„Was habe ich bloß getan?“
Khalid Ouassafi, der am Samstag in Bozen seine Gattin Mereyem Nsasra niederstach, wird am Dienstag dem Haftrichter vorgeführt. Er sagt, er erinnere sich an nichts. Sein Anwalt bezweifelt, dass es sich um einen Mordversuch handelte.
Von Thomas Vikoler
„Was habe ich bloß getan?“ Das war angeblich die erste Frage, die sich Khalid Quassafi nach seiner Messerattacke gegen seine Ehefrau stellte. Nach seiner Darstellung eine Rückkehr zur Bewusstheit nach einem sprichwörtlichen Blackout. Denn der 37-jährige Marokkaner behauptet, er erinnere sich an nichts. Jedenfalls nicht an die fünf Stiche, mit denen er seine Gattin Mereyem Nsara, 30, am vergangenen Samstag in einer Wohnung in der Bozner Europaallee lebensgefährlich verletzte.
Die Frau hat die Attacke glücklicherweise überlebt, sie ist außer Lebensgefahr und liegt weiter im Bozner Spital.
Khalid Ouassafi, der Ehemann, sitzt derweil im Bozner Gefängnis. Heute um 8.00 Uhr soll dort vor Voruntersuchungsrichter Andrea Pappalardo die Haftprüfung stattfinden. „Mein Mandant wird die Aussage verweigern“, kündigt Vertrauensverteidiger Alessandro Tonon an.
Er hat Ouassafi gestern einen Besuch in der Haftanstalt abgestattet und ihm empfohlen, vorerst nichts zu sagen. Zuerst will Tonon die Akten der Staatsanwaltschaft lesen. Danach, so kündigt er an, werde sich der Tatverdächtige einem Verhör stellen.
Warum hat der arbeitslose Mann am Samstagvormittag auf die Mutter seiner sechs Kinder eingestochen?
Ein klares Motiv, ein direkter Auslöser, so sagt Ouassafis Verteidiger, sei nicht erkennbar. Das Ehepaar habe am Morgen dem Vater der Frau einen Besuch abgestattet. Dann, nach einer halben Stunden in der WoBi-Wohnung in der Bozner Europaallee, sei es plötzlich zu einer Gewalteskalation gekommen. Vor den Augen zweier Zeuginnen: Eine Tochter es Ehepaars und eine volljährige Schwester des Opfers.
Ouassafi schnappte sich in der Darstellung seines Anwalts ein Messer, das auf einer Küchenablage lag. Und stach zu: Er verletzte seine Ehefrau u.a. mit zwei Stichen im Bereich des Brustkorbs und einem am Nacken. Das lässt den Schluss zu, dass das Opfer sich zur Flucht abwandte.
Dennoch bezweifelt Verteidiger Tonon, dass es sich um einen Mordversuch handelte. Nach Ouassafis eigener Version hat er das Messer, sobald er sich des Geschehenen bewusst wurde, selbst abgelegt und die Wohnung in normalem Schritttempo verlassen. Er wurde später von der Polizei in einem Innenhof festgenommen.
Zur Erfüllung des Tatbestandes des versuchten Mordes bedarf es tatsächlich einer klaren Mordabsicht, die durch die Intervention Dritter unterbrochen wird. Das war laut Ouassafis Verteidiger hier nicht der Fall. Der Täter habe seine Handlung aus freiem Antrieb unterbrochen. Nach einer ersten Version waren es die beiden Augenzeuginnen, die Quassafi das Messer abgenommen haben.
Wie auch immer. Die Ermittlungen der Polizei zur Bluttat in der Europaallee sind längst nicht abgeschlossen.
Bisher unbestritten ist die prekäre finanzielle Situation der Einwanderer-Familie: Sechs Kinder, ein arbeitsloses Familienoberhaupt, das bis vor einiger Zeit als Koch arbeitete. Das Vorhaben, nach Deutschland zu ziehen, das einige Tage vor der Tat scheiterte. Und Eltern, die deswegen und wegen der schreienden Kinder nachts nicht schlafen konnten.
„Beide Ehepartner waren sehr gestresst. Das spielte auch eine Rolle“, sagt Verteidiger Alessandro Tonon.
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