„Ich bin zornig“
Der Chef der Südtiroler Primare, Hubert Messner, kann einen Großteil der im offenen Brief der 158 Medizin-Studenten angeführten Vorwürfe nicht nachvollziehen – und ist über den harschen Ton erzürnt.
TAGESZEITUNG Online: Herr Primar, Sie haben den Brief der 158 Medizin-Studenten gelesen?
Hubert Messner: Ja, ich habe den ganzen Brief gelesen. Ich war sehr verärgert. Wenn es einleitend heißt, wir „alten“ Ärzte wären die braven Buben, die sich nicht getraut haben, den Mund aufzumachen und sich in die Politik einzumischen, um in Zeiten der Ärzteschwemme einen Job zu kriegen oder nicht zu verlieren, dann haben sie zum Teil recht. Wir haben als Chefärzte große Fehler gemacht, weil wir uns in unsere tägliche Arbeit zurückgezogen und uns nicht mehr um die Strategie und um die Gesundheitspolitik gekümmert haben. Aber ich würde sagen: Die letzten Jahre hat sich schon etwas geändert.
Inwiefern?
Ich bin ja auch nicht glücklich darüber – und auch da haben die Studenten ein bisschen recht –, dass viele Probleme von einem Landesrat auf den anderen vererbt wurden. Bestimmte Probleme wurden nie angegangen …
Wie etwa?
Wie beispielsweise die Themen Personalentwicklung, Stellenplanung. Es wurden viele Fehler gemacht, aber wir haben der Politik oft gesagt, dass wir in einen großen Ärztemangel reinrutschen werden. Was ich aber nicht akzeptieren kann …
… ist der Vorwurf, medizinisch sei Südtirol auf bananenrepublikanischem Niveau?
Ja, ich kann nicht akzeptieren, dass in dem Brief gesagt wird, wir hätten in Südtirol nicht das Niveau, Jungärzte auszubilden. Bozen und Meran sind Lehrkrankenhäuser der Universität Innsbruck. Und verschiedene Abteilungen haben Abkommen mit italienischen Universitäten, mit Verona und Padua. Diese Abteilungen bilden ebenfalls Fachärzte aus. Das war immer schon so.
Die Medizin-Studenten weisen in ihrem offenen Brief aus das Problem der Studientitel-Anerkennung hin …
Das ist effektiv ein großes Problem.
Das italienische Ministerium erkennt keinen Titel von Studenten an, die ihre Facharztausbildung auf italienischem Boden in Strukturen gemacht haben, die vom Ministerium und von den Unis nicht als solche anerkannt, also akkreditiert worden sind. Österreich, wo die Ausbildung von den Ärztekammern abhängt, hat sich dann klarerweise zurückgezogen. Jetzt laufen intensive Gespräche zwischen den Ministerien, um eine Lösung zu finden.
Sie sind zuversichtlich?
Ja, Italien muss die Strukturen anerkennen und auch Österreich muss die Abteilungen akkreditieren. Eine Arbeitsgruppe im Assessorat treibt dies voran. Wir versuchen, die Ausbildung in Südtirol zu machen, wir haben auch die Möglichkeiten und die Fähigkeiten dazu. Wir brauchen allerdings die Akkreditierungen vom italienischen Ministerium und von der Ärztekammer Wien.
Das Thema ist komplex?
Ja, der Ausbildungsweg in Österreich ist ein ganz anderer. Italien hat gesagt: Wir können nicht akzeptieren, dass in italienischen Strukturen, die wir nicht akkreditiert haben, Leute für einen österreichischen Facharzttitel ausgebildet werden. Diese Argumentation ist auch verständlich. Denn Italien sagt: Wie kommen denn die dazu, sich über den österreichischen Weg auszubilden?
Der Ton in dem offenen Brief ist streckenweise sehr hart, harsch.
Der Brief ist sehr von oben herab geschrieben. Ich würde den Medizinstudenten – denen ich zum Teil auch Recht geben kann – raten: Bevor ihr solche Briefe schreibt, solltet ihr die Situation schon genau kennen. Der Brief ist ziemlich oberflächlich geschrieben. Ich denke, wenn man sich mit den Studenten treffen würde, könnte man Vieles aus dem Weg räumen.
Beispielsweise?
Beispielsweise die Sache mit den Werkverträgen. Wir versuchen, diese in Zeitverträge umzuwandeln, damit die Ärzte sozial abgesichert sind. Diese Zeitverträge gelten auch nicht eine Ewigkeit, sondern wir halten alle sechs Monate Wettbewerbe ab. Wenn die Jungärzte nach Südtirol kommen wollen, dann nehmen wir sie mit offenen Armen auf. Und was auch stimmt: Wir haben die neue EU-Arbeitszeitenregelung spät eingeführt – und wir handhaben sie päpstlicher als der Papst. Was mich aber am meisten an dem Brief ärgert …
Das wäre?
Mich ärgert am meisten der Vorwurf, wir Ärzte wären nicht up to date. Vom jüngsten Assistenten bis zum ältesten Primar: Alle sind verpflichtet, sich fortzubilden, jeder von uns macht das. Man kann nicht sagen, wir machen eine Sch…-Medizin. Wir machen eine Medizin, die europäischen Standard hat. Und es ist auch nicht so, dass wir in Südtirol alles demotivierte Ärzte hätten …
… sondern?
Die Ärzte sind motiviert, vor alle die jungen! Mich ärgert der Ton in diesem Brief. Und meine Sorge ist, dass sich das jemand instrumentalisieren lässt …
Nämlich?
Das kann ich nicht laut sagen, aber das ist mein Bauchgefühl.
Interview: Artur Oberhofer
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