Die überwachte Stadt
Die Gemeinde Bozen hat sich ein Kamera-Überwachungssystem angeschafft, das die Sicherheit in der Stadt erhöhen soll. Die Big-Brother-Zentrale befindet sich am Sitz der Stadtpolizei, wo auffällige Personen in Echtzeit herangezoomt werden können.
Von Thomas Vikoler
Alles, was sich auf dem Bildschirm bewegt, wird automatisch von einem roten Rechteck umrahmt. Eine potentielle Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Ein Techniker vergrößert auf seinem Bildschirm eines dieser Rechtecke, auf dem ein dunkel gekleideter Mann zu sehen ist. Ein Tatverdächtiger? Der Techniker kann auf einer Zeitleiste zurückverfolgen, wer an diesem Standort – hier der Marienpark – in den vergangenen Stunden vorbeigegangen ist.
Das ist nicht alles: Eine einzelne Person kann auf dem großen Monitor im ersten Stock des Sitzes der Stadtpolizei in der Galileistraße in hoher Auflösung herangezoomt werden. Mittels Cursor ist es möglich, ihr buchstäblich nachzugehen und einen Blick in ihre Einkaufstasche zu werfen. Alles in Echtzeit und am zentralen Waltherplatz.
Big Brother ist endgültig angekommen in der Landeshauptstadt, deren Verwalter sich bis vergangenes Jahr immer vor Überwachungskameras gesträubt haben. Mit dem Amtsantritt des neuen Bürgermeisters Renzo Caramaschi im vergangenen Herbst änderte sich alles schlagartig. Binnen weniger Wochen wurden 320.000 Euro für die Verlegung eines Glasfasernetzes und der Anbringung von 19 neuen Kameras (siehe eigene Liste mit den Standorten) aufgebracht. Diese ergänzen das bereits funktionierende System der Aufzeichnungen an den Ampeln (32 Kameras) und der Kontrollen an den Einfahrten zu den verkehrsbeschränkten Zonen.
Auf der großen Bildschirmwand der Stadtpolizei lässt sich das Geschehen im öffentlichen Raum nachverfolgen, ebenso in den Zentralen von Polizei und Carabinieri. Dort ist man weniger an den Verkehrsflüssen interessiert, als an strafrechtlich relevanten Geschehnissen. Die Zoom-Funktion der Software der kanadischen Firma Aviglion werde vor allem bei Polizei und Carabinieri genutzt, heißt es am Sitz der Stadtpolizei. Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung können nicht aufgrund von Kamera-Bildern geahndet werden. Jedenfalls derzeit (siehe Kasten).
Bürgermeister Caramaschi wirkt bei der Präsentation der neuen Überwachungszentrale, zu der allein Befugte Zutritt haben, auffallend begeistert. „Wir sind wie im Mittelalter, wo jeder Zugang zur Stadt kontrolliert wurde. Dazu sind wir nun auch in der Lage. Wir sehen, wer in Bozen ein- und ausgeht“. Er empfiehlt – halb im Scherz – den Bürgern, bei ihren Gängen durch die Stadt „immer zu lachen“. Schließlich würden sie ja ständig von einer der Kameras beobachtet.
Ob das alle Bozner lustig finden, ist eine andere Frage. Bisher gab es praktisch – auch nicht vonseiten einer Regierungspartei wie den Grünen – keine Datenschutz-Einwände gegen den Überwachungseifer des Bürgermeisters. Dieser berichtet sogar von zahlreichen Anfragen von Bürgern und Gemeinderäten, in ihrer Wohngegend städtische Kameras anzubringen. „Wir können das nicht überall tun“, beschwichtigt Caramaschi.
Zur Information für Interessierte: Die Aufnahme der Überwachungskameras werden auf dem Server der Stadtpolizei sieben Tage lang gespeichert, dann müssen sie gelöscht werden. Freilich nicht dann, wenn Polizei und Carabinieri auf den Bildschirmen Tatverdächtige entdeckt haben. In diesem Fall werden die Daten für unbestimmte Zeit aufbewahrt.
Die neuen K-Standorte
Museumstraße/Talfergasse
Marienpark/Vintlerstraße
Claudia-Augusta-Straße
Verdiplatz (2X)
Waltherplatz Süd
Waltherplatz Nord
Südtirolerstraße
Palermobrücke
Reschenbrücke
Rombrücke
Crispistraße/Dellaistraße
Schlachthofstraße (2X)
Langerbrücke/Trientstraße
Park Ortlerstraße (demnächst)
Kalvarienberg (demnächst)
Firmianpark (demnächst)
Romstraße (demnächst)
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