Das Rosa Alpina-Gutachten
Nun liegt das Gutachten des Landesrechtsamts zur Causa Hotel Rosa Alpingvor. Es enthält jene juristische Begründung, mit der die Landesregierung am Dienstag den Anwohner-Rekurs abweisen wird.
Von Thomas Vikoler
Es gibt Science Fiction und in Südtirol auch Jus Fiction. Besonders auf dem Gebiet der Raum(un)ordnung. Ein Labyrinth von Gesetzes-Bestimmungen, die je nach Bedarf ausgelegt werden können. Mit authentischen Interpretationen, die plötzlich nur mehr auf den Einzelfall zu beziehen sind. Und die im Einzelfall bemerkenswerterweise Hotel Alpenrose nicht anzuwenden sind.
Zu diesem Schluss kommt ein Rechtsgutachten der Landesanwältin Renate von Guggenberg, das den Streitfall um die Errichtung einer Hofstelle beim Luxushotel Rosa Alpina in St. Kassian vorerst entscheiden wird.
Das Gutachten liegt der TAGESZEITUNG exklusiv vor.
„Es muss die Auffassung vertreten werden, dass die von der Gemeinde Abtei erlassene Baukonzession rechtens ist“, heißt es am Ende des Guggenberg-Gutachtens. Auf dessen Grundlage wird die Landesregierung am kommenden Dienstag aller Voraussicht nach den Rekurs der Anwohner Luca Crazzolara, Vito Agreiter und Christian Crazzolara, eingebracht am 4. Juli 2016, abweisen.
Um zu diesem Schluss zu kommen, waren sechs dichtbeschriebene Seiten und einige juristische Akrobatik bzw. Fiktion notwendig. Rechtsamtsleiterin Guggenberg betont, dass es sich um einen „fürwahr vertrackten Rechtsfall“ handle.
Sie fasst die Kernfrage dazu so zusammen: Welche landwirtschaftliche Baumasse ist in der authentischen Auslegung von Artikel 107bis, Absatz 9 des Urbanistikgesetzes gemeint, mit der der Gesetzgeber offensichtlich auf zwei Urteile des Bozner Verwaltungsgerichts (Nr. 284/2009 und Nr. 4/2010) reagierte? Es geht darum um die auffallend einfache Frage, ob das Höchstmaß von 1.000 Kubikmetern für die Errichtung eines geschlossenen Hofes (Wohnhaus) von der nicht landwirtschaftlichen Baumasse abgezogen werden muss (in diesem Fall die Hotelkubatur in einer Wohn-Auffüllzone) oder nicht.
Die Raumordnungskommission kam im vergangenen November diesbezüglich zu einem eindeutigen Ergebnis: Die 1.000 Kubikmeter für das Hofgebäude sind durch die 4.249 Kubikmeter Wohnvolumen (das Hotel) bereits verbraucht. Auch wenn das Hotel Teil eines geschlossenen Hofes ist, bestehe kein Recht, eine Hofstelle zu errichten.
Das Gutachten des Rechtsamtes kommt, angelehnt an ein nachträgliches Gutachten des Rechtsanwalts und Parlamentariers Manfred Schullian für die Gemeinde Abtei, zum gegenteiligen Schluss.
Es geht nämlich davon aus, dass sich die authentische Auslegung zu Artikel 107 ausschließlich auf Bauvolumen im landwirtschaftlichen Grün beziehe. Und nicht auf Kubatur einer B-Zone wie beim Hotel Alpenrose. „Dabei wollte der Gesetze gerade jene Fälle klargestellt haben, wo es zu einer missbräuchlichen wundersamen Vermehrung im landwirtschaftlichen Grün der Baumassen mannigfachster Prägung und Zweckbestimmung gekommen ist“, schreibt Guggenberg.
Die Auslegungsnorm bediene sich zudem einer „fictio juris“, einer juristischen Funktion, „nämlich die Sachlage so zu betrachten, als ob jene nicht landwirtschaftliche Baumasse, die ausschließlich an der Hofstelle eines geschlossenen Hofes (und nicht das zum gesamten Bestand eines geschlossenen Hofes gehörende Wohnvolumen) vor 1992 errichtet worden ist“, wie es im Gutachten heißt.
Am 5. April findet am Verwaltungsgericht die Verhandlung zu einem Rekurs der Anwohner gegen die Baugenehmigung Nr. 42/2016 vom 10. Mai 2016 statt. Erst mit dem Urteil wird die Frage beantwortet, welche Auslegung die richtigere ist.
Setzt sich die des Rechtsamtes (und der Landesregierung) durch, dürften zahlreiche Südtiroler Hoteliere wieder zu Bauern werden. Jedenfalls Hofeigentümer.
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