Cannabis im Tee
Seit zehn Jahren ist medizinisches Cannabis in Italien legal, doch noch immer zögern Ärzte bei der Verschreibung. Und auch die Kostenfrage ist bis heute nicht geklärt.
TAGESZEITUNG Online: Herr Peer, seit März ist die Verschreibung von Cannabis für Schwerkranke in Deutschland legal und kann gegen Vorlage eines Rezeptes gekauft werden.
Stephan Peer: Genau. Bisher war das in Deutschland nur mit einer Ausnahmegenehmigung von der Bundesopiumstelle erlaubt und jetzt wird übernommen, dass es normal verordnet werden kann.
Wie sieht die Situation in Italien aus?
In Italien kann Cannabis für medizinische Zwecke seit einigen Jahren von jedem Hausarzt verordnet werden. Bedingung ist, dass es nur für Krankheiten verordnet werden kann, wo es eine wissenschaftliche Studie oder Belege gibt, die dessen Wirkung bestätigen. Diese Verordnung erfolgt anonymisiert und sowohl der Hausarzt als auch die Apotheke müssen ein Protokoll ausfüllen und eine Kopie des Rezeptes einschicken, welche vom Gesundheitsministerium gesammelt werden. Damit wird kontrolliert, wofür und wann Cannabis-Produkte eingesetzt werden. Indirekt weiß man aber auch, ob ein Produkt erfolgreich genutzt wird – wenn es immer wieder verschrieben wird – oder ob es nicht zum gewünschten Nutzen geführt hat.
Wie sieht es mit den Kosten dieser Therapie aus?
Das ist der Haken. Die Kosten dieser Produkte muss jeder Patient selbst tragen. Jeder Provinz ist es selbst überlassen, diese Thematik zu regeln bzw. festzulegen ob die Therapie-Kosten von der Krankenkasse übernommen werden, oder nicht. Bisher ist es in Südtirol nur für sehr spezielle und seltene Krankheitsbilder möglich, die Rückerstattung zu bekommen. Die Zugänglichkeit zu den Produkten ist in Italien zwar sehr gut, aber es dauert ein bisschen, bis man einen Arzt findet, der sich traut Cannabis-Produkte zu verschreiben.
Bis sich ein Arzt traut?
Wir sehen, dass sehr viele Ärzte noch große Berührungsängste mit dieser Therapie haben. Diese Therapie ist immer noch verrufen. Aber ich muss dazusagen, dass Cannabis zurecht als Betäubungsmittel eingestuft wird, weil es einen Effekt gibt und zwar einen lang anhaltenden Effekt, der nicht nach wenigen Stunden abklingt. Auch sieben Tage später kann man die Abbauprodukte von Cannabis im Körper noch nachweisen.
Wir sprechen immer von getrockneten Cannabisblüten…
Genau. Wir bekommen die Blüten aus Holland und seit Januar kann man Cannabisblüten auch vom italienischen Militärinstitut in Florenz beziehen.
Gibt es Unterschiede?
Ja. Es handelt sich um verschiedene Züchtungen mit anderen Wirkstoffen und anderem Wirkstoffgehalt. Die Bandbreite reicht von entspannenden Zusammensetzungen für Epileptiker bis zu schmerzstillenden oder appetitanregenden Wirkungen – je nach dem, was der Patient benötigt. Wirklich toll ist aber, dass man es mittlerweile schafft, mehr oder weniger den gleichen Wirkstoffgehalt über verschiedene Ernten hinweg garantieren zu können – und das ist bei einem Naturprodukt wahnsinnig aufwändig.
Und wie funktioniert die Dosierung?
Die Apotheke kann die Cannabisblüten in fünf Gramm Bechern bestellen und dann in Einzeldosen abfüllen, je nach dem, wie es vom Arzt verordnet wurde. Das ist für die Apotheke ziemlich aufwändig, da man keinen Verlust haben darf, da wir immer noch von einem Betäubungsmittel sprechen.
Entscheidet der Patient selbst, wann, wo und wie er die Dosis zu sich nimmt oder gibt es Vorschriften?
Der Arzt schreibt eine Dosierung auf und gibt eine Empfehlung ab, aber ob sich der Patient daran hält, ist ihm überlassen. Die Einnahme erfolgt normal über einen Tee mit Milch, in dem man das Briefchen auflöst. Das funktioniert recht gut, da die Substanz fettlöslich ist. Wenn man das medizinische Cannabis rauchen würde, hätte man alleine dadurch einen Wirkverlust von 40 Prozent. Nachdem man es selbst zahlen muss und es sich in diesem Fall um ein medizinisches Produkt handelt, welches bewusst verschrieben wird, nehmen es die meisten Patienten auch über die wirksamste Form ein. Es gibt aber auch ein spezielles Inhalationsgerät. Viele Patienten backen auch Kekse, da das Cannabis über einen längeren Zeitraum erhitzt wird und mit Butter oder anderen Fetten in Verbindung kommt. Klassisch ist aber der Tee mit Milch.
Und was kostet eine Therapie?
Das hängt ein bisschen davon ab, um welche Therapie es sich handelt. Zu Beginn war eine Therapie wirklich sehr teuer, mittlerweile hat sich der Preis allerdings etwas eingependelt. Bei Bediol sprechen wir bei 30 Briefchen a 200 mg von ca. 140 Euro. 60 Briefchen Bedrocan a 50 mg kosten rund 90 Euro.
Es wird ja auch immer wieder über die Züchtung für Eigengebrauch gesprochen. Ist dies aus medizinischer Sicht sinnvoll?
Eigentlich nicht. Wenn man nicht ein professionelles Gewächshaus mit Temperaturregulierung und immer gleichen Lichtverhältnissen Zuhause hat, bekommt man es meiner Meinung nach nicht hin, ständig den vollen Wirkstoffgehalt zu erzeugen. Das Militärinstitut hat fast zwei Jahre gebraucht, um mehrere Ernten in gleichbleibender Qualität bieten zu können, damit die Produkte auch medizinisch verwendet werden können. Für Therapiezwecke kann man Cannabis fast unmöglich in den eigenen vier Wänden züchten.
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