum für Herbert Dorfmann der Sieg Emmanuel Macrons gegen die „hochintelligente“ Marine Le Pen noch nicht in trockenen Tüchern ist – und Ulli Mair vom „patriotischen Frühling“ träumt.
Von Matthias Kofler
Die Präsidentenstichwahl in Frankreich wird zum Duell der Gegensätze: Auf der einen Seite steht der bekennende Pro-Europäer Emmanuel Macron, auf der anderen die Euro-Gegnerin Marine Le Pen, die lieber heute als morgen die Union verlassen würde. Dementsprechend gespannt schauen auch Südtirols Politiker auf die Schicksalswahl in Frankreich.
Anders als viele seiner Parlamentskollegen, die fest von einem Triumph des jungen Macron ausgehen, ist für Herbert Dorfmann die Wahl noch nicht entschieden: „Ich hoffe, dass Macron in zwei Wochen Präsident wird – doch die Messe ist noch nicht gelesen.“ Dorfmann betont, dass schon wenige Wochen nach der Stichwahl die Wahl der französischen Nationalversammlung ansteht. Im Falle eines Sieges müssten beide Außenseiter im Parlament erst einmal eine Regierungsmehrheit finden.
Insgesamt überwiegt beim EU-Parlamentarier nach dem ersten Wahlgang aber die Zufriedenheit: Ähnlich wie in Österreich und den Niederlanden hätten sich in der Grande Nation die europafreundlichen Kräfte durchgesetzt. „Macron fordert einen größeren EU-Haushalt und eine Verschiebung von Kompetenzen nach Brüssel – also Dinge, die sich kaum ein Politiker mehr traut zu sagen“, lobt Dorfmann. Ein Sieg Macrons wäre somit auch ein „Signal gegen die Stimmen in Polen, Ungarn und Österreich“.
Doch der SVP-Politiker kennt Macrons Widersacherin Marine Le Pen aus der gemeinsamen Zeit im Europaparlament und warnt deshalb davor, die Chefin des Front National zu unterschätzen: „Le Pen ist eine hochintelligente Frau, die sich von der Marktschreiern und billigen Populisten der FPÖ und der Lega Nord unterscheidet. Der Front National ist eine sehr rechtsorientierte Partei, die in Frankreich auf eine lange Tradition zurückblickt. Das alles macht Marine Le Pen umso gefährlicher“, so Dorfmann.
Doch auch im Falle eines Triumphs in der Stichwahl wird es für Le Pen schwer, ihr Wahlversprechen – den EU-Ausstieg – in die Tat umzusetzen. Sie wird wohl keine parlamentarische Mehrheit dafür finden. Ein französischer Abschied wäre aus der Sicht Dorfmanns noch schlimmer als der Brexit. Der SVP-Politiker zitiert Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker: „Der Brexit ist die Scheidung nach einer Zweckehe, in der sich nie eine echte Liebe ergeben hat.“
Würde hingegen das Gründungsmitglied Frankreich aussteigen, stünde die Zukunft der gesamten Union auf dem Spiel. Die Folgen wären verheerend, auch für Südtirol als Grenzland mit seinen Minderheiten. Ein Sieg Macrons wiederum könnte der EU neuen Auftrieb verleihen: „Angela Merkel bekäme endlich einen Partner, mit dem sie auf Augenhöhe agieren kann“, sagt Dorfmann und hofft, dass der neue Präsident imstande sein wird, die verkrusteten Strukturen in Frankreich zu reformieren.
Ulli Mair analysiert den Wahlausgang völlig anders. Die Freiheitliche gratuliert Marine Le Pen „herzlich“ zu ihrem „historischen Erfolg“, dem Einzug in die französische Präsidenten-Stichwahl. „Der patriotische Frühling in Europa feiert einen weiteren großen Erfolg und einen wichtigen Schritt nach vorne“, freut sich die Freiheitliche. Europa befinde sich im Umbruch und die alten Systemparteien seien auch in Frankreich „abgestraft“ worden. „Die etablierten Altparteien und deren unglaubwürdige Vertreter werden quer durch Europa auf Dauer in der Bedeutungslosigkeit verschwinden. Sie ruinieren Europa seit Jahren“, zeigt sich Ulli Mair überzeugt.
Ähnlich wie Herbert Dorfmann kennt auch die Freiheitlichen-Abgeordnete FN-Chefin Marine Le Pen sehr gut: Diese habe als einzige das erklärte Ziel, Frankreich wieder sicher zu machen. Und sie habe mit all ihren politischen Warnungen vor den negativen Auswirkungen der unkontrollierten Massenzuwanderung recht behalten. „Ich wünsche ihr für die Stichwahl alles Gute, auch wenn diese ähnlich wie in Österreich anlässlich der Bundespräsidentenwahl verlaufen wird“, so Ulli Mair.
Die Freiheitliche glaubt, dass sich alle etablierten Parteien und Staatskünstler für Macron aussprechen und eine entsprechende Wahlempfehlung abgeben werden. „Alle gegen eine.“ „Es wäre daher ein politisches Wunder, würde Marine Le Pen trotzdem die Stichwahl gewinnen“, sagt die Abgeordnete. „Das System steht aber dennoch längst an der Kippe. Es ist nur mehr eine Frage der Zeit.“
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