Vera in Rabat
Vera Siller hat im Rahmen ihrer Abschlussarbeit für die Matura das Schulsystem in Marokko unter die Lupe genommen und die Ergebnisse LR Philipp Achammer vorgestellt.
„Eine Reise in eine andere (Schul)Welt“ – unter dieses Motto stellte Vera Siller die Präsentation der Erfahrungen, die sie im Rahmen ihrer Abschlussarbeit für die Matura gesammelt hat.
Und diese Reise führte sie bis nach Rabat, die Hauptstadt Marokkos, um Genaueres über das dortige Schulsystem in Erfahrung zu bringen. Was sie gesehen und erlebt hat, war ihr zum Teil vertraut, vieles war neu, und einiges war unerwartet. „Besonders aufgefallen ist mir der enge Dialog zwischen Lehrpersonen und Schülern“, berichtete Vera, „es gibt kaum Frontalunterricht, wie wir ihn kennen, sondern der Unterricht ähnelt einem dauernden Frage-und-Antwort-Spiel. Inhalte werden so ständig überprüft und wiederholt.“
Vera kommt aus Sterzing und besucht das Sprachengymnasium, wo sie in diesem Jahr die Matura machen wird. Marokko bereiste sie zum ersten Mal im Sommer letzten Jahres, als sie am Projekt „Hallo Ciao Maroc“ teilgenommen hat und zusammen mit weiteren Jugendlichen aus Südtirol eine Woche lang den Alltag vor Ort und das Leben in ihrer Gastfamilie kennenlernen durfte.
Diese Erfahrung hat sie so beeindruckt, dass sie beschloss, für ihre Abschlussarbeit zur Matura die Schulwelt in Marokko zu erkunden. So verbrachte sie vom 24. Februar bis 3. März dieses Jahres erneut eine Woche in Rabat, um am Unterricht in Schulen aller Stufen und Ausrichtungen teilzunehmen und das Klassengeschehen hautnah mitzuerleben. Unterstützt wurde sie dabei vom Amt für Jugendarbeit im Deutschen Bildungsressort des Landes, das ihr auch bei den bürokratischen Erledigungen behilflich war.
Ihre Eindrücke und Einblicke hat sie in einer Präsentation zusammengefasst, die sie nun Bildungslandesrat Philipp Achammer, Schulinspektorin Gertrud Verdorfer und Mitarbeitern des Amtes für Jugendarbeit vorstellen durfte.
„Große Unterschiede gibt es vor allem zwischen den öffentlichen und den privaten Schulen“, stellte Vera fest. Die öffentlichen Schulen hätten allgemein einen schlechten Ruf; allerdings seien für Privatschulen oft hohe Gebühren zu bezahlen, die sich viele Familien nicht leisten können. „Vor allem was die Ausstattung betrifft, sind die privaten Schulen auf einem viel höheren Niveau, und einige sind sehr modern eingerichtet“, erklärte Vera, so habe sie dort zum Teil sogar Tabletklassen und Whiteboards gesehen.
Ganz anders war die Situation in den öffentlichen Schulen. „Hier war die Einrichtung auf ein Minimum reduziert. Aber auch in den öffentlichen Schulen war ein regulärer Unterricht möglich, und ich konnte eigentlich bei der Arbeit in den Klassen keinen allzu großen Unterschied zu den Privatschulen feststellen“, räumte sie ein.
Beeindruckt hat sie die Klassengröße mit oft mehr als 40 Schülerinnen und Schülern. Trotzdem hätte sie kaum Probleme mit der Disziplin feststellen können: „Die Schülerinnen und Schüler waren beim Unterricht immer ganz bei der Sache, und ich konnte auch nicht beobachten, dass sich jemand mit seinem Handy beschäftigte oder aus dem Fenster schaute“, erzählte Vera und erklärte sich dies dadurch, dass Bildung als Chance wahrgenommen wird und einen hohen Stellenwert besitzt.
Das Schulsystem ist zum Teil mit jenem in Europa vergleichbar: Die Grundschule dauert sechs Jahre und die Mittelschule drei Jahre.
Bei der Oberschule, die ebenfalls drei Jahre dauert, können sich die Schüler zwischen den Schwerpunkten Wirtschaft, Landwirtschaft, Mathematik, Technik, Wissenschaft und Literatur entscheiden. Unterrichtssprache ist vorwiegend Arabisch, einige Fächer – vor allem im wissenschaftlichen Bereich – werden aber auch auf Französisch unterrichtet.
Die Vorschule („Préscolaire“), die unseren Kindergärten entspricht, gibt es nur in Privateinrichtungen. Überrascht hat Vera die Tatsache, dass dort die didaktische Tätigkeit ausschließlich auf Französisch und Englisch stattfindet.
Aufgefallen ist Vera auch, dass Schüler mit Beeinträchtigungen, aber auch die Kinder syrischer Flüchtlinge oder aus Familien von in Marokko lebenden Europäern auf ganz ungezwungene Weise in den Unterricht und in die Klassengemeinschaft eingebunden sind und keine Sonderbehandlung erfahren. „Was ich mir so nicht erwartet hätte, ist außerdem die Tatsache, dass in den Klassenräumen keine religiösen Symbole zu sehen sind“, gab Vera zum Abschluss der Vorstellung zu verstehen.
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