Geben Sie!
„Geben ist eine noble Geste, man sollte seinen Geiz nicht mit weltpolitischen Diskursen kaschieren.“ Herausgeber Arnold Tribus widmet seinen Leitartikel zu Weihnachten den Bettlern.
Immer wenn die heilige Weihnacht naht und der Christkindlmarkt beginnt, wird unsere Stadt nicht nur von mehr oder weniger kauffreudigen Touristen heimgesucht, mit ihnen kommen auch Heerscharen von Bettelvolk, das auch was abkriegen will vom Fest der Freude und der Liebe.
Man weiß ja, dass an Weihnachten alle Menschen netter sind und so hoffen die Bettler eben, dass sie auch teilhaben am großen Fressen, an der „Grande abbuffata“. Bei so viel exhibitioniertem Reichtum haben auch die Armen die berechtigte Hoffnung, dass auch für sie was übrigbleibt. Und so wird man auch regelrecht verfolgt von den Verzweifelten, die ihre Hände aufhalten und ihre Mützen, auf dass man einen Akt der Mildtätigkeit setze und einen Euro oder mehr abgibt. Um nett zu sein oder um das Gewissen zu beruhigen, auch.
Ich gehe täglich zu Fuß von Gries in die Stadt zur Arbeit und werde von mindestens zehn jungen Schwarzen oder Frauen um meinen Armenkreuzer gebeten. Würde man allen geben, man wäre arm. Verständlich also, wenn bei vielen Bürgern eine Bettlerphobie ausbricht. Also befassten sich die Gemeinderäte bzw. Gemeindeausschüsse mit dem Problem und verabschiedeten in fast allen Städten repressive Reglements.
Jetzt, wo wieder so viele da sind, merken wir aber, dass diese meistens wenig bis gar nichts nützen. Die Armseligen betteln munter weiter, die Polizei hat ja andere Sorgen, die muss darauf achten, dass die Taschendiebe nicht ihr Unwesen treiben, dass Touristen nicht ausgeraubt werden.
Und so halten sie alle legal oder illegal die Hände auf und betteln (aber betteln ist nie verboten, gehört ja zu den Menschenrechten, oder nicht?), desperate Gestalten, sprachlose, gezeichnete Wesen, die gar nicht wissen, wo sie sich befinden, oder aber junge Schwarze, verschreckt und eingeschüchtert, dem afrikanischen Kontinent entflohen, wo der Hunger herrscht und Aids nicht aufhört zu morden. Alle Mühseligen und Beladenen, alle Hoffnungssuchenden suchen den Brosamen, der vom Tische der Reichen abfällt.
In einem Sozialstaat sollte es eigentlich nicht notwendig sein, dass Leute betteln müssen, weil es Einrichtungen gibt, die für die Armen da sind. Nur in armen Staaten sind die Straßen voller Bettler, sie sind Ausdruck allgemeiner Not, allgemeinen Elends. Und dann wollen wir aber auch nicht vergessen, dass das Betteln auch vom organisierten Verbrechen missbraucht und inszeniert wird.
Das ist das große Ärgernis, dass da mafiöse Verbände die Damen und Herrn herbeikarren, sie auf die Straße schicken und am Abend wieder einziehen. Und das Geld abnehmen, nehme ich an.
Ich gebe täglich eine Kleinigkeit, auch weil Weihnachten ist. Die mildtätige Gabe ist eine schöne Form der Nächstenliebe, ich glaube, dass ich den Menschen Gutes tue und ihnen nicht schade. Ich habe diese revolutionären Phrasen satt, dass man die Ursachen bekämpfen müsse, dass man soweit kommen müsse, dass kein Mensch mehr betteln muss. Das sagt man, seit es das Christentum gibt. Damit lebt aber der arme Teufel nicht, der sich sein Brot kaufen muss, seine Zigaretten und seinen Liter Tetra-Pak-Wein, um sich einen schönen Rausch zu gewähren, der die garstige Welt erträglicher macht.
Ich will Sie dazu ermuntern zu geben, Sie leben trotzdem, Geben ist eine noble Geste, man sollte seinen Geiz nicht mit weltpolitischen Diskursen kaschieren.
Sehr unangenehm empfinden wir Bozner auch die plötzliche Militarisierung der Stadt, die mit dem garstigen terroristischen Anschlag in Berlin in Verbindung gebracht wird. Da wurden die Busse großräumig umgeleitet, wer in der Altstadt wohnt, muss diese verlassen, um einen Bus besteigen zu können. Am Stadteingang wurden Betonklötze aufgestellt, Barrikaden und Polizisten mit Gewehren demonstrieren, dass in Bozen Terrorgefahr herrscht. Aber nur solange der Christkindlmarkt dauert. Danach sind Terroristen wieder ungestört.
Frohe Weihnacht. Öffnen Sie Herz und Brieftasche, geben Sie.
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