Die Lawinen-Studie
Wie können Kameraden Leben retten? Eine neue Studie von Eurac Research und Med Uni Innsbruck rückt die Wiederbelebung durch Laien in den Mittelpunkt.
Eine Gruppe von Skitourengehern wird von einer Lawine überrascht. Für Verschüttete zählt nun jede Minute. Über Leben und Tod der Verunglückten entscheidet in diesem Moment die Rettung durch ihre Kameraden: Sie sind die ersten, die helfen können. Doch wie viel Zeit brauchen sie tatsächlich für die Bergung und Wiederbelebung?
In einer neuen Studie konzentrieren sich Notfallmediziner von Eurac Research und der Medizinischen Universität Innsbruck erstmals genau auf diese Gruppe und Situation, um Richtlinien für die Kameradenrettung und die Wiederbelebung durch Laien auszuarbeiten. Sie könnten die bisherigen Standards in den Bergungs- und Wiederbelebungsabläufen möglicherweise entscheidend verändern.
Aus früheren Untersuchungen von Eurac Research weiß man, dass Verschüttete, die von ihren Kameraden in den ersten 15 Minuten gerettet werden, noch eine 90-prozentige Überlebenschance haben. Bis zum jetzigen Zeitpunkt ist jedoch nicht bekannt, wie lange Laienretter brauchen, um alleine oder zu zweit einen verschütteten Kameraden aus der Lawine zu befreien und – wenn notwendig – eine effiziente Wiederbelebung zu beginnen.
Ein weiterer Aspekt, der bislang noch nicht untersucht wurde, sind die unterschiedlichen Positionen von Verschütteten. Mehr als die Hälfte aller Lawinenverschütteten liegt mit dem Kopf bergab und mit dem Gesicht nach unten. Für Bergung und Wiederbelebung ist dies die schwierigste Position. In der neuen Studie gehen die Notfall- und Alpinmediziner von Eurac Research der Frage nach, ob ein oder zwei Kameraden in der Lage sind, Lawinenverschüttete in der empfohlenen Richtzeit zu retten und wenn ja, wie sie am besten dabei vorgehen.
Nach der heutigen Lehrmeinung wird der Körper zuerst ausgegraben, dann in Rückenlage und in eine waagrechte Position gebracht. Dies ist notwendig, um die Wiederbelebung, sprich Herzdruckmassage und Beatmung, effizient durchführen zu können. Wie lange ein Laie braucht um einen geborgenen Verschütteten in diese Position zu bringen, ist jedoch noch nicht bekannt.
„Wir wissen, dass die Wiederbelebung so früh wie möglich begonnen werden muss, um einen Dauerschaden durch Sauerstoffmangel zu vermeiden – unter Umständen sollte die Beatmung und eine Herzdruckmassage bereits starten, bevor der ganze Körper freigelegt ist“, erklärt der Notfall- und Alpinmediziner Bernd Wallner von Eurac Research, der auch an der Medizinischen Universität Innsbruck arbeitet.
„Uns interessiert vor allem: Wie kann unter schwierigen Umständen, etwa bei einer ungünstigen Position des Verschütteten im Schnee, wertvolle und lebensrettende Zeit gewonnen und die Reanimation effizient durchgeführt werden“, so Wallner.
Im ersten Teil der Studie gehen die Forscher der Frage nach, wie lange ein Ersthelfer grundsätzlich braucht, um einen Verschütteten vollständig aus der Lawine auszugraben und in die Standardposition für die Wiederbelebung zu bringen. Dazu werden im Rahmen einer zweitägigen Untersuchung 18 Testpersonen damit beauftragt, medizinische Wiederbelebungspuppen auszugraben, die die Forscher in unterschiedlichen Positionen im Schnee vergraben haben.
„Die Testpersonen repräsentieren den klassischen Skitourengeher, der einen Erste-Hilfe-Kurs gemacht hat und zumindest eine Vorbildung in der Lawinenrettung hat“, sagt Bernd Wallner. Die Forscher messen die Zeiten und vergleichen sie.
Der zweite Teil der Studie findet in der Klinik statt. Dort untersuchen die Forscher vor allem die Qualität und Effektivität der Wiederbelebung. Dies tun sie mit Hilfe von hochtechnologischen Puppen, die den Effekt der Herzdruckmassage messen, zum Beispiel je nachdem, an welchem Punkt genau, wie tief oder wie oft und wie schnell man drückt.
Indem sie alle Werte miteinander kombinieren, erwarten sich die Forscher neue Erkenntnisse dazu, ob es die Überlebenschancen verbessert, wenn man möglichst früh mit einer Wiederbelebung beginnt, auch wenn die Position des Verschütteten nicht ideal ist.
Mit den Ergebnissen rechnen die Notfall- und Alpinmediziner von Eurac Research im Herbst dieses Jahres.
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