Mattarellas Zweifel
Der Staatspräsident hat die Durchführungsbestimmung zur öffentlichen Auftragsvergabe noch immer nicht unterschrieben. Indes muss das neue Landesgesetz an die staatlichen Bestimmungen angepasst werden. Die Gemeinden sind verärgert.
von Heinrich Schwarz
Der Rat der Gemeinden, der zu allen Gesetzesentwürfen der Landesregierung ein Gutachten abgibt, ahnt Schlimmes. Er befürchtet, so heißt es im Gutachten zum Gesetzesentwurf zur öffentlichen Auftragsvergabe, „dass mit den Anpassungen an die staatliche Vergaberegelung, welche mit dem gegenständlichen Gesetzesentwurf vorgenommen werden, der erste Schritt gesetzt wird, um die begrenzte autonome Ausrichtung des Landesvergabegesetzes scheibchenweise auszuhöhlen.“
Der zuständige Gesetzgebungsausschuss des Landtages hat den Entwurf Anfang letzter Woche genehmigt, ohne die Forderungen des Rates der Gemeinden zu berücksichtigen. In dieser Woche wird sich das Landtagsplenum mit dem Text befassen.
Konkret geht es um Änderungen des Landesgesetzes Nr. 16 vom Dezember 2015, dem Südtiroler Vergabegesetz. „Es handelt sich um eines der wichtigsten Gesetze der Legislaturperiode. Wir schaffen damit bessere Rahmenbedingungen für die Wirtschaft und die Grundlage für neue Arbeitsplätze“, sagte Landeshauptmann Arno Kompatscher bei der Verabschiedung vor über einem Jahr.
Südtirol war eine der ersten Regionen in Europa, die die neuen EU-Richtlinien zur Auftragsvergabe umgesetzt hat. „Wir wussten natürlich, dass auch Italien ein neues Vergabegesetz verabschieden wird, wir wollten aber schon vorab gewisse Dinge in einen Rahmen bringen. Dabei haben wir neue autonome Spielräume ausgenutzt, da eine Durchführungsbestimmung zum Autonomiestatut auf dem Weg war“, sagt Christian Tschurtschenthaler (SVP), Präsident des III. Gesetzgebungsausschusses. Die Regierung habe das Landesvergabegesetz deshalb nicht angefochten.
Inzwischen hat der Staat sein neues Vergabegesetz genehmigt. Und weil das Südtiroler Gesetz teilweise von den staatlichen Bestimmungen abweicht, muss es jetzt angepasst werden. „Südtirol beweist damit Handschlagqualität. Nach monatelangen Verhandlungen in Rom konnten die Korrekturwünsche des Staates jedoch auf ein Minimum reduziert werden“, so Tschurtschenthaler.
Was an der ganzen Geschichte kurios ist: Die italienische Regierung hat im Mai 2016 die Durchführungsbestimmung genehmigt, doch Staatspräsident Sergio Mattarella hat sie nicht unterzeichnet. Sie ist deshalb noch nicht in Kraft getreten.
„Das Rechtsamt des Quirinals hat in einer technischen Frage Zweifel aufgeworfen und spricht wegen einer fehlenden Präzisierung von einer möglichen Verfassungswidrigkeit. Jetzt dürften vier bis fünf Wörter eingefügt werden, die in der Sache jedoch – so sagt man mir – 0,0 Prozent ändern“, erklärt Arno Kompatscher.
Der Rat der Gemeinden hat angeregt, mit der Verabschiedung des Gesetzesentwurfes bis zum Inkrafttreten der Durchführungsbestimmung abzuwarten. „Eine Reihe von Änderungen würden dadurch wahrscheinlich hinfällig“, heißt es im Gutachten.
Kompatscher betont jedoch, dass die notwendigen Anpassungen in keinem Zusammenhang mit der Durchführungsbestimmung stehen. Er sagt ebenso wie Christian Tschurtschenthaler, dass die Änderungen relativ marginal seien und die Zweifel der Gemeinden in einer Anhörung mit Gemeindenverbands-Präsident Andreas Schatzer ausgeräumt worden seien.
Doch Schatzer erklärt, dass sich an den Befürchtungen nichts geändert habe: „Für uns Gemeinden bringen die Abänderungen in verschiedenster Hinsicht Verschlechterungen und enorme bürokratische Belastungen mit sich.“ Unter anderem werde der Passus gestrichen, wonach der graphische Entwurf für Bauaufträge bis 40.000 Euro samt Angebot direkt von den Betrieben ausgearbeitet werden kann. „Künftig müssen de facto die Gemeinden ein Projekt erstellen und dem Handwerker zuschicken“, so Schatzer. Und bei Regiearbeiten seien künftig zusätzliche Meldungen notwendig.
Die Sorgen kann Arno Kompatscher nicht verstehen: „Als problematisch sehe ich nur die Wiedereinführung der provisorischen Kaution an. Hier sind wir jedoch beim Nachverhandeln. Ansonsten gibt es nur Scheinprobleme, die alle lösbar sind.“
Der Landeshauptmann holt zur Kritik aus: „Die größten Feinde der Autonomie orten wir immer in Rom und in Brüssel. Ich stelle aber immer mehr fest, dass sie sich häufig in den Landhäusern und Gemeindestuben befinden, weil sich Leute nicht getrauen, die Gesetze so anzuwenden wie man es eigentlich tun sollte. Einen Knieschlatterer zu kriegen, nützt nichts. Da müssen wir mehr den Tiroler herauslassen.“
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