Schwazers Strategie
Es gibt noch immer keinen Termin für die Verhandlung vor dem Kölner Oberlandesgericht zur „Auslieferung“ der Urin-Probe von Alex Schwazer. Dessen Verteidigung erwägt einen Verzicht auf eine Anfechtung des CAS-Urteils von Rio.
Von Thomas Vikoler
Die deutsche Justiz ist offenbar nicht so schnell wie ihr Ruf. Und das besorgt Gerhard Brandstätter, dem Leibanwalt von Olympiasieger Alex Schwazer. Brandstätter wartet weiterhin auf die Festlegung eines Termins für eine Verhandlung am Oberlandesgericht Köln in einer Causa von internationaler Relevanz.
Wie berichtet, stellt sich der internationale Leichtathletik-Verband IAAF gegen die „Auslieferung“ der Urin-Probe von Alex Schwazer nach Italien. Dessen Anwälte haben Ende Jänner Einspruch gegen ein italienisches Rechtshilfeansuchen zur Übergabe der im Dezember – wiederum per Rechtshilfeansuchen – beschlagnahmten Probe.
Das Oberlandesgericht Köln muss darüber entscheiden, ob sie vom dortigen Labor für Biochemie an Emissäre des RIS-Labors in Parma übergeben werden kann. Dort hätte am 20. Jänner das Beweissicherungsverfahren zur Klärung des Manipulationsverdachts stattfinden sollen.
„Wir erwarten, dass der Termin für die Verhandlung in Köln Mitte dieser Woche festgelegt wird“, sagt Schwazer-Anwalt Brandstätter. Er steht im Kontakt mit dem leitenden Kölner Staatsanwalt Marc Profanter, ein Jurist mit Südtiroler Wurzeln. In den nächsten Tagen wird die Kanzlei Brandstätter einen Schriftsatz zum IAAF-Einwand nach Köln schicken.
Der Leichtathletik-Verband und die Welt-Antidoping-Agentur WADA halten die Übergabe einer Urin-Probe an ein ordentliches Gericht für einen rechtswidrigen Eingriff in die Sportgerichtsbarkeit. Ein Präzedenzfall. Ob das zutrifft, wird das Oberlandesgericht frühestens in einigen Wochen entscheiden.
Am Landesgericht Bozen, von wo aus die beiden Beweissicherungsverfahren gestartet sind, wertet man den IAAF-Widerstand als eine reine Obstruktionsmaßnahme. Mit dem Ziel, prozedurale Ungereimtheiten – und möglicherweise Manipulationen – zu Schwazers positiver Dopingprobe vom Neujahrstag 2016 einer gerichtliche Prüfung zu entziehen.
Bekanntlich ermittelt die Bozner Staatsanwaltschaft gegen Schwazer zum zweiten Mal wegen Verletzung des Dopinggesetzes. Im Beweissicherungsverfahren geht es aber vor allem darum, Schwazer Entlastendes zu finden.
Darauf hofft selbstredend auch sein Anwalt Gerhard Brandstätter. Er erwägt nun, auf eine Anfechtung des Urteils des internationalen Sportschiedsgericht CAS, mit dem Schwazer am Rande der Olympischen Spiele in Rio für acht Jahre gesperrt wurde, zu verzichten. Es gäbe nämlich die Möglichkeit, vor das Oberste Bundesgericht der Schweiz zu ziehen und dort Rechtsfehler im CAS-Verfahren zu beanstanden. Die Erfolgschancen dafür sind aber eher gering, schließlich hatte sich Schwazer – wenn auch unter extremen Zeitdruck, es ging ja um die Olympia-Teilnahme – entschieden, sich in ein Eil-Schiedsverfahren einzulassen.
Ein Urteil des Schweizer Bundesgerichts könnte dann vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg angefochten werden.
Die Schwazer-Verteidigung verfolgt derzeit aber eine andere Strategie. Nämlich: Über einen Freispruch im Bozner Strafverfahren eine Revision des CAS-Urteils von Rio zu erwirken.
Doch wie sich zeigt, ist auch das eine ziemlich langwierige Angelegenheit.
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