Der Weg des Testosterons
Am 17. Jänner startet am Bozner Landesgericht das Beweissicherungsverfahren zum zweiten Dopingfall von Olympiasieger Alex Schwazer. Mit ungewissem Ausgang.
Von Thomas Vikoler
„Es war Rache“. Das sagte Olympiasieger Alex Schwazer vor Weihnachten im großen Interview mit der TAGESZEITUNG über seine positive Testosteron-Probe. Das Urin dafür wurde genau vor einem Jahr und zwei Tagen genommen (am Neujahrstag 2016), der positive Befund bei einem Nachtest fünf Monate später festgestellt.
Eine der Anomalien in einem Strafverfahren am Bozner Landesgericht gegen Schwazer (wegen Verstoßes gegen das Dopinggesetz), das nun endlich in Fahrt kommt. Voruntersuchungsrichter Walter Pelino hat den Start des dazugehörigen Beweissicherungsverfahrens auf den 17. Jänner festgelegt.
Da wird er am Landesgericht jene zwei Gutachter vereidigen, welche Licht in den mysteriösen Fall bringen sollen. Es sind dies Gianpietro Lago, Direktor des Carabinieri-Spurensicherungslabors RIS in Parma, und der Turiner Chemie-Professor Marco Vincenti.
RIS-Direktor Lago, ein studierter Biologe, wird den Auftrag erhalten, im Urin, das weiter unter Beschlagnahme im Kölner Labor für Biochemie gelagert ist, auf fremde DNA-Spuren zu untersuchen. Lago, einer der bekanntesten Doping-Experten Italiens, erhält eine weit schwierigere Aufgabe: Er muss herausfinden, auf welchem Weg das Testosteron in das Urin des Geher aus Kalch gelangt ist. Hier gibt es zwei mögliche Varianten: Über den Verdauungsapparat oder von außen zugesetzt. Gelingt der Beweis für den zweiten Fall, wäre eine Manipulation durch Dritte so gut wie bewiesen.
Alex Schwazer vermutet, dass ein Racheplan des internationalen Leichtathletik-Verbandes IAAF in Verbindung mit russischen Funktionären dahintersteht. Auch unter Mitwirkung von Giuseppe Fischetto, jenem italienischen IAAF-Antidoping-Verantwortlichen, den er im Bozner Beihilfe-Prozess am Bozner Landesgericht zu seinem ersten Doping-Fall schwer belastet hat.
Richter Walter Pelino scheint ebenfalls davon überzeugt zu sein, dass es eine Manipulation gegeben hat. Denn dass in einem Strafverfahren ein Beweissicherungsverfahren eingeleitet wird, das zuallererst den Zweck hat, den Tatverdächtigen zu entlasten, ist eine absolute Seltenheit.
Gelingt der Beweis, wäre das der automatische Start für ein neues Strafverfahren wegen Sportbetrugs. Das Verfahren gegen Schwazer würde hingegen eingestellt. Dafür genügte auch ein kleiner Hinweis auf eine Manipulation durch Dritte.
Doch der Ausgang des Beweissicherungsverfahrens ist ungewiss. Wenn manipuliert wurde, dann waren mit Sicherheit Profis am Werk. Personen, die dafür sorgten, an dem Urin-Behälter keine Spuren zu hinterlassen. Wie der über den McLaren-Report aufgedeckte Fall Sotschi gezeigt hat (bei der Olympiade 2014 wurden Urin-Proben mit Hilfe des Geheimdienstes geöffnet und dopingfreier Urin hineingegeben), lassen sich die Behälter nachträglich öffnen und wieder verschließen.
Dass Gutachter Gainpietro Lago in Schwazers Probe fremde DNA findet, ist aber eher unwahrscheinlich. Wahrscheinlicher ist es, dass der zweite Gutachter Marco Vincenti auf sogenannte künstliche Metaboliten stößt, die mit dem Testosteron in das Urin gelangt sind. Das wäre der ultimative Beweis für eine Manipulation.
Weiter offen ist vorerst die Frage, wo das Beweissicherungsverfahren stattfindet. Möglicherweise im RIS-Labor in Parma, die Gerichtsgutachter könnten aber auch zum Schluss kommen, es im derzeitigen Aufbewahrungsort in Köln durchzuführen. Auch um einen Verlust des wichtigsten Beweismittels zu vermeiden.
An dem Verfahren ist – vorerst als geschädigte Partei – auch die IAAF beteiligt, die internationale Antidoping-Behörde WADA wird ebenfalls einen Gutachter entsenden. So wie auch die Verteidigung Schwazers.
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