Das Diesel-Verbot
Schlechte Luft in deutschen Großstädten: In Stuttgart tritt ab 2018 das erste Diesel-Verbot aufgrund zu hoher Stickoxid-Werte in Kraft. Umweltschützer fordern auch für Südtirol strengere Regeln.
von Julian Righetti
Seit dem VW-Abgas-Skandal ist das Vertrauen in den Treibstoff Diesel erheblich gesunken. Zwar haben Dieselmotoren eine bessere CO2-Bilanz als Benziner, stoßen aber aufgrund des Ölgehalts im Treibstoff deutlich mehr Stickstoffoxide aus. Immer mehr Fahrzeughersteller geraten deshalb in Erklärungsnot: Die Grenzwerte für Stickoxide wurden und werden besonders in den Ballungsgebieten Deutschlands teils stark überschritten. In Stuttgart, dem deutschen Negativrekordhalter in Sachen schlechter Luft, wurde der gesetzlich erlaubte Wert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter im jährlichen Durchschnitt um das Doppelte überschritten. Rund 35 Überschreitungen des Maximalwertes gab es in nur einem Jahr.
Weil die EU nur 18 Überschreitungen erlaubt, droht man aus diesem Grund mit Bußgeldern, während sich die Deutsche Umwelthilfe (DUH) seit 2015 immer mehr Zustimmung für strengere Diesel-Verbote erkämpft. In Stuttgart wurde für 2018 ein tagesabhängiges Fahrverbot für Dieselfahrzeuge, die nicht der Euro-6-Norm entsprechen, verhängt. Solche tagesabhängigen Sperren senken zwar die Feinstaubwerte, aber nicht die Stickoxidentstehung. Umweltschützern reichen sie daher nicht aus. Sie fordern die völlige Verbannung von Diesel-Fahrzeugen, wie es beispielsweise ab 2025 in Norwegen der Fall sein soll, oder wenigstens die Einführung blauer Plaketten zur Kennzeichnung von Euro-6-Dieselfahrzeugen. Um die Landesregierungen zu strengeren Fahrverboten zu zwingen, hat die DUH 2016 auch in Düsseldorf und München Klage erhoben. Doch der Widerstand der deutschen Autolobby ist weiterhin groß.
Die entstehenden Stickoxide verursachen Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen und häufen sich besonders in den Wintermonaten durch Windstille und Inversionswetterlagen an. Letztere sind auch in Südtirol so gut wie jeden Winter ein verbreitetes Phänomen: Bei Sonnenaufgang treffen die ersten Sonnenstrahlen auf die Berge und erwärmen dort die Luft. In der Stadt kommt die Sonne erst später zum Vorschein, die Luft ist daher kälter als jene in höheren Lagen. Bleibt dann noch die Luftzirkulation aus, sammeln sich ausgestoßene Schadstoffe in der Stadt an: Wintersmog entsteht und die Stickoxidwerte steigen.
In den Messwerten der Landesagentur für Umwelt scheinen zwar keine beunruhigenden Grenzwertüberschreitungen vorzukommen, die Luft weise aber nach wie vor zu viele Stickoxide auf. Gerade deshalb gelten auch in Südtirols Städten – im Vergleich zu Deutschland recht laxe – Fahrverbote: Seit November 2013 dürfen in Bozen montags bis freitags von 7 bis 10 Uhr und von 16 bis 19 Uhr keine Fahrzeuge der Klasse Euro 0, Euro 1 und Euro 2 Diesel (ausgenommen Warentransporter), sowie Zweitaktmotorräder (von Oktober bis April), und in Brixen keine Fahrzeuge der Klasse Euro 0 und Euro 1 verkehren.
Bozens Stadträtin für Umwelt, Maria Laura Lorenzini, ist bezüglich eines finalen Diesel-Verbots noch unschlüssig: „Ein solch drastischer Entschluss, wie er in Stuttgart getroffen wurde, kommt in Bozen derzeit nicht in Frage, zu groß und zu plötzlich wäre die Umstellung. Allerdings könnte es irgendwann vielleicht zu einem ähnlichen, italienweiten Erlass kommen.“
Bis dahin könne man laut Lorenzini darüber nachdenken, das aktuelle Fahrverbot auf weitere Fahrzeuge, beispielsweise der Klasse Euro 3 Diesel, auszuweiten. Zusätzlich setzt man in Bozen auf einen weiteren Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel und der Fahrradstrecken, sowie auf die Verbreitung von Hybrid- und Elektrofahrzeugen. Außerdem hofft man auf die Zusammenarbeit zwischen den benachbarten Gemeinden, um das Problem der Stickoxide ohne unpopuläre Verbote in den Griff zu bekommen: Ein Beispiel dafür wäre eine Tramverbindung zwischen dem Überetsch und Bozen. „Ich möchte die Lust zum Autofahren nehmen und das Auto an sich weniger attraktiv machen“, sagt Lorenzini.
Laut der Bozner Stadträtin ist Südtirol vorbildlich in Sachen öffentliche Verkehrsmittel, doch es gebe noch Luft nach oben: Deshalb nimmt die Stadt Bozen an einer EU-Ausschreibung für „bike sharing“ teil, wodurch bald jeder Bürger in Bozen ein Fahrrad für eine gewisse Zeit mieten könnte. Auch ein Plan, um die Luftverschmutzung durch die naheliegende Autobahn A22 zu reduzieren, sei laut Lorenzini in Arbeit.
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