Datenstau im Spital
Ein tragischer Verkehrsunfall, bei dem ein junger Radfahrer das Leben verlor, hatte ein gerichtliches Nachspiel.
Von Thomas Vikoler
Ein Polytrauma, wie es der 24-jährige Radfahrer aus Meran an jenem 22. Juni 2013 erlitt, endet normalerweise nicht tödlich. Der Radfahrer war mit seinem Mountainbike auf einer schmalen Straße oberhalb von Partschins unterwegs, ihn ein PKW streife und er zu Sturz kam.
Der Unfall ereignete sich gegen 17.00 Uhr. Sechs Stunden später, gegen 23.00 Uhr, verstarb der Radfahrer am Operationstisch im Bozner Krankenhaus. Eine gebrochene Rippe hatte eine Blutung in der Lunge verursacht, die dem Radfahrer das Leben kostete.
Die dazugehörige Ermittlung der Staatsanwaltschaft Bozen gegen zwei Ärzte des Meraner Spitals (dem Notarzt, der zur Unfallstelle gerufen wurde, und einem Erste-Hilfe-Arzt) wird nun eingestellt.
Es lasse sich kein direkter Zusammenhang zwischen dem Verhalten der Ärzte und dem Tod des Patienten nachweisen, schreibt Voruntersuchungsrichter Emilio Schönsberg in seiner Archivierungsverfügung.
Laut Staatsanwaltschaft hätte der Patient gleich ins Bozner Krankenhaus geflogen werden sollen, wo man auf chirurgische Eingriffe im Lungen-Bereich spezialisiert ist. Dennoch wurde die Einstellung des Strafverfahrens gegen die beiden Ärzte zum Verdacht der fahrlässigen Tötung beantragt.
Dagegen stellten sich die Eltern des Verstorbenen, die über ihren Anwalt Alessandro Tonon weitere Ermittlungen zu dem Fall forderten. Sie beklagten einen fatalen Mangel im hiesigen Sanitätssystem, der die Überlebenschancen wesentlich verringert habe.
Nämlich die nicht einheitlichen Informatiksysteme der Sanitätsbezirke mit dem Fehlen einer einheitlichen Patientenakte.
Im konkreten Fall dauerte die Übertragung der Röntgenbilder vom Krankenhaus Meran zum Krankenhaus Bozen via E-Mail eine knappe Stunde. Angeblich gab es an jenem Abend auch einen technischen Defekt. Nach dieser für das digitale Zeitalter steinzeitlichen Zeitspanne wurde die Meraner Erste Hilfe telefonisch aufgefordert, den Schwerverletzten nach Bozen zu bringen.
Wertvolle Zeit sei dabei verloren gegangen, in der das Leben des Radfahrers hätte gerettet werden können, sagt Opfer-Anwalt Tonon.
Den Datenstau zwischen Bozen und Meran, das fehlen einer einheitlichen Krankenakte, bezeichnet Richter Schönsberg in seiner Archivierungsverfügung als „fragwürdig“. Eine letzte Gewissheit, dass das Leben des Radfahrers bei einem schnelleren Datenaustausch hätte gerettet werden können, gebe es aber nicht.
Alles keine strafrechtlich verantwortlichen Sanitätsverwalter und keine verantwortlichen Ärzte.
Zur Position der beiden tatverdächtigen Ärzte folgte der Richter seinem Gutachter Gian Aristide Norelli, ein Rechtsmediziner aus Florenz. Dieser hatte festgestellt,
dass bei einer Lungenblutung der Tod zumeist sehr rasch eintritt. Und das in diesem Fall die Ärzte keine Schuld trifft.
In Sachen Kommunikation zwischen den Sanitätsbezirken ist immerhin Abhilfe in Sicht. Ende vergangenen Jahres hatte die Landesregierung beschlossen, eine im gesamten Sanitätsbetrieb einheitliche Krankenakte einzuführen. Die Übertragung von Röntgenbildern via E-Mail sollte im Laufe dieses Jahres ein Ende haben.
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