Der Tritt in den Hoden
Ein Lehrer des brasilianischen Kampftanzes Capoeira verletzt einen Schüler bei einer Vorführung in der Bozner Messe schwer – und landet wegen Körperverletzung vor Gericht. Nun wurde das Verfahren eingestellt.
von Thomas Vikoler
Physischer Kontakt zwischen den Tanzenden bzw. Kämpfenden sei gar nicht vorgesehen, heißt es in einer Strafanzeige über einen brasilianischen Kampftanz, der auch in Südtirol praktiziert wird: Capoeira, von afrikanischen Sklaven während der Kolonialzeit in Brasilien eingeführt, und inzwischen weltweit als akrobatisches Freizeitprogramm mit Exotik-Flair verbreitet.
Wenn physischer Kontakt zum Programm von Capoeira gehört, bedeutet das freilich nicht, dass es nicht trotzdem dazu kommt. So wie am 28. April 2013 bei einer Vorführung auf der Freizeitmesse in der Messe Bozen. Ein Sportverein präsentierte die gewohnte Mischung aus Tanz, Kampf und Gruppenkreis, als zu einem folgenschweren Zwischenfall kam: Der 40-jährige Lehrer und Leiter der Gruppe trat einem Teilnehmer der Vorführung infolge einer „unvorhergesehenen Bewegung“, wie er später selbst einräumte, in die Hoden.
Der Getroffene, ein 36-jähriger Bozner, kippte um und musste Krankenhaus gebracht werden. Die Diagnose: Ein schweres Trauma am rechten Hoden, weswegen der Patient später sogar operiert werden musste.
In der Strafanzeige, die er am 18. Juli 2013 gegen den 40-jährigen Capoeira-Lehrer erstattete, ist von einer „dauerhaften Schwächung des Reproduktionsorgans“ die Rede. Zweifellos eine Körperverletzung, auch wenn beim Fehlen eines Hodens der zweite bis zu 98 Prozent der Funktionen beider übernehmen kann.
Die Staatsanwaltschaft erhob schließlich Anklage gegen den gebürtigen Brasilianer. Wegen schwerer fahrlässiger Körperverletzung nach Artikel 590 des Strafgesetzbuches.
Dennoch kommt es im Hauptverfahren vor Einzelrichter Stefan Tappeiner. Nach mehreren Verhandlungen einigten sich der Angeklagte und die Anwälte der Zivilpartei – dem Capoeira-Schüler aus Bozen – auf eine Schadenersatzzahlung.
Am Donnerstag wurde das Strafverfahren folglich von Richter Tappeiner formell eingestellt.
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