Prickelndes Geschäft
Neue Details zu den lächerlich niedrigen Jahreszinsen für die Mineralwasser-Produzenten: Je 1.000 Liter an abgefülltem Mineralwasser erhält das Land im Schnitt 0,48 Euro.
von Heinrich Schwarz
Als der Landtagsabgeordnete Alessandro Urzì vor zwei Wochen die läppischen Jahreszinse für die Abfüllung von Südtiroler Mineralwasser aufdeckte, war die Empörung groß. Die Unternehmen, die das Mineralwasser-Vorkommen des Landes als Konzessionäre nutzen, müssen einen Jahreszins von gerade einmal 7.114,20 Euro zahlen. Die Forst AG bzw. die Acqaueforst GmbH ist für die Quelle am Vigiljoch sogar vom Jahreszins befreit.
„Ein Skandal“, so Urzì, „die lächerlichen Kosten stehen in keinem Verhältnis zu den enormen Erträgen.“ Der Politiker von „L’Alto Adige nel cuore“ hat bereits den Rechnungshof eingeschalten.
Indes hat sich auch der Freiheitliche Abgeordnete Pius Leitner in die Mineralwasser-Thematik eingeklinkt. Er wollte von der Landesregierung in einer Landtagsanfrage wissen, welchen Mengen an Mineralwasser die einzelnen in Südtirol tätigen Betriebe jährlich abfüllen.
Insgesamt, so geht aus der Antwort von Umweltlandesrat Richard Theiner hervor, werden in Südtirol jährlich insgesamt rund 60 Millionen Liter Mineralwasser in Flaschen abgefüllt. Die letzten verfügbaren Zahlen beziehen sich auf das Jahr 2015. Die Produzenten müssen die Daten jedes Jahr innerhalb Februar dem Amt für Gewässernutzung mitteilen.
Der größte Mineralwasser-Produzent des Landes ist die Plose Quelle AG der Familie Fellin. Im Jahr 2015 füllte sie 31,9 Millionen Liter Mineralwasser ab. Stellt man diese Zahl in ein Verhältnis zum Jahreszins von 7.114,20 Euro, so musste die Plose Quelle AG dem Land 0,022 Cent pro Liter zahlen, also 0,22 Euro pro 1.000 Liter.
Die Kaiserwasser GmbH im Besitz der Forst AG nutzt in Innichen gleich zwei Mineralwasser-Quellen. Vertrieben wird das kostbare Wasser unter den Marken Kaiserwasser und Lavaredo. An der Kaiserwasser-Quelle wurden im Jahr 2015 insgesamt 5,9 Millionen Liter in Flaschen abgefüllt, was einem Wasserzins von 1,20 Euro je 1.000 Liter entspricht. An der Lavaredo-Quelle wurden hingegen 676.346 abgefüllte Liter gezählt. Damit ist das Verhältnis zum Jahreszins mit 10,52 Euro je 1.000 Liter das höchste.
Die Brenner Thermalquellen GmbH der Familie Giuliani füllte 2015 insgesamt vier Millionen Liter des Sankt-Zacharias-Mineralwassers ab. Damit fielen 1,77 Euro je 1.000 Liter an Konzessionskosten an.
Die Acquaeforst GmbH im Besitz der Forst AG ist mit ihrer Quelle am Vigiljoch (Meraner Mineralwasser) der zweitgrößte Produzent des Landes. Rund 16,7 Millionen Liter wurden im Jahr 2015 abgefüllt. Jahreszins: null Euro.
Hintergrund der Zahlungsbefreiung ist – wie die TAGESZEITUNG bereits berichtete – das Regionalgesetz Nr. 22 aus dem Jahr 1954 mit dem Titel „Beteiligung der Region an der Gründung der Gesellschaft für die Verwertung und Ausbeutung der radioaktiven Gewässer von Meran“. In diesem Gesetz wurde festgeschrieben, dass diese Gesellschaft keine Konzessionsgebühr zu entrichten hat.
1958 wurde dann die Aktiengesellschaft S.A.L.V.A.R. AG gegründet – die heutige Therme Meran AG. Die Gesellschaft mit dem Staat als Mehrheitseigentümer begann im Jahr 1960 mit dem Bau des Meraner Kurbades und mit der Abfüllung von Mineralwasser.
Beim Land ist man noch beim Überprüfen, was sich vor Jahrzehnten alles getan hat. Thomas Senoner, Direktor des Amtes für Gewässernutzung, kann auf Anfrage der TAGESZEITUNG nur so viel sagen: „Nachdem die Acquaeforst eingestiegen ist und die Bereiche Kurbad und Mineralwasser-Abfüllung getrennt wurden, wurde festgehalten, dass die Befreiung weiter aufrecht bleibt.“
Warum das Land die Unterlagen rund um die Mineralwasser-Quelle am Vigiljoch genau unter die Lupe nimmt, hat mit einer geplanten Änderung des Wassernutzungsgesetzes von 2005 zu tun:
Der Jahreszins soll „spürbar erhöht werden“ (O-Ton Richard Theiner). Bevor das Gesetz verabschiedet wird, will man aber zuerst abwarten, was sich auf staatlicher Ebene tut. Auch national ist eine Anpassung geplant, in deren Rahmen sich Südtirol bewegen will.
„Mit einer Gesetzesänderung sollen auch die Folgen des Regionalgesetzes von 1954 genauer festgehalten werden“, so Amtsdirektor Thomas Senoner in Bezug auf Acquaeforst.
Der Umweltschutzverband Legambiente untersucht regelmäßig die Höhe der „lächerlichen“ Jahreszinse in den einzelnen Regionen Italiens. Rund die Hälfte der Regionen schneidet in der letzten Ausgabe von 2014 gut ab. Die Provinz Bozen hingegen ist „durchgefallen“.
Im Schnitt, so Legambiente, liegt der Jahreszins für die Abfüllbetriebe national bei einem Euro je 1.000 Liter. In Südtirol liegt der Schnitt laut den Zahlen des Landes bei gerade einmal 0,48 Euro je 1.000 Liter (siehe Grafik).
„Das öffentliche Gut Wasser darf zu keinem ausschließlichen Spekulationsgut werden, sondern ist als Allgemeingut zu schützen und im Interesse der Bürger ökonomisch zu verwalten,“, so der Kommentar von Pius Leitner.
Aus der Anfrage geht übrigens hervor, dass von den rund 60 Millionen Litern, die aus Südtirols Mineralquellen abgefüllt werden, rund 56 Prozent für den Südtiroler Markt bestimmt sind.
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