Kind zweier Väter
Ein Trentiner Gericht hat die Vaterschaft eines schwulen Paares offiziell anerkannt. Kommt jetzt die Leihmutterschaft über die Hintertür?
TAGESZEITUNG: Frau Unterberger, das Trientner Urteil hat die Debatte um gleichgeschlechtliche Elternschaft angeheizt. Ihre Meinung?
Julia Unterberger: Wir betreten hier Neuland in unserer Rechtsordnung, eine solche Situation hat es bis jetzt nicht gegeben. Das Gericht wurde mit einer ausländischen Geburtsurkunde konfrontiert, in der zwei Väter als Eltern aufschienen. Jetzt musste es in Ermangelung eines entsprechenden Gesetzes entscheiden und hat dem Prinzip der Kontinuität des Status, das das Kind in einem anderen Land hat, den Vorrang gegeben. Dabei hat es sicher im Interesse des Kindes entschieden. Und der Richter hat in der Urteilsbegründung betont, dass Elternschaft nicht durch biologische Faktoren, sondern durch Fürsorge und Verantwortung definiert wird.
Kann das ein Richter ohne gesetzliche Grundlage entscheiden?
Immer, wenn der Gesetzgeber eine Lücke hinterlässt, müssen die Richter einspringen, eine andere Möglichkeit gibt es nicht. In einer Welt, in der es immer mehr technische Möglichkeiten gibt und sich immer mehr Familien von der herkömmlichen Vater-Mutter-Kind-Struktur unterscheiden, werden wir das noch öfter erleben.
Die Leihmutterschaft wird in Italien kontrovers diskutiert. Hat das Urteil auf diese Debatte einen Einfluss?
Nicht unbedingt, weil es darum in erster Linie gar nicht ging: Fraglich war, ob die ausländische Geburtsurkunde mit zwei Vätern bei uns anerkannt wird. Aber natürlich schafft dieses Urteil eine neue Situation: Plötzlich bietet sich für gleichgeschlechtliche Väter die Möglichkeit, nach Kanada zu gehen und mit Hilfe einer Leihmutter ein Kind zu bekommen. Das Baby kriegt dann infolge des „ius soli“ die kanadische Staatsbürgerschaft und wird als Kind zweier Väter eingetragen. Wenn die italienische Rechtsprechung dies weiterhin anerkennen wird, dann kommt die Leihmutterschaft die in Italien ja verboten ist, durch die Hintertür wieder herein. Da müsste der Gesetzgeber früher oder später tätig werden um nicht betuchten homosexuellen Paaren das zu ermöglichen, was Normalbürgern aus finanziellen Gründen verwehrt bleibt.
Fallen nach diesem Urteil sämtliche Schranken?
Nein, ein anderer Richter könnte ganz anders argumentieren und die Eintragung von zwei Vätern in die Geburtsurkunde verweigern. In Italien ist ja nicht einmal die Adoption eines Kindes durch gleichgeschlechtliche Paare erlaubt, auch nicht die des Kindes des eigenen Partners. Als eines der letzten europäischen Länder wurden kürzlich zwar die gleichgeschlechtlichen Partnerschaften geregelt, der Passus über die sogenannte „Stepchild Adoption“ wurde allerdings wieder gestrichen.
Warum tut sich Italien mit derartigen Fragen so schwer? Immer wieder muss man dieselben Diskussionen führen.
Italien ist ein Sonderfall, weil die Kirche noch immer so einen starken Einfluss hat. Sie mischt sich stark in die Gesetzgebung ein und will ihre Moralvorstellungen um jeden Preis in der Rechtsordnung wiederfinden. Unterstützt wird sie von rechten Politikern, die sich in solchen Fragen päpstlicher geben als der Papst und selbst oft das genaue Gegenteil leben – Stichwort Berlusconi und Konsorten.
Was passiert in solchen Fällen bei einer Trennung der Eltern ?
Bei jeder Trennung steht für das Gericht das Wohl des Kindes im Mittelpunkt. Das würde sich auch bei gleichgeschlechtlichen Paaren nicht ändern. Daher könnten die einschlägigen Bestimmungen des Familienrechts Anwendung finden. Unsere Verfassung sagt ausdrücklich, dass Kinder gleich behandelt werden müssen, egal ob ihre Eltern verheiratet oder unverheiratet und wohl auch hetero oder homosexuell sind.
Was könnte sich nun auf rechtlicher Ebene ändern?
Für den Gesetzgeber ist es sicher nicht ganz einfach, auf solche Fälle zu reagieren, die Legalisierung der sogenannten Stiefkindadoption wäre meiner Meinung nach die sinnvollste Maßnahme, um diese Gesetzeslücke zu schließen. Dann wäre es in Italien nicht mehr so ungewöhnlich, dass ein Kind auch zwei Väter haben kann. Das würde das gesellschaftliche Bewusstsein langsam ändern.
Und darauf wird man sich im Parlament einigen?
Kommt ganz auf die Mehrheiten an. Wenn jeder jeden um politisches Kleingeld erpresst und die katholische Rechte ihre „natürliche Weltordnung“ in Gefahr sieht, ist das natürlich schwierig. Die Vorstellung vieler Politiker reicht halt nur für die Variante Vater-Mutter-Kind, wobei die sogenannte heile Familie nicht unbedingt immer eine Garantie für das Kindeswohl ist.
Ihr Fazit?
Das Urteil ist sehr fortschrittlich, gut begründet und ein Schritt in die richtige Richtung – aber von einem Tag auf den anderen wird sich in Italien nicht alles ändern.
Interview: Anton Rainer
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