Bischof Karl
Karl Golser war ein Bischof des Geistes, ein großer Kirchenmann, ein Fürsprecher der Kranken und ein Professor mit intellektuellem Charisma, schreibt Arnold Tribus. Ein Nachruf.
Er sei von seinem schweren Leiden erlöst worden, sagen die, die ihn kannten. Ein Leiden, von dem man gar nicht so viel wusste. Verstand der Herr Bischof überhaupt, was um ihn geschah? Ja, sagte man, er verstehe alles und so lebte er in seiner geschützten Gemeinschaft ein ganz normales Leben eines kranken Menschen. Mein Freund Peter Schwienbacher, der sein Partikularsekretär war, umhegte ihn mit seiner getreuen Häuserin, der Frau Vikoler, er las ihm die Zeitung vor, es kam immer ein Priester, der die Messe las. Der Herr Bischof wohnte allem sprachlos bei, denn er, der wortgewaltige Redner und feine Intellektuelle, war ein Sprachloser geworden.
Dass er gerade an Weihnachten, in der Weihnachtsnacht, gestorben sei, das sei eine besondere Gnade, sagte mir eine Frau, die Exzellenz sehr verehrte und sich auch immer ärgerte, wenn viele Pfarrer bei der Messe im Gebet für Papst, Bischof und die Kirche nur „unseren Bischof Ivo“ erwähnten und schon wenige Wochen nach seinem Rücktritt Bischof Karl wegließen, einfach vergaßen, obwohl gerade er der Gebete der Gläubigen und Priester bedurfte. Er ist also still von uns gegangen, unerwartet war es trotzdem, und es wird wohl auch deshalb ein gnadenvoller Tod gewesen sein, weil an Weihnachten die Chöre der Engel besonders schön singen, glaube ich.
Mit dem Tod von Bischof Golser verlieren vor allem die vielen Kranken im Lande einen Fürsprecher, denn sein mutiges Bekenntnis zu seiner Krankheit hat ihn zum zuverlässigen Freund aller Kranken und Leidenden werden lassen. Es hatte einige Zeit gedauert, bis das fromme Christenvolk den allzu plötzlichen Tod von Bischof Wilhelm, den Bischof der Herzen, überwunden hatte. Er war so unerwartet seiner Herde entrissen worden, weshalb die Trauer groß war. Man spürte, wie sehr dieser milde Mann des Friedens die Herzen der SüdtirolerInnen erobert hatte und vor allem die einfachen Leute, denn den Intellektuellen und der kritischen Kirche war er ja zu lau, zu schweigsam, feige fast, weil er sich selten zu Wort meldete, weil er kein Schreier war und auch kein Angeber. Er war gottesfürchtig und gottergeben.
Mit Karl Golser ist dann ein geistlicher Herr ins (bescheidene) bischöfliche Palais eingezogen, den man respektvoll Professor nannte. Er hatte großes intellektuelles Charisma und war zudem auch noch schön. In unserer Redaktion genoss er auch eine ästhetisch-erotische Wertschätzung, Artur Oberhofer, der Chefredakteur, wollte in Exzellenz immer Alain Delon sehen, was Karl Golser nicht ärgerte, nein er freute sich darüber. Wer ist nicht gerne schön? Und er wusste, dass er ein schöner Mann war.
Als Moraltheologe vertrat er die milde Strenge, den sittlichen Ernst und das moralisch-soziale Verantwortungsgefühl seiner Kirche, der er immer treu diente. Er galt ja mit Don Paolo Renner als einer der zwei Pressesprecher des lieben Gottes, der verängstigte und scheue Klerus spricht ja nicht, er hat Angst vor der Presse, nur in der Kirche, wo es keine Widerrede gibt, lesen sie ihre faden Sermone von Zetteln ab. Aber öffentlichen Debatten stellen sie sich nicht. Eine mutlose Kirche, leider, das Gegenteil von Karl Golser, der sich als Moraltheologe und Professor, der er war, immer traute, an der öffentlichen Debatte teilhatte und auch immer was Kluges zu sagen wusste, wenn es um große Themen des Lebens und der Schöpfung ging.
Das Volk hat ihn also mit offenen Armen aufgenommen, es war stolz auf den neuen Hirten, dem es gelungen ist, im Nu alle Vorurteile zu widerlegen, die gegen ihn zirkulierten, dass er kalt sei, distanziert, zu intellektuell, professoral, zu wenig volksnah. Er suchte sofort den Kontakt zum Volk, zu den Gläubigen, ging hinaus in die Provinz, sprach mit allen, war hyperaktiv. Ich nahm ihn immer als wohlwollend, tolerant, anspruchslos, menschenfreundlich wahr, herzlich und höflich auch gegen Leute niedrigen Standes. Bischof Golser ist sehr schnell als Bischof aller wahrgenommen worden. Er hat sogar den Kontakt zu den Künstlern gesucht, gottlose Gesellen in der Regel, und auch sie, nicht alle natürlich, sind seiner intellektuellen Ausstrahlung erlegen. Er hatte die Leidenschaft des Glaubens und er strahlte sie auch aus. Wenn er die Augen schloss oder sie gen Himmel richtete und diese fromme Pose einnahm, dann schien er beladen mit Glauben und Göttlichem. Wenn er zelebrierte und im Ornat in den Bozner Dom einzog, mit Mitra und Bischofsstab, dann schwebte er zwischen Geheimnis des Amtes und sakralem Eifer, auf der einen Seite der Stolz und die strenge Pracht der gotischen Kathedrale, auf der anderen Seite eine große christliche Demut. Und gerade als er dabei war, ein guter und beliebter Bischof zu werden, ereilte uns die böse Nachricht von seinem Leiden. Viel Böses ist über ihn gesagt worden. Bis er sich selbst der Presse stellte. Er sprach im Fernsehen, ruhig und würdig, gefasst, bemüht, ruhig zu erscheinen, während er innerlich nervös vibrierte. Seine statischen Gesten, sogar die Stimme und die bedachtsam-wohlgesetzte Redeweise, hatten das Zittern disziplinierter Erregtheit. Er hat die Menschen bewegt und wurde damit wohl zum zuverlässigsten Freund derer, die leiden und ringen. Er hat sich, in Demut und von tiefem Glauben getragen, seiner neuen Herausforderung, der unheilbaren Krankheit gestellt. Sein ehemaliger Vorgesetzter, Karol Wojtyla, hatte es vorgemacht, wie man auch das Leiden zelebrieren kann, zum Ruhme Gottes und seiner Kirche.
Bischof Karl Golser war, wie alle seine Vorgänger in dieser oft friedlosen Provinz, ein Botschafter des Friedens, was man aus seinem gewählten Leitspruch, „Christus pax nostra“, ablesen konnte.
Wir haben als Tageszeitung mit Karl Golser immer positive Erfahrungen gemacht. Golser war für uns Medien, auch bevor er Bischof wurde, eigentlich die offizielle Kirche. Man konnte ihn jederzeit anrufen und man war sicher, dass man zu allen großen Themen des Lebens und des Todes eine gescheite Antwort erhielt. Er hat sich nie dem Dialog verweigert und er hat immer diese wunderbare Offenheit und Gesprächsbereitschaft an den Tag gelegt. Und das hat ihn so besonders gemacht. Er war ein großer Bischof!
Ruhen Sie in Frieden, Exzellenz.
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