„Magnago würde sich im Grab umdrehen“
Ex-LH Luis Durnwalder über sein 33-Punkte-Programm für den Autonomiekonvent, die unnütze Region – und den schwindenden Mut innerhalb der Südtiroler Volkspartei.
Tageszeitung: Herr Durnwalder, Sie haben dem Autonomiekonvent ein 33-Punkte-Programm mit Vorschlägen für eine Abänderung des zweiten Statuts vorgelegt. Wie ist der Stand der Dinge?
Luis Durnwalder: Der Autonomiekonvent wird nicht, wie es anfangs immer geheißen hat, einen fertigen Gesetzentwurf verabschieden, sondern er wird nur ein Enddokument mit Abänderungsvorschlägen an den Landtag weiterleiten. Wahrscheinlich wird dieses Dokument nicht mehr sein als ein frommer Wunsch ans Christkind. Meine 33 Punkte dienen als Grundlage dafür, dass sich der Landtag ein Bild machen kann, was wir gerne hätten.
Wie bewerten die Mitglieder des Konvents Ihre Vorschläge?
Bei 70 Prozent der Vorschläge herrscht im Konvent Einstimmigkeit. Zum Beispiel bei der Übertragung der Kompetenzen für die Raumordnung und den Umweltschutz vom Staat an die Autonome Provinz. Da sehen wir keine allzu große Schwierigkeit. Genauso wenig wie bei der Verankerung des Grundsatzes, dass all das, was Regionen mit Normalstatut bekommen, automatisch auch auf Südtirol übergeht. Konsens gibt es auch bei der Übertragung der Zuständigkeit des Polizeiwesens auf Orts- und Landesebene sowie bei der Übernahme des Lehrpersonals ans Land. Weiters fordern wir, dass die Toponomastik-Frage auf Grundlage des Durnwalder-Fitto-Abkommens geregelt werden soll, wobei ich davon ausgehe, dass dieses Problem noch lange ungelöst bleiben wird. Wir fordern auch die Zuständigkeit für die Verteilung der Post ein. Was das Land mit dem Staat jetzt vereinbart hat, entspricht nicht diesen Vorstellungen: Laut dem neuen Abkommen zahlen wir nur für die Verteilung der Post, während die Kompetenzen beim Staat bleiben.
Was sind die umstrittensten Punkte?
Unterschiedliche Auffassungen gibt es bei Ausschaltung der Allgemeinen Koordinierungsbefugnis des Staates und der Abschaffung des Nationalen Interesses. Meiner Meinung nach soll es bei der Landesgesetzgebung nur mehr drei Einschränkungen geben: die Verfassung, die EU-Richtlinien und die internationalen Verträge. Mein Programm sieht auch die Verankerung des Rechts vor, mit anderen Regionen und Minderheiten zusammenzuarbeiten und Verträge abzuschließen. Das verstehen einige als Außenpolitik.
Meinungsverschiedenheiten gibt es auch bei der Forderung nach einer Abschaffung des Regierungskommissariats?
Ja, auch der Landeshauptmann dürfte hier dagegen sein. Das Regierungskommissariat ist ein Überbleibsel aus einer Zeit, in der noch der Staat alle Kompetenzen innehatte. Damals schickte er in jede Region einen Aufpasser hin. Das hat heute keinen Sinn mehr, weil das Land seit 2001 direkt mit Rom – und nicht mehr mit dem Regierungskommissariat verhandelt. Durch eine Abschaffung des Regierungskommissariats könnten wir eine Menge Geld einsparen. Die Kompetenzen des Regierungskommissariats sollen dem Land und dem Landeshauptmann übertragen werden.
Der umstrittenste Punkt Ihres Programms ist aber die Abschaffung der Region?
Hier haben die beiden Länder zuletzt leider Taten gesetzt, die diesem Ziel widersprechen. Mit der Übernahme des Gerichtspersonals durch die Region wurde die Region weiter aufgewertet. Wenn der Landeshauptmann die Region als Koordinierungsstelle bezeichnet, dann wertet er diese damit praktisch auf. Auch ich bin dafür, dass die beiden Länder Südtirol und Trentino zusammenarbeiten. Dafür braucht es aber keine Region, sondern eine Art „Consulta“, in der sich die beiden Landtage drei oder vier Mal im Jahr treffen. Was soll die Region in ihrer heutigen Form noch koordinieren, wenn sie keine Zuständigkeiten mehr hat?
Arno Kompatscher unterscheidet strikt zwischen der politischen und der verwaltungstechnischen Rolle der Region …
Ich bin der Meinung, dass es falsch ist, wenn die Region ihre eigene Verwaltung und ihr eigenes Personal behält. Das ist schade ums Geld. Genauso wenig macht es Sinn, wenn wir bestimmte Kompetenzen bei der Region lassen. Die beiden Länder agieren heute komplett unterschiedlich. Die Region ist seit 1945 die Hauptursache aller Streitigkeiten. Wenn die Region nach dem Zweiten Weltkrieg nicht aus politischen Gründen aufgewertet worden wäre, dann hätte es kein Sigmundskron und keine Bombenjahre in den 60ern gegeben. Die SVP um Silvius Magnago, Hans Dietl und Peter Brugger hat damals schon die Abschaffung der Region und die Übertragung der Kompetenzen an die beiden Länder gefordert. Die Umsetzung dieses Ziels ist der Partei aber immer verwehrt geblieben. Ich bin der Meinung: Wenn der Konvent schon eine Zukunftsvision für Südtirol vorlegen soll, dann müssen wir die Abschaffung der Region einfordern.
Denn sonst?
Fakt ist, dass Südtirol in der Region schlechter dasteht als das Trentino. Trient ist die regionale Hauptstadt und Hauptsitz der Gerichte. Wenn das Enddokument des Konvents statt einer Abschaffung der Region nur schwammige Formulierungen enthält, dann wäre das äußerst problematisch.
Befürchten Sie das?
Der Konvent hat sich so entwickelt, wie ich es mir erwartet habe. Ich habe das Gefühl, man wollte mit dem Konvent eine Art von Basisdemokratie vorzeigen. Wir dürfen nicht abstimmen, sondern sollen so lange diskutieren, bis wir uns alle einig sind. Ich bin der Auffassung, dass wir zumindest sagen müssen: „Weg mit der Region!“ Auch die SVP muss den Mut aufbringen und die Abschaffung der Region einfordern. Wenn manche in der Parteispitze meinen, Magnago hätte heute eine Freude mit der Partei, dann sage ich: Magnago hätte sich im Grab umgedreht, wenn er wüsste, dass die SVP nicht mehr die Abschaffung der Region verlangt.
Ein Ziel, das aber kaum zu erreichen ist?
Sicher wird der Staat nicht am nächsten Tag sagen, dass die Region abgeschafft wird. Wir dürfen aber nicht das aufgeben, was unsere Vorgänger mit Gewalt zu erreichen versucht haben. Diesen Mut dürfen wir nicht verlieren.
Interview: Matthias Kofler
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