„Vergiftetes Geschenk“
Was bedeutet das politische Chaos in der römischen Movimento-5-Stelle-Regierung für den Südtiroler Parteiableger? Paul Köllensperger beruhigt: „Wir teilen uns nur das Logo.“
TAGESZEITUNG: Herr Köllensperger, was lernen wir denn aus der politischen Situation in Rom? Alle Wege führen in die Korruption?
Paul Köllensperger: Nein, Korruption sehen wir bis jetzt nur bei Raffaele Marra (ein Vertrauter Virginia Raggis, der wegen Korruptionsvorwürfen verhaftet wurde, Anm. d. Red.) und der ist weder Politiker noch ein Vertreter der 5 Stelle. Natürlich trägt Bürgermeisterin Raggi politische Verantwortung, weil sie trotz der Warnungen der eigenen Kollegen in der Bewegung an ihm festgehalten hat. Außerdem geht es hier um Telefonabhörungen von 2013, als Marra noch unter dem PD-Bürgermeister Marino stand.
Man hätte ihn nicht übernehmen müssen.
Er hatte Erfahrung. Aber das ist das Problem der 5 Stelle: Man besitzt keine eigenen Funktionäre, die man einsetzen könnte. Das wäre auch nicht im Sinne der Bewegung.
Raggi hatte in den letzten Wochen ja auch andere Probleme: Der halbe Stadtrat ist ihr abhanden gekommen und ihr Haushalt wurde von den Revisoren abgelehnt.
Dazu sollte man aber sagen, dass es äußerst ungewöhnlich ist, dass eine Bürgermeisterin den Haushalt schon im Dezember präsentiert. Alle ihre Vorgänger haben sich dafür bis Ende Februar Zeit gelassen. Die Ablehnung ist außerdem ein klarer politischer Seitenhieb gegen Raggi. Natürlich summieren sich die Ausrutscher, dazu kommt, dass die Bürgermeisterin kein glückliches Händchen bei der Assessoren-Auswahl hatte und nicht gerade ein Organisationstalent ist. Da verdient sie sich nicht die Bestnote. Aber Rom zu regieren ist auch ein schwieriger Job.
Weil der Rückhalt eines Ministerpräsidenten fehlt?
Alle Vorgänger Raggis konnten im schlimmsten Fall immer auf ein „Decreto Salva Roma“ hoffen. Mit dem Schuldenberg, den sie angehäuft haben, sollten sie jetzt nicht auf moralische Instanz machen: Derzeit funktioniert in Rom überhaupt nichts, die Probleme reichen vom Müll über die Elektrizität bis zum öffentlichen Nahverkehr.
Der Movimento 5 Stelle wollte alles besser machen und scheitert jetzt an sich selbst?
Innerhalb der 5-Sterne-Bewegung wurde immer schon diskutiert, dass die Stadtregierung ein vergiftetes Geschenk des PD sein könnte. Man konnte schließlich davon ausgehen, dass kurzfristig nicht alles besser wird. Das ändert aber nichts daran, dass Raggi einen schlechten Start hatte, so kann es nicht weitergehen. Sie ist vielleicht noch nicht gescheitert – aber es ist an der Zeit, dass sie sich am Riemen reißt.
Oder es ist einfach so, dass Macht auch die edelsten Vorhaben korrumpiert?
Nein, es gab ja keine Korruption. Hat Raggi etwa Schmiergelder genommen? Hat sie sich sonst etwas zu Schulden kommen lassen? Das verbreiten noch nicht mal PD-treue Medien. Wäre so etwas wirklich passiert, müsste man drastisch zugreifen, schließlich ist es unsere Grundaufgabe, das politische System auszutauschen. Wenn die Neuen gleich korrupt sind wie die Alten, können wir es gleich bleiben lassen. Das, was in Rom vor sich geht, mag peinlich sein, aber korrupt ist es nicht.
Zumindest hat es gezeigt, dass Ihre Partei gleich verstritten ist wie der Partito Democratico.
Es gibt nicht den einen Movimento – es gibt die Parlamentarier, die Bewegung in Bozen, den Movimento in Rom und viele andere Teile der Partei. Manche davon sind leider verstritten, vor allem in Rom gibt es eine linke und eine rechte Fraktion, da wohnen zwei Seelen in einer Brust.
In Bozen hat Ihr einstiger Bürgermeisterkandidat wegen Streitigkeiten mittlerweile die Partei verlassen.
Nein, das hatte andere Gründe. Rudi Rieder hat sich einfach um Themen gekümmert, die mit dem Movimento 5 Stelle nichts zu tun hatten.
Befürchten Sie durch die Situation in Rom einen Image-Schaden für Ihre Südtiroler Bewegung?
Natürlich wäre es besser, wenn man in Rom Erfolg hätte. Aber wenn Raggi scheitert, könnte sich das in erster Linie negativ auf die Parlamentswahlen auswirken, für die Landtagswahlen ist der Effekt meiner Meinung nach relativ gering. Das sind zwei verschiedene Welten – wir teilen uns nur das Logo.
Interview: Anton Rainer
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