Vibrierende Weingläser
Für die Verlegung des Kraftwerks St. Anton in Bozen werden seit Dezember zwei rund einen Kilometer tiefe Stollen aus dem Hörtenberg gesprengt. Die Anwohner beklagen sich über Lärm und Druckwellen, die Betreibergesellschaft beschwichtigt.
von Thomas Vikoler
Wer in St. Anton bei Bozen wohnt, muss sich seit einigen Monaten auf neue Umweltbedingungen einstellen: Mit steter Regelmäßigkeit dringt ein wuchtiges Brummen aus dem Inneren des Hörtenbergs. Kurz darauf kommt es in den Wohnungen zu sonderbaren Luftbewegungen. Ein Wirt eines Gasthauses berichtet von vibrierenden Weingläsern, ein Hauseigentümern von zitternden Fensterscheiben.
Die Ursache dafür ist inzwischen allen Anwohnern bekannt: Seit Dezember laufen die Grabungs- und Sprengarbeiten für den Bau eines Kavernensees für das Kraftwerk St. Anton. Ein Riesenprojekt, in das die Eisackwerk GmbH, seit 2015 Inhaberin der 30-jährigen Konzession für das vormals von einer SEL-Tochtergesellschaft betriebenen Kraftwerks, rund 50 Millionen Euro investiert: 23 Millionen Euro kostet das unterirische Speicherbecken, 22 Millionen die Erneuerung der Maschinen. Das Projekt wird mit 23 Millionen Euro an Umweltgeldern finanziert.
Sechs Mal am Tag wird in den beiden Tunneln gesprengt: Die Sprengmeister der Firma Oberosler bohren Kanäle in den Fels, die mit Dynamit besetzt werden. Dann, in Intervallen von wenigen Sekunden, werden die Sprengsätze nacheinander gezündet.
Derzeit erfolgen die Sprengungen in einer Tiefe von 200 bzw. 300 Metern. In St. Anton sind die Detonationen jeweils zu hören. Was die Vibrationen in den Häusern aber auslöst, ist der Luftdruck, der durch die Explosionen entsteht und nach Außen gelangt.
„Wir bewegen uns damit vollends im gesetzlichen Rahmen“, versichert Hellmuth Frasnelli, neben Karl Pichler Inhaber der Betreibergesellschaft Eisackwerk.
Was die Anwohner ebenfalls stört, ist der frühe Beginn der Sprengungen bereits um 07.00 Uhr morgens. „Wir dürfen von 7.00 bis 22.00 Uhr sprengen, laut staatlichen Gesetz wäre sogar das Sprengen rund um die Uhr erlaubt“, entgegnet Frasnelli.
Auch was die Sicherheit der umliegenden Gebäude betrifft, so beschwichtigt man bei Eisackwerk ebenso: An allen Häusern seien Erdbeben-Messgeräte angebracht worden, die Ausschläge bewegten sich im Mikrobereich, betonten Frasnelli und Pichler.
Der Kavernensee soll bei Fertigstellung bis zu rund einen Kilometer weit in den Berg hineinreichen. Das bedeutet, dass die Sprengarbeiten mindestens bis Herbst 2018 dauern werden. Der Zugangsstollen, an dem derzeit gearbeitet wird, ist 6,5 mal 6,5 Meter groß. Der Kavernensee soll hingegen doppelt so breit und hoch sein. Viele tägliche Sprengladungen werden noch notwendig sein.
„Je tiefer wir in den Berg gelangen, desto weniger wird draußen zu hören sein“, verspricht Karl Pichler.
Gegen den Staub, der mit der Luft an den Eingang der beiden Tunnel in St. gelangt, hat man sich inzwischen gewappnet. Mit Schneekanonen, die den Staub durch Sprühregen binden sollen.
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