Der Clochard-Mord
Aus dem Clochard-Mord an Jaroslaw Kohl beim Bozner Laurin-Parkplatz wird eine Körperverletzung mit Todesfolge. Der mutmaßliche Täter Adrian Zelech schließt einen Vergleich über vier Jahre und zehn Monate Haft. Doch es bleiben Zweifel.
Von Thomas Vikoler
Die Gerichts-Übersetzerin wurde zur wichtigsten Entlastungszeugin für Adrian Zelech.
Die Frau hatte ein Gespräch am Eingang des Bozner Landesgerichts mitgelauscht, in dem drei Zeugen eine gemeinsame Version austüfteln. „Ihr wisst, was ihr zu sagen habt“, soll einer der drei Männer, J.G., gesagt haben.
Die Übersetzerin wurde in der Vorverhandlung von Zelechs Anwältin Christine Mussner in den Zeugenstand gerufen. Und auch J.G. und die beiden anderen Clochards mussten noch einmal aussagen.
Ergebnis: J.G. musste vor Gericht einräumen, dass er jene Person ist, die dem auf den am Boden liegenden Jaroslaw Kohl Fußtritte verpasste. Festgehalten von einer Überwachungskamera des Laurin-Parkplatzes.
Diese Aussage hat Adrian Zelech, 22, einem Mann aus Polen, vor einer Verurteilung wegen vorsätzlichen Mordes aus niedrigen Beweggründen bewahrt. So lautete nämlich die ursprüngliche Anklage der Staatsanwaltschaft Bozen zum Tod von Jaroslav Kohl am 9. Männer 2016.
Der 50-jährige Tscheche war in einer Nische hinter dem Landhaus I tot aufgefunden worden. Zuvor hatte es eine Schlägerei gegeben – angeblich wegen ein paar Euro.
Am Mittwoch schloss Zelech vor Richter Andrea Pappalardo einen gerichtlichen Vergleich mit einem vergleichsweise milden Strafmaß: Vier Jahre und zehn Monate Haft.
Das war deshalb möglich, weil die Anklage eine Rückstufung des wichtigsten Anklagepunktes vorgenommen hatte: Von vorsätzlichem Mord auf schwere Körperverletzung („omicidio preterintenzionale“). Demnach handelte Zelech nicht die Absicht, Jaroslaw Kohl mit seinen nachgewiesenen Fausthieben und Fußtritten zu töten. Er ist mit seinen gewaltsamen Handlungen gewissermaßen über sein Ziel hinausgeschossen.
Teilweise entlastet wurde der junge Pole, wie erwähnt, durch das Eingeständnis von J.G., selbst auf Kohl eingetreten zu haben. Dadurch lässt sich nachträglich nicht feststellen, welcher Tritt letztlich zum Tod des tschechischen Clochards geführt hat. Zelech handelte demnach in Tateinheit mit einer zweiten Person, nämlich J.G..
Ob die Staatsanwaltschaft nun auch gegen den zweiten Beteiligten vorgeht, ist unklar.
Der geschlossene gerichtliche Vergleich enthält auch den Tatbestand der üblen Nachrede. Zelech hatte im Verhör mit der Polizei J.G. als Treter beschuldigt – womit er offensichtlich nicht völlig daneben lag.
Allerdings ergaben die Verhandlungen vor dem Voruntersuchungsrichter, dass die Rolle des jungen Polen die aktiviere war.
„Mein Mandant wollte das Verfahren möglichst rasch abschließen“, sagt Verteidigerin Christine Mussner. Adrian Zelech sitzt derzeit im Gefängnis von Verona in U-Haft, er hat bereits ein Jahr und zehn Monate der bisher nicht rechtskräftigen Gefängnisstrafe abgesessen. Den Rest will er in einem polnischen Gefängnis verbringen, Zelechs Mutter ist schwer krank.
In das Strafverfahren gegen ihn am Landesgericht hat sich übrigens keine Zivilpartei eingelassen. Obwohl der verstorbene frühere Schach-Champion zwei Kinder und eine Schwester hat, wollte niemand von ihnen Schmerzensgeld einfordern.
Der Fall dürfte mit dem Urteil definitiv abgeschlossen sein.
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